DD195 World Project „ClickSpy“: Hilf den USA beim Spähen!

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DD195: Project „ClickSpy“: Hilf den USA beim Spähen! (Daily Dueck 195, Juli 2013)

 

„Hilf mit! Lass’ die USA nicht allein! Jeder kann helfen, E-Mails zu klassifizieren!“ – so spricht demnächst eine große Werbekampagne die Weltbevölkerung an. Das Project ClickSpy soll nach dem erfolgreichen ClickWorkers-Projekt der NASA modelliert werden. Schon seit Jahren helfen da viele Freiwillige in Heimarbeit, für die NASA Marskrater zu katalogisieren und Asteroiden zu finden. Jeder dieser „Volunteers“ wertet seinen kleinen Teil der ungeheuren Bildmenge aus, die von den Satelliten her einströmt.

 

Seit diesem ersten „Crowd-Project“ sind viele andere nach seinem Vorbild entstanden und haben sich bewährt. Jeder kann seine Arbeitskraft spenden! Es kann doch nicht sein, dass hoch bezahlte Wissenschaftler vor Satelliten-Aufnahmen sitzen und sie auswerten, das kann jeder Unterbezahlte auch, am besten ehrenamtlich. Das haben Unternehmen spitzbekommen und lassen sich jetzt von ihren Kunden neue Produkte erfinden. Das ist viel billiger als es die Unternehmensingenieure könnten, außerdem ist die Gefahr nicht so groß, wieder mal nach der typischen Art der Akademiker am Markt vorbei zu erfinden.

Hier setzt das geplante ClickSpy Project an. Die amerikanische NSA erntet zurzeit mehr Daten als die NASA und steht deshalb noch stärker vor dem gigantischen Problem, die gesammelten Daten auszuwerten. Dabei sollen jetzt große Massen von Freiwilligen helfen. Wenn man es optimistisch sieht – dazu besteht nach den bisher ausspionierten Daten aller Grund – sind über 90 Prozent der Weltbevölkerung amerikafreundlich und auch strafrechtlich unbelastet. Sie verfügen über Sprachkenntnisse in allen Weltsprachen und können sich in die Diktion fremdartiger E-Mails einfühlen. Aus dieser immensen Masse der potentiellen Freiwilligenarmee soll nun eine exklusive, feine, aber doch sehr große Spy Army rekrutiert werden.

Eingeweihte formulierten es so: „Wir müssen sorgfältig prüfen, ob die Bewerber für die Proud Crowd, äh, sorry, das ist ein interner Name, vergessen sie ihn bitte…äh, ja. Wir müssen darauf achten, wie einfühlsam und empathisch die Bewerber sind, und ob sie den Belastungen gewachsen sind, sensible Mails zu verkraften. Die meisten Mails sind ja Spam, sexistisch, verführend, politisch extrem – oder sie enthalten radikale Ideen, die vom Konsum ablenken. Wir können auf der anderen Seite nicht erwarten, dass uns viele freiwillige Führungskräfte oder höhere Beamte helfen können. Das wäre ideal, aber die sind schon oft damit übelastet, die E-Mails aus ihrem eigenen Umfeld auszuwerten. Wir werden das Projekt ClickSpy nicht sofort in voller Größe hochfahren, sondern erst einmal mit ein paar Millionen Amerikanern starten. Danach werden wir ältere Deutsche dazu nehmen, die alte Hinter-Mauer-Erfahrungen einbringen können. Für die ist das alles kein Internet-Neuland.“

Weiter hieß es: „Die meisten Mails werden statistisch gesehen niemals gelesen und sofort gelöscht. Das ist nicht hinnehmbar. ClickSpy setzt sich zum Ziel, erstmals alle Mails auszuwerten. Wir können die Besitzer der Mails dann auch belehren, dass sie Wichtiges versäumt haben. Erfahrene Freiwillige der Proud Cloud können dadurch Ehen retten, überall außerhalb der USA die Demokratie einführen helfen und auf mehr Response bei Werbung dringen. Das Projekt finanziert sich über diesen Service von selbst, die Freiwilligen erhalten Proud Crowd Ehrungen, dazu werden wir ein Internet-Punkteportal „Prout“ etablieren, das die Errungenschaften hervorstechender Individuen würdigt.“

 

Auch der Nutzen des Projektes scheint klar: „Alle Mail werden endlich gelesen. Es muss ein furchtbares Gefühl für Menschen sein, wenn ihre Mails nur von Computern der NSA erfasst werden und ungewürdigt sinnlos Festplatten füllen. Die Mitarbeiter der Proud Crowd lernen das Denken vieler Menschen kennen. Sie können es behutsam eingreifend korrigieren, so wie sie es von den Bundesbehörden in Härtetrainings lernen. Wenn viele Menschen sich kulturübergreifend kennen lernen, besteht die Chance, dass sie sich im Mailschreiben und Klicken so vermischen, dass sie auf einen gemeinsamen Punkt hin konvergieren und alle denselben Typ annehmen, den Corporate Collaborative Cooperative Consumer Citizen (5C), der die Grundlage der Weltdemokratie bildet. Ich kann nur jedem empfehlen, sich einzubringen und darin persönlich weiterzuentwickeln.“

 

Ein Menge Arbeit und viel Raum zur Menschwerdung – da merkt man den Offiziellen das Entzücken an. Was aber hat das mit Terroristen zu tun? Wir fragten nach.

„Wir werden diejenigen sorgfältig beobachten, die nicht mitmachen oder Ad-Blocker installiert haben.“

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12 Antworten

  1. Super Artikel. Zumal ich ein Fan von Satire bin.
    Der Artikel erinnert mich stark an Ihr Buch ‚Direktkarriere‘: Auf den ersten Seiten habe ich herrlich gelacht, dann habe ich mich unwohl gefühlt und mein Magen wollte nicht mehr mitmachen. An diesem Punkt (ca 1/3 des Buches) habe ich nach hinten geblättert, um den Disclaimer ‚Alles nur Spass!‘ zu suchen. Als ich den nicht fand, wurde mir richtig übel und ich konnte nicht weiterlesen. Die Dosierung beinflußt ebend auch Wert einer Sache zum Wohlbefinden.
    Den Disclaimer habe ich hier auch vermisst.

    1. Der Verlag wollte keinen Disclaimer reinsetzen, da sieht man jetzt die Rezensionen bei Amazon… Es hat sooo einen Spaß gemacht, all solche Satiren zu schreiben, aber natürlich soll es den Magen umdrehen! Und dann: Wenn Sie nur ein Drittel des Buches gelesen haben, werden Sie doch nicht weiter befördert, oder nur nach unsinnigen Anstrengungen, gut zu arbeiten??? Oder ich hab zuviel Swift und Bierce inhaliert…

  2. Eine herrliche Satire und wie jede gute, leider sehr nah an Wirklichkeit. Due Proud Crowd hat reales Potential und man fragt sich, wann die Grenze zum Totalitarismus überschritten wird. Das mag hart klingen, aber sind wir ehrlich: er kommt doch immer schleichend daher, wann gehen Alarmglocken an, wo werden Grenzen gesetzt?
    Was mir etwas fehlt im DD: die Auseinandersetzung mit Big Data. In Bluffdale (was für ein Name! So humorvoll gewählt und ganz real) stehen nicht nur viele Zetabyte Speicher, sondern auch viele starke Rechner, die eben doch in der Lage sind, auch ganz ohne Patriot Crowd dieses Bergwerk zu durchwühlen. Auch hier stellt sich die Frage (wie bei jeder Hochtechnologie): darf man alles machen, was man kann? Sind Grundrechte immer noch unveräußerlich? Muss eine Gesellschaft Missbrauch aushalten können? Wir sind wiedermal an einer sehr fundamentalen Wegkreuzung angekommen. Hoffentlich wird die Diskussion nicht wieder in Kommissionen vergraben (obwohl die ja schon auf dem Weg ist…)

  3. Mir fällt bei Big Data immer „HAssos New Application“ ein, doch da ich keine Werbung (sie wirkt sowieso schon, wie man an meinem Reflex feststellen kann) machen will, müssen Sie die Großbuchstaben schon selbst zusammensetzen. Ich habe da von einer Maschine (Rechner kann man das ja nicht mehr nennen, ist das nun HAL oder Deep Thought?) gehört, die ca. 4000 Kerne hat und mehrere Terabyte Arbeitsspeicher (ja, Arbeitsspeicher!). Die hat ein namhafter Rechnerhersteller angeblich mal eben in 4 Wochen zusammengesetzt, damit HAsso mit seiner Applikation Larry ärgern kann.

    Mit der Applikation und der Maschine kann man schon jetzt den zu befürchtenden, natürlichen Abgang der oben erwähnten, in Deutschland Geeigneter und anderer Hilfswilliger kompensieren (oder hat man schon?). Das hat den Vorteil, dass dann auch Ihre und meine Mails anonym gelesen und ausgewertet werden! Dann ist es doch nicht mehr schlimm oder?

    Ich glaube diesen Kommentar hätte ich mir aus diversen gründen sparen sollen, bin aber wirklich begeistert von den Möglichkeiten der Applikation und des Rechners, ehrlich!

  4. Ihr Beitrag („DD195: Project „ClickSpy“: Hilf den USA beim Spähen!“) hat mich an geregt zu der Überlegung, wie man den wahrlich bedauernswerten US-Datensammlern noch wirkungsvoller helfen könnte, damit sie nicht in der Datenflut ertrinken. Hier ist mein ernst gemeinter Vorschlag:

    Wie bei vielen anderen Übeln, bekämpft man auch dieses am besten an der Wurzel, dort, wo es entsteht. Am einfachsten wäre es doch, wenn man den Prüfalgorithmus, mit dem die Datenschnüffler die Spreu vom Weizen zu trennen versuchen (die harmlosen von den potenziell verdächtigen Daten), sozusagen als „open-source-project“ zur allgmeinen Benutzung freigibt. Auf diese Weise könnte jeder Nutzer des Internets oder anderer Kommunikationsmedien seine eigenen Beiträge (E-Mails, Chats, Telefongespräche, Briefe, etc.) auf terrorverdächtige Spuren untersuchen lassen und gegebenenfalls Meldung an die NSA zwecks weiterer Veranlassung machen. Möglicherweise ließe sich dieser Vorgang auch automatisieren, indem man eine entsprechende Software in das Prüfverfahren einbaut. Diejenigen Beiträge, die sich dadurch verdächtig machen, dass sie sich der vorgeschlagenen Maßnahme bewusst entziehen, könnte man dann ja sozusagen „von Hand“ aussortieren und einer gesonderten Behandlung unterwerfen.

    Das hier von mir vorgeschlagene Verfahren hätte nicht nur den Vorteil, enorme Kosten und Resourcen einzusparen. Vorausgesetzt, dass der Prüfalgorithmus wirklich den notwendigen Qualitätsansprüchen genügt – weshalb ich vorschlagen würde, vorsichtshalber einschlägig erfahrene Experten des deutschen BND bei der Ausarbeitung zu beteiligen – , könnte man auf diese Weise ein Großteil der überprüften Personen von dem ungerechtfertigten Verdacht befreien, ernsthafte Terrorabsichten zu haben. Darüber hinaus könnte man ja nun allen Kritikern einer „Big-Brother-Is-Watching-You-Politik“ glaubhaft entgegenhalten, dass ja alles in ihrem eigenen Interessen und zu ihrem eigenen Vorteil geschieht.

    Mit freundlichem Gruß
    Friedhelm Kampsmann

  5. Wozu sollen Menschen die Arbeit von Computern machen? Ich bin sicher die NSA und Co. werden die Challange BigData in Kürze gelöst haben.
    Das hilft uns allen.

    Außerdem brauch‘ ich dann keinen Backup mehr zu machen. Ich kann mir ja jederzeit meine Daten von denen wieder holen 😉

    mfg
    Roy O’Finnigan

  6. Patriotismus mag ja ein Grund sein, freiwillig den NSA Leuten zu helfen. Aber den konnte man selbst in USA noch nicht flächendeckend produzieren.
    Neugier dagegen ist global und allen Menschen innewohnend. Man muß nur einfach in allen Mail-Programmen (in älteren per Update) einen weiteren Ordner einbauen : NADARI (Nicht an Dich, aber richtig interessant) Und da schicken die „Sammelrechner“ nach dem Zufallsprinzip immer wieder mal eine beliebige Mail aus dem passenden Sprachpool hin. Wichtig ist eine einfache Auswertung. Also: 5 Kästchen, von „für jeden uninteressant“ über „da könnte man einhaken“ bis „Also der ist auch ein potentieller Bombenbauer“.
    Das schafft ratzbatz was weg : Lesen, amüsieren oder sich wichtig fühlen (oder für sich selbst nutzbar machen), dann ein Mausklick, fertig.
    Nebenbei – daß Patriotismus vorgespielt sein kann, hat ja nun der Herr S. bewiesen. Aber neugierig ist jeder…

  7. Das ist mal wirklich eine gute Idee. Mehr Bürgerbeteiligung an unseren geheimen Diensten. Das macht sie uns dann sogar noch sympathisch. Immerhin wollen sie doch nur unser aller Bestes.
    Vielleicht sollte man noch anregen, SpyWare als Open Source zu veröffentlichen, das würde helfen die Qualität zu verbessern und außerdem Steuergelder sparen.

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