DD 207 Der Entschuldigungsminister (Januar 2014)

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Der Entschuldigungsminister (Januar 2014) 

In der Wirtschaft hat es sich bewährt, sich bei den Kunden zu entschuldigen – dann kann alles so bleiben, wie es immer war. Jeder macht mal Fehler, aber wenn er es bereut, verzeiht man es ihm. Die echte und tätige Reue muss dabei gar nicht an den Tag gelegt werden, schließlich verfolgen wir ja niemals den, der uns schlecht bedient hat. Es reicht deshalb für den Moment völlig aus, wenn sich jemand entschuldigt. Manager sagen allesamt: „Es ist einfacher sich zu entschuldigen als um Erlaubnis gefragt zu werden.“

Wer müsste also das Entschuldigen am besten üben und perfekt lernen? Natürlich derjenige, der am meisten Fehler macht, oder für den es opportun ist, nicht alles richtig zu machen, weil es zu viel Mühe machen würde. Das sind eben die besagten Manager und vor allem die Politiker. Es ist aber erstaunlich, dass sie sich nicht entschuldigen, sie erklären zuerst immer, dass „sie sich nicht zuschulden kommen ließen“. Wenn man das vor einer Entschuldigung sagt, am besten mehrfach über einen längeren Zeitraum, und sich erst dann entschuldigt, wenn man dazu fast gezwungen wird, dann wird man nicht wirklich entschuldigt. Es ist wichtig, sich sofort zu entschuldigen.

 

Zusammengefasst: Politiker und Top-Manager müssen das sofortige Entschuldigen üben. Wo kann man das lernen? Na, wo am meisten erfolgreich entschuldigt wird: bei der Bahn. Neulich lautete die Ansage im ICE so: „Wir verabschieden uns von den Fahrgästen, die in Mannheim aussteigen. Wir wünschen eine gute Weiterreise und einen guten Tag … und wie immer bitten wir um Entschuldigung.“ Das ließ Heiterkeit aufkommen, und niemand war mehr böse.

 

Die CDU hat das größte Problem. Sie regiert ja schon lange und macht deshalb viele Fehler. Helmut Kohl hat die seinen alle ausgesessen, bis sie vergessen wurden, das geht auch. Angela Merkel lässt sich irgendwie nicht gut beschuldigen, sie wird deshalb Teflon-Angie genannt. Aber was passiert, wenn sie wie geplant im Jahre 2015, in der Mitte der Wahlperiode, in den Ruhestand geht? Die CDU muss das Entschuldigen üben. Das wird schon lange geplant. Jetzt erfolgen erste konkrete Schritte. Ronald Pofalla wird voraussichtlich für zwei Jahre in den Vorstand der Deutschen Bahn ausgeliehen. Weil die Formalien dafür zuerst nicht so schnell erledigt werden konnten, hatte Pofalla zuerst sehr zweideutig angekündigt, „er wolle in der nächsten Zeit sein Leben in vollen Zügen genießen.“

Pofalla soll bei der Bahn – so heißt es – ein neu geschaffenes Ressort für die langfristige Unternehmensstrategie und Kontakte zur Politik in Berlin und Brüssel übernehmen. Er wird dort das Entschuldigen lernen, ständig verbessern und nachhaltig in der Politik einführen. Kurz nachdem seine Ausleihe an die Bahn publik wurde, kursierten schon die ersten Spekulationen um seine ersten Amtshandlungen. Er würde nach dem Amtsantritt sofort erklären: „Die Verspätungen der Bahn haben sich erledigt. Wir haben das Programm ‚Nie später ankommen‘ aufgelegt, kurz NSA.“

 

Die derzeitigen Pläne sehen angeblich vor, dass Pofalla unter der zweiten Kanzlerin Ursula von der Leyen Entschuldigungsminister wird. Er könnte gleichzeitig auch Verteidigungsminister werden. Minister für Entschuldigung und Verteidigung. Es ist vorgesehen, die bei der Bahn erworbene Expertise an die anderen Kabinettsmitglieder, aber auch an Nachwuchstalente wie Frau Schavan und Herrn zu Guttenberg weiterzugeben. „Wir bitten die Staatsschulden zu entschuldigen.“ – „Wegen der Störungen im Politikablauf kam es kurzfristig zu unvorhergesehenen Steuererhöhungen. Über die genauen Anhebungsbeträge werden wir sie rechtzeitig informieren.“ – „Die Regierung ist unplanmäßig zu einem Halt gekommen. Das Weitermachen verzögert sich auf unbestimmte Zeit.“ – „So lange die Renten nicht wirklich entfallen, gilt die Unschuldsvermutung.“ – „Die flächendeckende Überwachung der Bürger ist immer noch nicht gewährleistet, weil es nicht überall Internet gibt. Wir bitten um Entschuldigung.“ – „Die Banken machen viel zu kleine Gewinne, wir bitten um Entschuldung.“ – „Die Universitäten bieten leider zu wenige Plätze, das geht uns an Herz, da können viele Bachelors den Master gleich abschreiben, den Doktor sowieso.“

Endlich wird Reue gezeigt werden!

Politik muss nicht Leid sein. Politik muss Leid tun.

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4 Antworten

  1. Es ist ja ein weitverbreiteter Irrtum, dass man glaubt, SICH entschuldigen zu können – man kann nur einen Anderen um Entschuldigung bitten

  2. In Asien ist es immer straflindernd, vor Gericht Reue zu zeigen. Vielen unschuldig Angeklagten wird empfohlen, sich unter Tränen schuldig zu bekennen. Dies zieht eine geringere Strafe im Falle der Verurteilung nach sich. Anm: die Verurteilung kann manchmal schon vor Verfahrensbeginn beschlossen sein.

    Wenn ich diese Beobachtung nun auf deutsche Politiker übertrage, kann ich diese Reuetaktik verstehen: sie sind ja schlicht dadurch vor-verurteilt, dass sie Politiker sind.

  3. Da sind aber diesmal die Pferde etwas mit Ihnen durchgegangen, Herr Dueck. Ich finde den „Fall“ Profalla ja schon ziemlich bedenklich. Wegen des schon ziemlich starken Geruchs nach Versorgung eines nicht länger tragbaren Ministers. Aber daraus gleich einen zukünftigen Entschuldigingsministers zu konstruieren, ist mir etwas zu viel Phantasie.

    Im übrigen halte ich es mit Jana von Kommentar #1: Ent-schuldigen, also von der Schuld befreien, können immer nur die Betroffenen, nie der Verursacher. „Ich entschuldige mich“ ist demnach nicht nur eine Unmöglichkeit, sondern eine Frechheit.

    1. Da liegen ja Begriffe in unmittelbarer Nachbarschaft, was dazu verleitet sie miss zu verstehen. Ent – schuldigen und ent – schulden werden eben so verwechselt und gleichzeitig verquickt. Sprachschlampigkeit sozusagen.
      Wichtig scheint mir, dass die Sprechakte wie „Ich gebe ihnen mein Ehrenwort“, oder „Bitte entschuldigen sie die Unannehmlichkeiten“ vom Aussagenden auch Konsequenzen fordern.
      Wir gestehen gerne zu, daß der Satz selbst bloß ein Bild ist mit einem Etikett oder einem Zeiger, der ihm beigegeben ist. Aber jenen Satz aussagen heißt für ihn die Verantwortung zu übernehmen.“
      Und genau daran fehlt es vielen „Satzaussagern“ heutzutage, da ist Kohl nicht der Erste und Pofalla nicht der Letzte. Schlimm ist aber die Inflation mit der Sätze produziert werden, ohne die Verantwortung dafür zu übernehmen.

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