DD198: Das Ziel der Menschenpotential-Entfaltung oder „Jedem Einzelnen gerecht werden“

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Das Ziel der Menschenpotentialentfaltung oder „Jedem Einzelnen gerecht werden“

 

Noch ganz erfüllt von den Gesprächen auf dem Vision Summit 2013 in der Urania in Berlin sitze ich im Flieger nach Hause. So viel Seele, Herz, Engagement, Aufbruch und Idealismus! Der Philosoph Richard David Precht hat es verschiedentlich oft so gesagt: „Nicht eine Bildungsreform ist nötig, wir brauchen eine Bildungsrevolution!“ (Precht hat die Gabe, die Schlusssilben „-re-vo-lu-ti-on“ unnachahmlich nachdrücklich in uns hineinzubrennen.)

Da kam sofort das Fernsehen vorbei. Revolution? Echt? Stimmt das? Heiße Herzen stimmen bei.

 

Wir sehen überall, dass „Bildung“ (in diesem Zusammenhang ist damit professionelles Können gemeint) und damit Berufschancen ungleich verteilt sind. Das waren sie schon immer, aber es fällt zunehmend auf. Warum? Ich sage es immer wieder: Die Industrialisierung nun auch der Dienstleistungen und einfachen Services und Auskunfts- und Büroberufe verlangt von allen (ALLEN) mehr (MEHR) „Bildung“ (professionelles Können) als früher. Immer mehr. Heute mehr, übermorgen noch mehr. Wir müssen dem Computer überlegen bleiben, sonst frisst er unseren Job. Aus diesen Gründen wird nun arm, wer nur etwas  kann, was der Computer oder „das Internet“ von selbst können. Kurz: Das Internet fordert seine Opfer, so wie der Trecker die Landarbeiter wegfegte. Dieses relativ schnelle Wegfressen vieler Jobs treibt vor allem Menschen mit weniger professionellem Können in prekäre Lagen.

Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer mehr zu einer Schere zwischen „Hochgebildeten“ und „heute nur Normalgebildeten“ (was morgen zu wenig sein wird).

 

Plötzlich, weil professionelles Können nun eng mit dem neuen Reichtum oder dem Besserverdienst zusammenhängt, kommt Verteilungsneid auf. Da ist eine „gebildete“ und auch „digitale“ Elite – die verdient gut und besser und bald noch besser. Da sind Menschen ohne viele Abschlüsse, die bald um Mindestlöhne betteln müssen.

Persönliche Fähigkeiten sind der Schlüssel für Erfolg in der kommenden Wissensgesellschaft, das ist seit langem bekannt. Niemand hat die Schulen daraufhin reformiert, die Universitäten ebenfalls nicht, bestimmt nicht mit „Bologna“. Man hat eher die Schulzeit verkürzt und die Unis bachelorisiert! Die Industrie hat die Trainee-Ausbildungen gestrichen und durch „training on the job“ ersetzt! War es nicht früher so, dass man bei dem Eintritt in ein großes Unternehmen ein Jahr durch alle Abteilungen wanderte und lernte und lernte – und dann erst wirklich produktiv arbeitete? Die Unternehmen gehen zum Prinzip der „Employability“ über: „Jeder soll sich so weiterbilden und immer up-to-date halten, dass bei einer Neuausschreibung seiner jetzigen Arbeitsstelle er selbst unter allen Bewerbern der absolute Wunschkandidat wäre. Das ist jedermanns Bringschuld gegenüber dem Arbeitgeber. „Up-to-date is up to you.“ Oder eben anders ausgedrückt: „Wir selbst kümmern uns nicht mehr um dich.“

 

Professionelles Können wird jetzt zum Engpass nach oben. Mangel an Bildung ist das Zwangsticket nach unten. Wir schreien: „Mehr Bildung!“ Getan wird nichts. Darf es eine Milliarde mehr für Bildung sein? Die versickert, weil vieles durch das Sparen schon marode geworden ist und eine Milliarde mehr für Bildung nur den Niedergang lindert (die meisten Unis, die in der 70er Jahren in Betrieb gingen, müssten saniert werden, da kann alles Geld hingehen – ohne Bildungszuwachs).

Noch schlimmer – wir müssten jetzt schreien: „Mehr solche Bildung, die morgen ernährt!“ Das ist allerdings eine ANDERE als die heutige, also müssen wir die BildungsINHALTE revolutionieren, nicht so sehr die Bildung beschleunigen oder effizienter verabreichen. Inhalte werden nicht mit Gelddiskussionen und Exzellenzunistress verändert!

 

Bevor wir aber die Bildung in den Inhalten zu neuem professionellen Können revolutionieren (was Arbeit ist, viel Arbeit – und Ringen um neuen Konsens – wir müssen die Zukunft gemeinsam verstehen, bevor sie da ist), können wir uns schon einmal auf das Ziel einigen. Das ist auf dem Vision Summit 2013 eindeutig und unwidersprochen dies:

 

„Wir entwickeln das volle Zukunftspotential jedes einzelnen Menschen.“

 

 

 

Wie geht das? Da scheiden sich die Geister. Manche asiatische Schulsysteme drillen unbarmherzig und übrigens erfolgreich (das wird hier in Berlin natürlich ausgeblendet). Wir schauen ganz klar auf „Skandinavien“ oder eigene mitgebrachte Ideen. Dort schafft man es, den jungen Menschen als Menschen zu begegnen, sie liebender als bisher in ihrer eigenen Persönlichkeit „abzuholen“ und für die Bildung zu „öffnen“. „Lernlust“ sollen sie haben, sie alle sollen möglichst das Abitur machen. „Kein Mensch soll verloren gegeben werden.“

 

Es herrscht unausgesprochene Einigkeit, dass wir den jungen Menschen als Vorbild dienen sollen, wir sollen sie wertschätzend zu Persönlichkeiten reifen lassen.

 

Wie macht man das? Wie stellen wir es an, Vorbilder für Digital Natives zu sein, wo doch für viele von uns Internet noch „Neuland“ ist? Wie coachen wir Kinder und begegnen ihnen als Menschen? Wie begegnen Chefs den Mitarbeitern als Menschen?

 

Davon sind wir ziemlich weit entfernt, wir müssen uns auf den Weg machen. Wir selbst. Alle. Zuerst die Lehrer, Eltern, Vorgesetzten, Pfarrer und Politiker.

 

Und wie das so ist: Statt dass jeder für sich zur Potentialentfaltung beiträgt, schon einmal seine Persönlichkeit noch weiter entfaltet und entwickelt und eine Quelle der Entfaltung anderer wird, diskutieren Kongresse, was „man“ machen „muss“. Leider werden auf Kongressen fast nie die Ziele in Angriff genommen, sondern man starrt auf die nächsten Barrieren, die vor uns stehen und die jetzt gerade als die höchsten erscheinen. Man starrt auf Probleme, die jetzt ins Auge springen und an der Seele nagen: Mangelnde Inklusion. Benachteiligung bildungsferner Schichten. Ungleichheit der Geschlechter. Aufschrei. Die simple Traum-Lösung heißt: Gerechtigkeit, die man modisch Chancengleichheit nennt und sofort im nächsten Zug in gewisser Weise Gleichheit verwechselt.

 

Ich denke so bei mir: Wenn wir es schaffen könnten, schnurstracks an die Potentialentfaltung als Ziel zu gehen, dann wird ALLES besser, dann schaffen wir den Übergang in die Wissensgesellschaft, dann gelangen wir wieder zu allgemeiner Prosperität und können die Unterschiede in der menschlichen Gesellschaft relativ entspannt einebnen. Reden wir also, so wie ich es gerne hätte, über Potentialentfaltung, Vorbild sein, Kinder- oder Mitarbeiterbeziehungen? Ja, aber nur als Proklamation. Die wirkliche Arbeit findet wieder an den Symptomen statt. Vor der wahren Potentialentfaltung (ein weiter Weg!) ebnen wir die Unterschiede ein, weil sie als größtes Leid vor uns liegen. Wir arbeiten zuerst an der Beseitigung der Unterschiede. Wir verbieten die Noten und alles Beurteilen, erzwingen Inklusion ohne Bereitstellung erforderlicher Mittel und Ausbildungen, wir achten überall auf Gerechtigkeit.

 

Das Ziel war und ist aber doch: liebende Potentialentfaltung jedes Einzelnen, oder? Was, wenn nun die Menschen verschiedene Potentiale haben, „schlimmer“ noch: verschieden hohe? In einer Gesellschaft, in der jeder Einzelne voll erblüht ist, wird es wieder Unterschiede geben, in Talenten, Einkommen und Ansehen. Man bedenke aber, dass ein voll erblühter Mensch unter voll erblühten Menschen kein so großes Problem mehr mit den Unterschieden hat!

Wenn wir die Potentiale entfalten wollen, beseitigen wir keineswegs die Ungleichheit, aber wir haben sie nicht mehr als gravierendes Problem.

 

Ach, und da trauere ich ein bisschen, dass viele Idealisten zuerst und nur erst die Ungleichheit beseitigen wollen… Darum geht es doch nicht im Sinne des Endzieles! Es geht immer um diesen EINEN, diesen EINZELNEN, dieses eine Kind, diesen einen Mitarbeiter, diesen einen Schutzbefohlenen, der bestmöglich entfaltet werden muss. Diesem EINEN muss ich GERECHT werden, das bedeutet nicht „Gerechtigkeit“ im Sinne von Gleichheit im Ganzen. Eine solche Gerechtigkeit vergleicht ja doch wieder! Versteht denn keiner den Unterschied? Zwischen dem menschlichen „vor dem Gesetz sind alle gleich“ und dem göttlichen „Gott wird jedem Einzelnen liebend, gütig und gnädig gerecht“?

 

Potentialentfaltung ist ein Ziel für jeden Einzelnen, nicht ein allgemeines.

Jedem Einzelnen gerecht werden – das ist ein höheres Ziel als bloß allgemeine gesetzliche Gerechtigkeit. Oder: Wahre Gerechtigkeit ist es, jedem Einzelnen gerecht zu werden.

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17 Antworten

  1. Sehr geehrter Herr Dueck,

    den heutigen DD habe ich sehr ernsthaft gelesen und möchte Ihnen zuerst gratulieren, mit welcher Sanftheit Sie die schwierige Klippe der in Deutschland so hoch gehaltenen Gleichheit auf Ihre Kernfrage hin unterminiert haben. Als im Ausland lebender Deutscher ist es für mich erschütternd zu sehen, mit welcher Vehemenz in Deutschland menschliche Unterschiede zu politisch/adminsistrativ zu lösenden Problemfällen dargestellt werden. Das Gefühl für den Einzelnen scheint in Deutschland sukzessiv abhanden gekommen zu sein, stattdessen erfolgt eine übertriebene Fokussierung auf möglichst hohe und schnell erreichbare Bildungsabschlüsse. Das Faktum unterschiedlicher mentaler und intellektueller Fähigkeiten wird keine Bildungsreform aus der Welt bringen können. Dabei werden die wesentlichen Fragen konstant negiert. Die erste Frage ist die von Ihnen aufgeworfene – wie gelingt es uns, dass unterschiedliche Fähigkeiten und Austattungen in einer Gesellschaft einen Platz finden, der es dem Einzelnen genau mit diesen Fähigkeiten ermöglicht ein sinnvolles und damit erfülltes Leben zu leben? Dann: wie gelingt es uns Menschen zu einem sinnvollen und ethisch verantwortbaren Leben zu bringen? (eine rein auf die intellektuellen Fahigkeiten abzielende Ausbildung wie in Deutschland ist dazu sicher nicht der richtige Weg.) Und: wie gehen wir zukünftig mit der – wahrscheinlich – größeren Anzahl von Menschen in einer Gesellschaft um, die nicht in der Lage sein werden, den Anforderungen der Wissensgesellschaft zu erfüllen?

    Mit freundlichen Grüssen aus Prag,

    Magnus A. Brandau

  2. Wie so oft muss ich auch wieder bei diesem DD heftig nicken. Man stelle sich vor die Menschen würden gemäß ihres Potentials entwickelt und dieses der Gesellschaft zur Verfügung stellen? Oder anders gefragt, kann sich ein HRler vorstellen was passieren würde, wenn er bei allen Mitarbeitern eine Erhöhung des Potentials um 1% erreichen könnte?

    Wahrscheinlich kann sich kaum einer vorstellen wohin wir damit in Unternehmen oder der Gesellschaft kämen.

    Bei der Erziehung meiner Kinder handel ich nach der Maxime, ich behandle alle gleich, nämlich so wie sie es brauchen. Ähnlich ist mein Wunsch was die Entwicklung der Gesellschaft angeht. Es ist wenig Zielführend alle Schüler zum Abitur zu bringen, nur damit auf einer Bildungskonfferenz davon geschwärmt werden kann, wenn diese bedeutet wir müssen den Schnitt immer weiter runterdrücken damit möglichst viele das Abitur auch bestehen.

    So sehr ich mir wünsche, umgeben zu sein von Menschen mit einem mir ähnlichem Bildunsgstand/Lebensentwurf/Träumen/Wünschen, so sehr wünsche ich mir dass es viele solcher Blasen gibt und jede für sich als wertvoll betrachtet wird, sowohl von Innen als von Außen.

  3. Machen! Dem Skandinavischen Modell folgen! Warum nicht etwas 1:1 übernehmen, das sich bewährt hat?! Singapore’s grosser Staatschef, Lee Kuan Yew, hat es erfolgreich vorgemacht: Er hat zu jedem anstehenden Thema für seinen jungen, neuen Staat – ob Bildung, Verkehr, Gesundheitswesen etc. – sich umgeschaut, wo, in welchem Staat in der Welt wird was erfolgreich gemacht? Er hat es übernommen, man hat es begonnen, man hat es u.U. kurzfristig wieder rückgängig gemacht, oder man hat etwas eigenes Neues daraus kreiert. Klar ist das für einen Alleinherrscher auf den ersten Blick einfacher. Und eben genau da brauchen wir hier das, was eine gewaltige, nicht gewalttätige Revolution wäre: Bund und Länder in ihren Kompetenzen klarer zu definieren, hier und da zu beschneiden, und entschlossene Quereinsteiger in das Terrain, das wir bis jetzt noch Politik nennen.

  4. Was viele Gleichheitswunschdenker vernachlaessigen, ist, dass Gleichheit ja zwangslaeufig bedeuten muss, sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu treffen. Sonst sind ja nicht alle gleich, und manche koennen halt nicht besser!
    Was fuer boese Blueten das treiben kann hat hier in den USA „no child left behind“ gezeigt. Hochbegabtenprgramme wurden abgeschafft, damit von den Geldern auch noch die letzten Kinder ueber die Mindesthuerde gehievt werden koennen. (Stark abnehmender, ja gar negativer Grenznutzen.)

    Der Vorteil der Gleichmacherei ist natuerlich, dass keiner der Boese sein muss, der die Kinder in Mehrkoenner und Wenigerkoenner einteilt. Als Politiker hat man sowas gern.

    Gespannt bin ich, wie sich die Umsetzung der neuen Standards auswirkt. Je nachdem, wem man zuhoert, werden die entweder die Bilding in the USA ins gelobte Land oder in den Abgrund fuehren. Was sich allerdings interessant anhoert, sind die Messungen nicht nur vom Erreichen des Klassenziels, sondern auch vom Fortschritt (progress) jedes Kindes. Aha! Da wird jetzt endlich auch gemessen, ob das Kind, das zur Einschulung schon lesen und zweistellig addieren und subtrahieren konnte, auch etwas dazu gelernt hat. Und andererseits kann auch ein Kind mit Lernschwierigkeiten ja durchaus grosse Fortschritte machen, obwohl es immer das offizielle Klassenziel verfehlt. Das kann man dann endlich auch sehen und verstehen.

    Die Menschen, die die Gleichheit in Allem verfolgen, haben vielleicht emotional Probleme damit, sich und anderen die Grenzen des Koennens einzugestehen. Ich habe mich damit abfinden muessen, dass meine Stimme nicht zur Opernsaengerin taugt. Bei aller liebe zum Sport, wird mein Kind nie Olympiaturner. Irgendwann werde ich es ihm sagen muessen. Was im Sport und Kunst allen einsichtig ist, ist bei Mathematik, Geschichte und Problemloesung dann auf einmal nicht mehr akzeptierbar. Das muessen alle koennen. Weil ja alle Abitur machen sollen und den Uniabschluss und IT-Hochverdiener werden sollen. Wenn das Kind „nur“ Tierpfleger wird, sind ja alle enttaeuscht. Also ist das eigentliche Problem ja, dass wir alle Kinder wertvoll machen wollen, und Wert mit Gehaltsniveau definiert wird. Der Wert, der nicht in Gehalt ausgedrueckt werden kann, zaehlt nicht. Es zaehlt nicht, das jemand sich eben am liebsten um Affen kuemmert, und den Fortbestand der Art unterstuetzt. Der Wert der Zahnarzthelferin wird in ihrem Gehalt ausgedrueckt, nicht ob sie Patienten die Angst nimmt und den Zahnarztbesuch erleichtert. Solange die Gesellschaft den Wert einer Person in Gehalt bemisst, wird auch die Bildung nach Gehalt und nicht nach Glueck streben. Schade eigentlich.

  5. Bravo! Den Gedanken und Schlussfolgerungen kann ich mit vollem Herzen zustimmen.

    Ein Vorschlag für einen ERSTEN SCHRITT: Jedes Kind macht einen (umfangreichen) Potenzialtest. Das wird erstens eine Riesendiskussion auslösen, was den überhaupt Potenziale sind. Und es wäre schön, wenn es einen bundeseinheitlichen Potenzialtest gäbe.

    Natürlich werden die Schulen (anfangs) nicht in der Lage sein, genügend Kurse etc. anzubieten, die zur vollen Potenzialentfaltung führen. Aber das Kind, der Jugendliche und vor allem seine Eltern wissen jetzt, wo die Potenziale liegen. Damit können sie dann viel besser und wirksamer aktiv werden, als bei der heutigen Orientierung an dem aktuellen (bescheuerten) Fächerkanon.

  6. Lieber Herr Dueck,
    viele Anmerkungen und Anregungen erscheinen mir nachvollziehbar und anstrebenswert. Gleichzeitig spüre ich Unbehagen mit manchen Details, weil sie mir unscharf oder zu kurz (gedacht?) formuliert sind.

    Ich finde Themen wie Inklusion, Ungleichheit der Geschlechter, sozial indizierte Bildungsferne usw. leicht abwertend mit Gleichmacherei in einen Topf geworfen.

    Inklusion beispielsweise hat nichts mit „verwechselter“ kollektiver Gleichheit zu tun, sondern mit bewusst vermiedener Benachteiligung genau Einzelner wegen deren Ungleichheit in verschiedenen Ausprägungen.
    Vor allem aber mit dem Erkennen und Nützen von Potentialen „anderer“ Einzelner!

    Ich zitiere: „Diesem EINEN muss ich GERECHT werden“, übrigens auch DIESER EINEN. 🙂

    1. Hallo Herr Auinger,

      natürlich muss auch Inklusion sein, aber es ist nicht das wirkliche Ziel, sondern nur ein Teilziel. Das Ziel ist, jedem Einzelnen gerecht zu werden. Wer aber zum Beispiel Inklusion als Teilziel zu isoliert betreibt, kommt dazu, zum Beispiel die Begabten aus dem Blick zu verlieren.

      In Deutschland löst man schon Sonderschulen auf (das spart Geld!!) und schickt die dort gut aufgehobenen Kinder zu Normalschulen, wo kein Lehrer für Sonderschüler oder „Asperger“ oder „Hyperaktive“ ausgebildet ist und diese auch mit Ausbildung bei großer Klassengröße kaum verkraften kann. In den USA ist „No child left behind“ Mode, man streicht dafür Talentförderung…

      Usw…

      Was ich sagen will…man muss das Gesamtziel in den Augen behalten…

  7. Ich bin immer wieder fasziniert, mit welchem Fingerspitzengefühl Sie zum Denken über den Tellerrand anregen und dennoch ein deutliches Vertreten Ihres Standpunktes in Ihren Artikeln erkennbar ist.

    Gerade das Thema mit der Bildung hat ja Herr Precht sehr massiv und immer wieder angesprochen. Generell ist Handlungsbedarf – nur wieso gleich eine Revolution? Und wieso sollen alle die gleichen Abschlüsse erreichen können? Wer will das denn wirklich? Ist es nicht ein Paradigdma unserer Gesellschaft, dass man nur dann ein wertvoller Mensch ist, wenn man Abitur und Studium hat und zu den Höchstverdienern gehört?

    Jeder Mensch hat unterschiedliche Talente, Interessen und Wünsche, um sich zufrieden mit seinem Leben zu fühlen. Da hat glücklicherweise nicht jeder Lust oder die persönliche Ausrichtung auf Studieren. Da gibt es auch Menschen, die lieben es, praktisch zu arbeiten und sich über diesen Weg zu entwickeln und entfalten. Viele sind auch mit weniger Einkommen glücklich, weil sie beruflich genau das tun, was zu ihnen passt.

    Warum lassen wir die Menschen nicht frei wählen, wohin sie gehen wollen und akzeptieren auch Menschen ohne Abi oder Studium als wertvolle Menschen? Dann brauchen wir nicht eine Bildungsrevolution. Vielleicht reichen da einfach ein paar effektive Verbesserungen und die Wertschätzung und Förderung derer, die wir außer den Akademikern und hochbezahlten Jobs auch noch in unserer Gesellschaft benötigen.

  8. Sehr geehrter Herr Dueck,

    ein wunderschöner und auf den Punkt gebrachter Artikel.

    Nicht Gleichheit, denn die werden wir nicht schaffen können, aber Gerechtigkeit und Wertschätzung einer jeden Leistung, das wünsche ich mir. Dies bedeutet auch den Wert einer Arbeit zu würdigen auch in Form von Lohn.

    Ich arbeite im Bereich Kompetenzermittlung und bin immer wieder erstaunt, dass Menschen nur ihren Wert suchen und ihren Sinn in ihrem Tun. Wenn Sie erkennen was Sie alles können ist dies oft schon Motivation genug. Da geht es gar nicht darum sich zu vergleichen, sondern das anzuerkennen und wertzuschätzen was man ist und was man kann. Um dann seine persönliche berufliche Ecke zu suchen oder sich weiterzubilden.

    Im Coaching habe ich dieses armen, durch das Bachelorstudium gejagten Menschen, die sich nicht mal sicher sind ob sie etwas können. Das ist traurig.

    Natürlich leben wir in einer Internetgesellschaft. Wenn aber kein Brot mehr gebacken wird, die Mülltonnen überquellen und die kranke Mutter nicht mehr gepflegt wird, dann wird vielleicht der Wert dieser Dienstleistungen wieder mehr gewürdigt und gerecht entlohnt.

    Brigitte Kräußling

  9. Derweil die Kinderbesitzer auf die Kinderlosen eindreschen, weil sie Kind = Erwerbstätiger = Rentenzahler setzen.

    Pragmatisch und kurzfristig können Eltern nur zur Selbsthilfe greifen. Zuerst einmal sich ansehen, „wen sie da bekommen haben“ und das dann fördern – selbst. Und weiter: Kinder kritisch erziehen, nicht in Watte baden! Eine Art Resilienz, oder auch Antifragilität lehren, wie Taleb das nennt. Und das funktioniert NUR, wenn Kinder auch mal hinfallen und versagen dürfen.

    Denn die aktuelle Entwicklung der Bildungsbestrebungen zeigt zunächst in eine ganz andere Richtung (dummer, ungefährlicher Massenmensch, der aussterben kann und wird). Das wird umgesetzt werden (vielleicht ist die Ungefährlichkeit wichtiger als die Qualifikation, am benötigt eh nicht so viele voraussichtlich?). Irgendwann wird man dann sehen, dass man so Potenzial vergeudet und umkehren – in mindestens 50 Jahren. Bis dahin ….

    Ich wundere mich immer über die, die sofort Potenzial“tests“ fordern. Wer sollte die denn entwerfen, wer ist schlau genug, wer kann die Anforderungen der Zukunft der Kinder festlegen? Dazu bedarf es glaub ich empathischer Eltern, denen falscher Ehrgeiz fremd ist und die die Realität begreifen. Es gibt keinen Test, der das leisten kann. Bisher – aber ich glaube, Herr Dueck, Sie arbeiten dran:-)

  10. Jeder Wert, wie „Gleichheit“ wird bei Übertreibung zur Geißel. Die „Egalite“ der französischen Revolution war Gleichheit vor dem Gesetz, es folgte der Ruf nach „Chancen-Gleichheit“ unabhägig von der sozialen Herkunft. Die Wahrnehmung der Chancen lies Unterschiede in der persönlichen Entfaltung zu, nur die Begabung sollte den Unterschied definieren Gleichheit in der Vegütung war zuerst mit dem Zusatz versehen bei „gleicher“ Leistung – der Zusatz wurde gestrichen. Jetzt wird bei der Bildung Gleichheit gefordert ohne jeden Zusatz. Gleichheit wird zum dominanten Wert und wird entwertet – wo bleibt die „Gerechtigkeit“, die dem Idividuum in seinem individuellen Bedürfnissen gerecht wird.

  11. Zitat „Wir entwickeln das volle Zukunftspotential jedes einzelnen Menschen.“

    Die Frage liegt nahe: Wer ist WIR?

    Ausgehend vom VisionSummit 2013 folge ich den Namen Rasfeld und Hüther .. lande auf einer Beteiligungsplattform der Bundesregierung .. entdecke, neben den genannten, Herrn Breidenbach – die drei Initiatoren von „Schule-im-Aufbruch“, wie sie fremde Ideen im Sinne der Humboldt-Viadrina School of Governance verwursten und verkaufen.

    Wer ist das Wir, dass entwickelt – um Zukunftspotential zu maximieren – aber Schulen und Kinder benutzt? Können die sich nicht selber entwickeln? Aus eigener Kraft Selbst!

    1. Unabhängig, was nun Hüther & Rasfeld sagen: Kinder können sich bei vorbildhaften Eltern natürlich ganz gut selbst entwickeln. Wenn sie aber aus „bildungsfernen Schichten“ kommen? Dann lernen sie keine gute Kommunikation, Auftreten, Se… ach ich zitiere mal mein neuliches DD an dieser Stelle, „Der Oberschichtcode“
      http://www.scilogs.de/wblogs/blog/wild-dueck-blog/allgemein/2012-03-21/der-oberschicht-code

      Das, was man in der Bildungsschicht schon selbst mitbekommen kann, schaffen Kinder „da unten“ eben nicht. Im Grunde sind es die Eltern, die da ihren Job nicht machen und aus denselben Gründen nicht machen können…also muss man es von außen in liebevolle Hände nehmen, oder?

      1. Vielen Dank für die Antwort

        Oben ist nicht = gut/lieb und unten ist nicht = schlecht/böse! Das Gegenteil ist ebenso beobachtbar: äußerste Brutalität bei ‚gehobenen‘ Schichten – und größte Solidarität bei ‚unteren‘. Nichts hat mich (menschlich) reicher gemacht, als (finanziell) arm zu sein!

        Was gut oder schlecht an Kommunikation/Auftreten (Verhalten) ist, das kommt auf das Umfeld (Verhältnisse) an. Verhalten ändert Verhältnisse und umgekehrt – was unmittelbar zu der Frage führt: „Wer ist ursächlich verantwortlich für die Verhältnisse?“ Verhältnisse sind ja für Betroffene eine (nicht unbedingt negative) Provokation, sich zu verhalten. Was nun mittelbar zu der Frage verleitet: „Wer mischt sich (ungefragt, unerwünscht und unerbeten) in anderer Leute Leben ein?“ Wer liefert ursächlich Eltern Verhältnissen aus, dass sie Ihren Kindern nicht gerecht werden können – um dann zu sagen „Ich will doch nur das Beste für Dein Kind“ (wir nehmen denen jetzt die Kinder weg)? Dem setzt doch nur die Krone auf: „Ich liebe Euch doch alle!“ und da wollen ‚wir‘ doch auch auf anderen Wegen nicht wieder hin, oder?

        Ich meine, das Denken im- und das Argumentieren am differenzierend/spaltenden Schichten-Modell ist dann (und nur dann) sinnvoll, zweckdienlich und zielführend für fast alle Menschen – wenn ‚die Dinge‘ wieder zusammengebracht werden und die Trennung und Spaltung aufgehoben wird. Im Zweifel gehe ich von den Vielen aus: „Fast alle Menschen“ sind dabei die Basis – und wer die Basis nicht kennt, sollte sich an 1 + 1 erst garnicht versuchen. Über die Basis hinaus (das Oben mit einbeziehend) könnte es von Vorteil sein, sich auf 0 + 1 zu beschränken. Und ich behaupte – dann wird Das für fast alle Menschen auch gut (sonst würden sich Typen wie Hüther, Rasfeld oder Breidenbach nicht der durch mich zusammengetragenen und komprimierten Ideensammlung bedienen – um sie in ihrem eigenem ‚gehobenen‘ Sinne zur Förderung ihrer bildungsnahen Klientel zu benutzen).

          1. auf Name ‚maxen‘-> Erste Beitrag auf http://maxenos.wordpress.com Die Darstellung ist möglichst geballt (komprimiert); andere (Precht) schreiben ganze Bücher darüber. Der Text bedarf der Einarbeitung von „Urban Gardening“ und neuerer Entwicklungen (foodsharing.de mundraub.org).

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