DD358: Beyond Corona

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Corona geht, wird uns aber noch lange begleiten, weil wir neue Erfahrungen machen. Die Zukunft bleibt uns Deutschen oft wegen der mangelnden Erfahrungen versperrt. Wir beginne nicht gerne freiwillig etwas Neues, aus Neugier zum Beispiel. Nur einmal für ein paar Tage WhatsApp benutzen? Twitter? „Oh nein, da kenne ich mich nicht aus.“ Das verstehe ich gut: Wer es ablehnt, schnell mal neue Erfahrungen zu machen, der bleibt in der Welt gefangen, in die er damals von Prüfungsbehörden und Arbeitgeberanforderungen gezwungen wurde. Wer keine neuen Erfahrungen macht, sieht ab dem dreißigsten Lebensjahr veraltet aus.

Nun traf uns Corona – auch das leugnen so viele Leute, die nicht offen in die Welt schauen. „In meiner Straße ist kein Corona. Es wird übertrieben! Und ich darf nicht raus! Die Leute draußen sehen alle gesund aus.“ Auch die Hälfte der Bevölkerung, die Abitur hat, hat Exponentialrechnung vergessen: Wenn sich die Zahl der Infektionen alle drei Tage weiter verdoppelt, dann sind in zwei Monaten alle von uns mehr als hundert Mal infiziert worden: Heute sind es 20.000, das sind 0,025 Prozent von 80 Millionen, in drei Tagen 0,05 Prozent, in 30 Tagen ca. 25 %, in 33 Tagen 50 %. Hallo? Ich weiß, dass das Wachstum irgendwann abflacht, aber eben nicht bei 20 % oder so, die Zahl 60% macht die Runde. Die meisten wollen das nicht nachrechnen und benehmen sich wie Trump. „Übertrieben, diese Ausgangsbeschränkungen.“ Seit wir diese Beschränkungen haben, flacht sich das Wachstum sofort ab. Man muss aber erst diese Erfahrung machen, vorrechnen hilft nicht. Frust. Später, wenn die USA wegen Trump in Corona versinken, hat man aber eine Erfahrung gemacht, dass Ausgangssperren nicht schlecht sein müssen! Man muss erst Tote beklagen, die man persönlich gekannt hat, dann! Nur die Erfahrung zählt, Wissen nicht.

So ist es mit allem. Viele mögen kein Internet-Banking, kein bargeldloses Bezahlen, kein Einkaufen bei Amazon, kein Arbeiten über Internet, keine sozialen Netzwerke – auch Internet brauchen viele nicht. Nun aber kommt Corona. Aus der Not heraus müssen wir nun alle Erfahrungen machen:

  • Wer gar kein Internet hat oder irgendwo in der Diaspora wohnt und auch kein Smartphone besitzt, macht eine Erfahrung.
  • Viele werden jetzt mit Internet-Banking anfangen.
  • Viele werden sich sehnlich wünschen, einem Doktor per Skye vorzuhusten und sich kontaktlos behandeln zu lassen. Ärztliche Behandlung wird in Zukunft anders.
  • Medikamente werden gehortet, man kann sie im Internet bestellen (ich habe nachgeschaut: DocMorris gibt keine hohen Rabatte mehr, sie profitieren jetzt mächtig; die Shop Apotheke scheint die Preise nicht zweistellig angehoben zu haben). Das Apothekensterben geht weiter…
  • Wenn die Geschäfte schließen, kann man bei Amazon und überall sonst im Internet einkaufen, das werden viele Internet-Hasser zum ersten Mal probieren. Das schadet dem stationären Handel…
  • Wer sich langweilt, probiert eventuell doch auch mal ein eBook?
  • Wer keine Ahnung hat, beginnt jetzt zu surfen, weil er niemanden fragen kann?
  • Die Firmen erleiden hohe Verluste, weil es ihre IT gar nicht zulässt, im Home-Office zu arbeiten. Man hat zwar Internet daheim, aber das SAP lässt sich nicht von daheim anwerfen. Die Firmen werden auch ihre Erfahrungen machen.
  • Firmen brauchen Teamsoftware, damit Meetings im Netz stattfinden können. Die IT gibt es oft nicht her…
  • Das Schul- und Universitätssystem spürt, dass es im Vergleich zu den USA nur überall Versuche (auch gute, keine Frage) mit e-Learning gemacht hat, dass aber die Normal-Lehrer an der Normal-Schule nicht richtig von Ferne arbeiten können und die Unis eben die Vorlesungen nicht auf Video haben, obwohl man Jahre lang Zeit dazu hatte. Es wäre schon gut gewesen, wenn man alles nur mitgeschnitten hätte – ohne Schnickschnack dazu.
  • Firmen werden ihre Angst vor der Cloud aufgeben müssen…
  • Im nächsten Monat habe ich zwei „virtuelle Konferenzen“. Da reden nicht mehr Leute auf der Bühne, sondern „YouTuber“ nacheinander. Wie geht das, wenn man ein Konferenz-Format gefunden hat, was auch gut, aber viel billiger ist? Was geschieht mit mir?
  • Was geschieht mit Theatern, Künstlern, Agenturen, wenn man andere Formate gefunden hat?
  • Wir erfahren, dass eine Wirtschaft, die keine Reserven und Puffer hat, schnell dahin ist. Die Corona-Krise ist so schlimm, weil die Krankenhäuser auch in Hochprofitzeiten so dicht ans Limit gefahren wurden! Daher müssen wir sterben, auf dieses Konto geht ein Teil der Wirtschaftsschrumpfung in 2020 und beyond. Wirtschaften ohne Puffer ist leichtsinnig, das wissen wir, aber wir erfahren es jetzt. Kein Lager für Produktionsteile – wenn ein Autoteil aus China fehlt, kann das das Band zum Stoppen bringen. Das sehen wir daheim: Kein Klopapier und das Leben kann nicht weitergehen. Die Profitsucht kalkuliert ohne Puffer und zack! Die Unternehmen, die es überleben, werden aber kaum durch Erfahrung klug, sie werden wohl gleich wieder effizient…
  • Menschen, die Corona nur so gefährlich wie Grippe halten, impfen sich auch nächstes Jahr nicht gegen Corona, weil sie sich gegen Grippe auch nicht impfen ließen. Sie brauchen wohl erst eine Nahtod-Erfahrung und lassen sich immer noch nicht impfen. „Ich bin ja jetzt immun!“ Manchmal hilft auch Erfahrung nicht, beim Impfen nicht und im Management. Wenn Erfahrungen nicht helfen, redet man von Dummheit oder Schwarmdummheit.

Quelle. Adobe Stock

Corona geht vorbei. Ende des Jahres gibt es hoffentlich halbwegs brauchbare Medikamente, die eigentlich gegen andere Krankheiten gedacht waren. Wir werden uns impfen lassen können.

Aber die neuen Zwangserfahrungen bleiben uns, jenseits von Corona. Wo sich viele verweigert hatten, sind nun Erfahrungen aus der Not gemacht. Die bleiben bei denen, die aus Erfahrungen lernen. Jetzt wird sich vieles verändern. Vieles Alte wird schneller vergehen, als man es befürchten musste. Vieles Neue kommt schneller, als man dachte. Denn der Erfahrungsraum hat sich vergrößert. Und dieser bestimmt die Welt, nicht der Wissensraum.

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29 Antworten

  1. Einerseits: Misstraue in Zeiten der Krise, denn sie übergibt den Vereinfachern Macht. Welche fetten Hunde kriegen jetzt den Napf weiter gefüllt, welche Grundrechte werden abgeklemmt?
    Andererseits: Nutze die Chance, um auch noch einmal die Traditionellen im Umfeld … nicht zu rucken: respektvoll anzustupsen – ist gar nicht so schlimm, dieses Internetz. Kooperation und Informationsaustausch werden uns auch gegen Viren helfen.

  2. Ich bin Künstler. Im Moment sehe ich das die Leute panisch reagieren weil auf einmal nicht mehr klar ist wo das Geld herkommen soll. Mit etwas Glück verstehen die Leute jetzt wie wichtig Flexibilität ist. Wie hart man aufschlägt wenn man zu lange ohne Krisenplan geflogen ist. Ich könnte mir das schon in normalen Zeiten nicht leisten. Es interessiert keinen ob ich Verlust mache. Der nächste Monat ist nicht sicher. Aus meiner Perspektive haben sich im Moment alle nur in meine Welt begeben.
    Lassen sie mich also fragen: Angestellte, kann man denn davon leben?

  3. Es tut mir leid, aber dazu fallen mir nur noch die Zeilen von Jupiter Jones ein:

    „….Kommt man zum Schluss,
    Das Hauptproblem ist wohl der Mensch,
    Weil er nur selten seine Fehler überdenkt.
    Wie einfach alles wär,
    Wär’s nicht so verteufelt schwer.“
    (Jupiter Jones – Der Hund, der Stock, die Tür)

    Alle Erkenntnis nützt dem Menschen nicht, denn er ist und bleibt dumm in seinem Streben nach individuellem Profit. Ich kann nur hoffen und wünschen, dass folgende Generationen das System besser gestalten werden, eine Pandemie kann da der Anfang sein.

    Ein positives hat die Krise in jedem Fall: Sie ist gut für’s Klima, der Planet atmet auf. Ich weiss nicht, ob ich sogar dankbar dafür sein soll….

    1. Sehen wir es als Herausforderung, was bleibt uns auch sonst als Alternative!?

      Und auch dank an die Medien, die offentlich-rechtlichen, z.B. WDR5.

      Die sind besser als je zuvor und woanders auf der Welt.

      Sie bringen den Wissensraum und Erfahrungsraum näher als je zuvor.

      Toll das die Medizin so schnell in der Lage war das Problem zu adressieren und Herrn Wodarg etwas fundierte Gegendarstellungen entgegenbringen.

      Und selbst wenn Italien „zu spät“ reagiert hatte, so hat es immer noch gleichzeitig „früh genug“ reagiert, denn es wäre ansonsten noch schlimmer geworden – vieles ist relativ zu sehen.

      Und ein Abwägen führt immer zu Machtkämpfen und schwierigen Entscheidungen. Deutschland ist save und der politische Apparat funktioniert gut, jetzt muss der Handel und die Gesellschaft das auch tun und sich mal eher solidarisch als profitgeil zeigen, nur ein bisschen, nur eine Zeit lang.

      Und die, die Atemmasken 10 mal teurer verkaufen als zu normalen Zeiten, nun, denen kann man auch mal den Normalpreis aufzwingen, von Staatswegen.

      Das Kontakt- oder gar Ausgangssperren nur temporär gelten ist doch wohl jedem klar, oder? Da ist Covid-19 Gott sei Dank ja kein Ebola.

      Und auch hier – bei den Ausgangsregeln – erkennt man einen klaren Unterschied in der Systematik
      China im Vergleich zu Deutschland.

      Spannend wird sein, wie die Amerikanische Gesellschaft das meistert, wie sehr Hilfe von außen nötig sein wird.

      Weltwirtschaftlich gesehen natürlich eine Ausbremsung, evtl. gut für den Umweltschutz?

      Aber alles online machen, … ich kaufe und handle gerne regional.

      Schönes Wetter zum Spazieren, Joggen und Fahrradfahren!

  4. Die Politik will denen helfen die in finanzielle Not geraten und die Miete nicht zahlen „können“, weil die Hamsterkäufe zum ausweichen auf teurere Lebensmittel geführt hat. Ich schließe mich da dem Vorredner an….

    Ein Problem für diejenigen in der Gesellschaft die schon jeden Tag kämpfen müssen wäre es eine Hilfe wenn die Vermieter und Grundversorger einmal für mindestens zwei Monate auf ihre Miete „verzichten“, anstatt die Schwächeren wieder in neue Probleme mit den anstehenden Rückzahlungen zu verleiten.

    Aktuell bekomme ich ein Schleudertrauma vor lauter Kopfschütteln. Warum schafft es die Politik nicht einmal an den Anfang der Kette zu denken?

  5. Zuerst ein dickes LIKE

    „Auch die Hälfte der Bevölkerung, die Abitur hat, hat Exponentialrechnung vergessen!“

    Man könnte schon sagen: Wissen schützt vor Dummheit nicht! Aber selbst im Internet findet man nicht so einfach zu den Fakten. Die „öffentlich rechtlichen Anstalten“ überschlagen sich mit Brennpunkten und Spezials und Will, Illner und Konsorten melken die Gäste mit den dümmsten Fragen, die einem in den Kopf kommen können (Will vs. Söder letzten Sonntag).
    Richtiger wäre doch, die Aufklärung anzubieten, die die mathematischen Zusammenhänge und dergleichen leicht auffindbar auf deren Webseiten anzubieten.
    Bei msn (Microsoft) hat man eine eigene Rubrik über Corona eingerichtet. Man findet dort jeden Schmarren, jedoch keine nützlichen Fakten, alles vollgestopft mit Meinungen und Verschwörungstheorien. Auch bei ARD und ZDF muß man sich durch viel Meinungsdschungel durchscrollen, bis man auf Faktenseiten gelangt.
    Kein Wunder daß der Informationsstand so schlecht ist, wenn man auf BILD-Zeitungsniveau berichtet.
    Die Seiten vom RKI (R-Koch_Institut) sind da ein kleiner Lichtblick
    Da gibt es noch viel Potential

    1. Bei dieser Klage fällt mir wieder Kants Klagen über die selbstverschuldete Unmündigkeit ein… Das sind keine Medien die seriös über Wissenschaft berichten können.

      Warum besucht man also nicht direkt die ausführlichen Onlineangebote von Spektrum der Wissenschaft, National Geographic oder das Ärzteblatt?

  6. Hoffentlich nutzt man diese Zwangserfahrungen, die die Gesellschaft nun erleiden muss, um im konstruktiven Sinn über systemische Verbesserungen nachzudenken:

    Woher kommt diese systemische Irrationalität, die Sie auch als Schwarmdummheit bezeichnen?

    Ich meine, in einem Interview Sie mal gehört zu haben, als sie über die BWLer gelästert haben, dass diese Optimierungsaufgaben mit Maximierungsaufgaben (Ziel: Mehr Profit) einfach gleichsetzen, dass also in der Praxis stets Maximierung der Effizienz an erster Stelle steht anstand der Optimierung des Gesamtsystems, wozu eben auch Robustheit durch ausreichende Puffergrößen gehört.

    Wie kann man Unternehmen so umkonstruieren, dass diese systemisch rational werden?
    Warum stellt die Gesellschaft diese Frage nicht? Wahrscheinlich, weil diese selbst den dazu notwendigen Reifegrad/Bewusstseinsgrad noch nicht erreicht hat. (Die Unternehmen sind ja bloß Subsysteme innerhalb des Hauptsystems „Gesellschaft“).

    Gehört in das BWL-Studium (hier nur stellvertretend genannt) vielleicht soetwas wie mathematische Systemtheorie + das Erwecken von Lust zur philosophischen Reflexion?
    Vielleicht ist ein System immer nur so klug wie der Durchschnittsbürger?
    Wird die Demokratie einschließlich soziale Marktwirtschaft in Zukunft angesichts der komplexer werdenden Welt nur noch dann gut stabil und robust funktionieren, wenn ein kritischer Anteil aller Menschen eine in diesem Sinne „bewusstseinserweiternde“ Bildung erfährt?

    Nicht der Erfahrungsraum ist direkt für die Handlungen entscheidend, sondern der Bewusstseinsraum des Systems, der die Erfahrungen verarbeitet.

    Auf Ebene der Intelligenz mangelt es m.E. derzeit schon daran, dass nicht „systemisch“ gedacht wird.
    Erfahrung zu machen reicht nicht aus, wenn das neuronale Durchschnittgeflecht im Durchschnittskopf die Erfahrung in gar kein Meta-Klassifikationsmuster (nämlich das des Systemisch-Denkenden) einordnen kann. Eben dieses Metamuster muss in der Bildung und Erziehung in großer Breite Eingang finden. Auf diese Weise propagiert man systemisches Denken in das System selbst ein.
    („Ein System ohne Puffer zu fahren? Wie dumm ist das denn!“ sagt dann ein in diesem Sinne Gebildeter. Das systemisch Suboptimale kann für solch jemanden gar nicht mehr denkbar und praktizierbar sein ohne dass er sich schämen muss. Genauso wie es einem Buchhalter heute schon absolut unmöglich vorkommt, gegen die Gesetze der Arithmetik zu verstoßen, sieht er es dann als ebenso unmöglich im Sinne von undiskutierbar lächerlich an, das systemisch Suboptimale überhaupt je ernsthaft in Erwägung ziehen zu können.
    Anhand konkreter Beispiele (Krankenhausbetten) leuchtet es ja bereits jedem ein, aber im Abstrakten ist es kaum bewusst, d.h. auch gefühlsmäßig nicht echt verinnerlicht. „Wir waren doch immer so effizient und sind es auch jetzt 2021 wieder. Dass wir 2020 plötzlich so viele Betten brauchten, war halt großes Pech.“ wird man als in diesem Sinne Ungebildeter dann sagen.)

    Damit ein System dazulernen kann, benötigt es neben Intelligenz auch Lernfähigkeit bzw. Reflextionsvermögen. Wie steigert man die Reflexionsfähigkeit eines Systems?
    Genauso: Durch Erziehung und Bildung der Individueen, die das System bzw. die darin enthaltenden Subsysteme bilden. Reflexion und Nachdenklichkeit muss vom System belohnt werden: Auf diese Weise wird es dann selbst zur Reflexion fähig. Wäre zumindest erst mal eine konstruktive Arbeitshypothese.

    Habe nun viel länger geschrieben, als ich eigentlich vor hatte – Ihr Artikel hat mich sehr angeregt – dankeschön!

  7. Wuhan war nach ca. 4 Monaten „durchseucht“, wie lange soll es bei uns hinausgezögert werden?

    Das Maß unterscheidet Medizin und Gift, weil wir und die Erde begrenzt sind.

    Wer kennt das „richtige“ Maß?

    Kann mir jemand helfen?

    1. Um das richtige Maß muss eben konstruktiv gestritten werden, was sonst?

      Was könnte das besser als eine föderal-demokratische Struktur?

      Die Exponentialfunktion ist verstanden, das setze ich voraus 😉
      (ich denke, nicht nur ich bin erst vor zwei Wochen ___EMOTIONAL___ sowie rational von Gelassenheit auf Alarmierung umgeschlagen)

      1. Auch Deutschland (Politik) hat gebraucht um angemessen zu reagieren.
      2. Jeden Tag ändert sich unser Wissen zu einem ___NEUEN__ Virus und die ungefähr gemesenen Lage, inkl. Messfehler und vieler unvollständiger Statistiken im Sinne einer Gesamteinschätzung (regional international).
      3. Deutschland hat als Nation eine der besten Ausgangslagen weltweit.
      4. Wie die Deutschen als Gesellschaft damit umgehen erfahren wir gerade täglich neu.
      5. Prognosen beinhalten das Problem, dass sie mit der Zukunft zu tun haben, die keiner wirklich kennen kann. Dennoch kann man extrapolieren und statistisch „Erwarten“. Gerade bei Exponentialfunktionen ist die Varianz riesig groß (der „Flatten the Curve“ Effekt kann enorm sein), d.h. die Methode des Ausbremsens kann extrem stark helfen – im Gegensatz zu linearen Verläufen. Es ist ausserdem ein humanitär riesen Unterschied (nicht diskutabel?) zwischen weltweit 100 Millionen Toten (wahrscheinlich) und 1 Mrd. Toten (ohne jedes Ausbremsen). Die Anzahl der Toten ergibt sich besonders nachteilig für schlechte Infrastrukturen (die sich so gut wie gar nicht schützen können), zu denen Deutschland nicht gehört, ist aber regional evtl. stark unterschiedlich (aus verschiedensten möglichen Gründen).
      6. Deutschland könnte bis Ende 2020 unter 100.000 Covid19 Toten bleiben, das wäre ein erreichbares Ziel, ein machbarer Erfolg ohne wirtschaftliche Verwerfungen, die auch indirekt oder direkt Tote herbeiführen können (das humanitäre und auch wirtschaftliche Maß aller Dinge). Aber auch 1Mio Corona Tote in Deutschland wären denkbar, ___ohne___ wirksame Kontaktsperre. Damit ist das Ziel quantitativ beschrieben. Mal sehen wo wir landen werden, aber knapp 1 Mio Menschen sterben so oder so – im Schnitt – jedes Jahr, in einer Gesellschaft mit 80 Mio Menschen, die im Schnitt etwa 80 Jahre alt werden – ganz ohne Corona. Es werden aber auch fast soviele Menschen neu geboren (eine gute Nachricht nicht nur für die Gesellschaft selbst :-)).
      7. Wir hoffen auf den Inpfstoff, bis dahin sind die Risikogruppen besonders gefährdet, auch immernoch beim Einkaufen.
      8. Wuhan ist NICHT durchseucht, sonst hätte es Ende Februar ein Vielfaches von 50.000 offiziell Infizierten nötig gehabt und eine Ausgangssperre wäre völlig sinnlos gewesen. Ob die Chinesische Regierung zu früh oder zu spät reagiert hat ist reine Ansichtssache, aber was die Amerikaner dazu sagen ist ja wohl klar.

      Ich hoffe auf ein langsames Wiederhochfahren normaler Kontakte in Deutschland nach Ostern. Das kann für die Welt nur ein frommer Wunsch sein.

      Es könnte uns schlimmer treffen, wäre der Virus noch ansteckender und noch tödlicher.

      Genug gesundes Maß?

      Viele brauchen Unterstützung und Solidarität um wirtschaftliche/finanzielle Schiffbrüche abfedern zu können.

      Das alles birgt auch Chancen!

  8. Ach ja, ist das wirklich alle so. Einfach? Die Differentialgleichungen für den Verlauf einer lokalen Epidemie sind bekannt und im Prinzip einfacher zu lösen, aus die Gleichungen für die Wettervorhersage (siehe Braun, Differentialgleichungen und ihre Anwendungen, Springer, Hochschultexte 1979) Wenn man nur die in den Gleichungen vorkommenden Proportionalitätsfaktoren kennen würde. Bei neuen Viren ist das naturgemäß erst einmal nicht der Fall. Ist die Epidemie nicht eng lokalbegrenzt, dann sind dies Faktoren indirekt zeit- und ortsabhängig, und die Rechnerei wird schon schwieriger. Letztlich sind dann nur noch qualitativen keine quantitativen Aussagen mehr möglich. Immerhin kann man aus den Gleichungen mögliche Steuerungsstrategien ableiten. Zum Beispiel die Herde-Immunisierung. Man sieht zu, dass sich möglichst viele möglichst schnell infizieren. Dann sind (bei vielen Viruserkrankungen ist das so) relativ schnell viele Leute immun und der Spuk ist vorbei. Dumm bloß, wenn die Zahl der Infizierten bei dieser Methode schneller steigt, als es das jeweilige Gesundheitssystem verkraften kann und die Ärzte damit zur einer ethisch sehr fragwürdigen Triage oder zum Würfeln gezwungen werden. Die entgegengesetzte Strategie setzt auf drastische Reduzierung aller sozialen Kontakte. Das ist gut für die Akzeptanz der bisher nur unzureichend genutzten Möglichkeiten der IT, aber wie lange halten die Leute, die sich kerngesund fühlen das durch? Wieland dauert es, bis die ersten Supermärkte geplündert werden, um anToilettenpapier (!) zu kommen? Oder ist es vielleicht, die Leute auf breiter Basis zu testen, um so gezielt infizierte Personen isolieren zu können? Na ja, schön wär`s, hätte man genügend Test-Kits zur Verfügung. Vorhalten kann man die auch nicht, denn um sie herzustellen, muss man das Virus erst kennen. Und so gibt es viele schöne Steuerungstheorien, deren Haken und Ösen oft nicht bekannt sind. Und in diesem Szenario müssen Politiker entscheiden, die in der Regel in der Mathematik alles, bis auf das kleine Einmaleins vergessen haben und deren Biologiekenntnisse sich auf die eigene Reproduktion bzw. deren Verhinderung beschränken und die sich daher von einer Wissenschaftsgemeinde beraten lassen müssen, die besonders gut darin ist, Schwachstellen und ungelöste Aspekte in den Argumentationen der Konkurrenten aufzuzeichnen. Gut dass Frau Merkel schon von berufswegen weiss, wie mit Differentialgleichungen umzugehen ist, und auch die Modellierung von Epedemie-Szenarios wird sie zumindest verstehen. Schwierig ist und fehleranfällig es trotzdem. Erschwerend kommt hinzu, dass sich nahezu jeder einzelne Politiker natürlich in erster Linie günstig für die Zeit nach Corona positionieren möchte (und muss).
    Das Hauptproblem bei Corona scheint mir zu sein, dass die Vorsorge für solche und andere Katastrophenfälle in den letzten Jahren auf dem Altar der Gewinnmaximierung geopfert wurden. Das schränkt die Reaktionszeit- und Steuerungsmöglichkeiten drastisch ein. Es wäre jetzt die Zeit, darauf hi n zu wirken, dass sich dies nach Corona ändert und Artikel 14 des Grundgesetztes wieder mehr Bedeutung zugemessen wird. Doch die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass diese historische Chance vertan wird. Wir ergehen uns offenbar lieber in Ratschlägen, was man wie hätte anders machen sollen, ohne dass sie auch nur die geringste Qualifikation dafür hätten.
    Nach Corona wird die Welt eine andere sein. Zum Beispiel wird man gelernt haben, dass man den CO2-Ausstoss in kürzester Zeit um 25% reduzieren kann, ohne dass die Welt untergeht oder durch Lithium-Ionen-Schrott vergiftet wird.
    Bleibt abzuwarten, ob man nach der Vergesellschaftung des durch Corona angerichteten Schadens sofort wieder zur Privatisierung des Nutzens aller wirtschaftlichen Tätigkeiten zurückkehrt (Wetten dagegen werden nicht angenommen.).

  9. Ich fürchte so lange wir nichts am Geldsystem ändern wird es letztlich immer zu Lasten der Menschen gehen. Egal wie rum.
    Die Rendtieerwartung heutigen Geldes und seine menschlichen Stellvertreter werden Wege finden wie sie aus Änderungen Kapital schlagen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

    Heutiges Geld ist kaputt. Es macht Rendite erpressbar und damit Reiche reicher.
    Nachhaltigkeit hat keine Rendite.
    So lange eine effektive Umlaufsicherung fehlt, wird das so bleiben.
    Unser heutiges Geldsystem ermöglicht es kaum mal länger mit 0% Zinsen auszukommen. Negativzinsen der EZB sind nicht weitreichend genug. Und akzeptierte Inflation als Werkzeug für die Preisstabilität funktioniert schon länger nicht mehr.
    Wie wäre es mit Änderungen?

    Profitieren können wir davon alle. Selbst Reiche sehe ich unter dem jetzigen System leiden.
    Was nützt es materiell viel zu besitzen wenn man im goldenen Käfig sitzt und die Psyche leidet? Und spätestens bei Katastrophen kann es einen selbst wie auch Geliebte und Gemochte treffen.

  10. Mal zurück zum Thema des Artikels: *Was* wird die SARS-CoV2 Pandemie ändern?
    Ich sehe gerade, wie die Schule, die unsere Söhne besuchen, in Windeseile eine online-Austauschplattform aus dem Boden gestampft hat, damit Aufgaben verteilt und Arbeiten eingesammelt werden können. Die Plattform wird täglich besser, und ich bin sicher, sie wird nach der Pandemie weiter Bestand haben, wenn die Anwesenheitspflicht längst wieder besteht.
    Auch weiß ich von zahlreichen deutschen und internationalen Kollegen im Konzern, die mit ihren IT/Programmier-Kenntnissen momentan genau solche Ad-hoc Projekte aus der Taufe heben – für Schulen, Kommunen (Bürgertelefone entlasten), für Arztpraxen oder gefährdete Kleinunternehmen.
    Am Wesen des Kapitalismus können wir wohl nichts ändern, aber auf persönlicher Ebene geht eine ganze Menge. Ich denke, auch an das umfangreiche persönliche Engagement werden wir uns als „Resultat der Pandemie-Zeit“ erinnern. Vielleicht bleibt ja etwas davon erhalten.

  11. Vernunft und Innovation leider nur durch Schmerz (=Erfahrung)… Und „das geht nicht“ löst sich auf in „wir wollten nur nicht“… Ich bin gespannt auf die „Post-Corona“ Ära!

  12. Nach der Pandemie ist nicht vor derbPandemie. Es werden sich viele Dinge ändern, die wir vorher für Unveränderbarkeit gehalten haben. Welche das sein werden, wird sich erst noch herausstellen. Ich wünsche mir jedoch, dass sich der Populismus und die Nörgelei in der Krise so diskreditieren, dass sie erst einmal keine Chance mehr haben. Und damit meine ich nicht nur Trump und Orban, sondern auch den Populismus und die ahnungslose Besserwisserei im Netz, die Trump, Orbn usw. Erst möglich gemacht haben. Wir werden gelernt haben, dass auch Amazon in der Krise nicht in der Lage war, Mundschutz, Desinfektionsmittel und Toilettenpapier in den tatsächlich oder vermeintlich benötigten Mengen zu liefern. Und wir Mathematiker werden dann auch die Daten haben, die es uns erlauben, die Parameter für die Differentialgleichungen zum Verlauf der Pandemie hinreichend genau zu bestimmen, so dass wir der Politik vorrechnen können, was sie während der Pandemie falsch gemacht hat. Wenn dabei herauskommt, dass man mit einer sozialen Marktwirtschaft besser durch die Krise gekommen wäre, wäre das ja nicht einmal schlecht.

  13. Zum Glück haben viele die Exponentialrechnung verdrängt. Schließlich bekommt der frühe Schwerkranke ein Bett und man hätte die frühe Infektion gesucht. Denn der frühe Vogel fängt den Wurm oder wie Skeptiker erkennen: Der frühe Wurm wird gefressen.

  14. Ich bin eigentlich ein großer Anhänger von Ihren gesellschaftlichen Analysen: aber diesmal habe ich doch etwas andere Sicht auf die Dinge. Ob das vielfach herbeigeredete exponentielle Wachstum in Deutschland überhaupt existiert, ist ja noch gar nicht so recht klar; bei den positiv Getesteten existert aktuell ein linearer Zuwachs von ca. 5000 täglich. Wieviele Infizierte es tatsächlich gibt, weiß ja keiner. (hierzu: https://www.nachdenkseiten.de/?p=59617&utm_source=pocket-newtab). Man weiß zwar. dass viele Menschen asymtomatisch bleiben, testet aber nur bei mittleren bis schweren Symptomen. Wie man da ein aussagekrätiges Ergebnis herbekommen will, ist mir unerklärlich.
    Die Politik verlässt sich aus meiner Sicht aktuell viel zu blind auf die Aussagen des RKI und fährt damit ggf. die gesamte Wirtschaft an die Wand und vernichtet Existenzen. Mathias Döpfner hat das letztens sehr schön mit den Worten: “ Wir begehen ökonomischen Selbstmord aus Angst vorm Sterben“ formuliert.
    Ich persönlich nutze digitale Medien intensiv und möchte sie nicht mehr missen. Und ich habe auch kein Problem mich für einige Wochen auf diese zu beschränken .Aber danach möchte wieder entscheiden dürfen, wann ich mich wohin bewege. Und wer den Unterschied zwischen einem Opern- und Konzertbesuche mit realen Musikern und Künstlern und Videostreaming nicht spürt, hat vielleicht auch etwas verpasst. Digital ist super und vielfach hilfreich, aber analog ist manchmal auch ganz schön.

  15. Sehr geehrter Herr Prof. Dueck,

    alles Digitale ist toll und wer nicht twittert und online einkauft, ist doof! Es ist so ermüdend. So einseitig!
    Immer der digitale Zeigefinger! Erfahrung ist gut – richtig! Toleranz aber auch.

    Schauen Sie doch mal bei Dr. Cal Newport vorbei – 6.2 Millionen views! Cooler, smarter Typ! Er macht einen glücklichen Eindruck.

    https://www.youtube.com/watch?v=3E7hkPZ-HTk

    Viele Grüße und bleiben Sie gesund!

    1. Ich habe nicht gesagt, dass es toll ist, sondern dass jetzt eine Menge Leute digital „werden müssen“ und dann die jetzt dabei gelernten Verhaltensweisen nach Corona beigehalten. Zum Beispiel zahlen jetzt viele mit Karte und danach behalten es viele bei. Ich appelliere an nichts, ich erkläre nur, wie es weitergeht.

  16. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ein Virus den Schub in Richtung Digitalisierung bringen würde, von dem seit Jahren in Deutschland nur gefaselt wird?

  17. Puffer, Puffer, Puffer..sie werden ja nicht müde, es seit Jahren zu erläutern, vorzurechnen, zu beweisen! Aber was bedeutet der mathematische Beweis in einer nicht-idealen Welt? Rauschen! Mit welcher „Sprache“ kann man lokale Optimierer gewinnen, in das globale Optimum zu investieren? Wie bauen wir diese Puffer auf? Wie schützen wir aufgebaute Puffer vor der Effizienzdenke, wenn die Erfahrung wiedereinmal verblasst? Wie können wir die räumliche und zeitliche Verbundenheit (Mein Ich endet nicht an der Nasenspitze) der Menschen operationalisieren, attraktiv machen, stabilisieren, sichern? Es ist eben nicht egal, wenn in China ein Sack Reis umfällt. Mehr Fragen als Antworten.

  18. Lieber Hunter Dueck,

    wie immer ist Ihr Beitrag treffend un zwickt mit den Fragen in die richtigen Stellen: Die Frage, die mich interessiert, ist: Was bleibt? Macen wir aus der ‚Not eine Tugend‘ und ermöglichen die Erfahrungen mit beispielsweise Home-Office einen dauerhaften – also über den „Zustand der Notwendigkeit mit dem Cororna-Virus“ entstanden Change. Das hoffe ich sowohl für viele Arbeitgeber, Arbeitnehmer und vor allem für die Schulungsanbieter.

    Liebe Grüße

    Pia

    1. Die Krise dauert ja wohl ein/zwei Jahre…bei Home-Office muss man ein neues Managementsystem einführen, also Zielvereinbarungen treffen statt „anwesend von 8 bis 5…, ich denke aber, die misstrauischen Arbeitgeber werden merken, dass die Leute auch zu Hause performen. Kinder könnten merken, dass es viel schneller geht, eine Seite im Lehrbuch zu verstehen als 50 Minuten Meeting dazu…

  19. Warum ‚muss‘ sich jmd impfen lassen?!?

    Warum kann in diesen 1-2 prognostizierten Jahren nicht eine Art ‚kontollierte‘ Durchseuchung (hin zur Herdenimmunität) durchgeführt werden? Ohne teure und nebenwirkungsträchtige Impstoffe?!?

    Die Zeit haben wir dazu und billiger sowie gesünder ist es auch.

    1. Man kann sich aber impfen lassen. Ich bin 68. Wenn ich Corona bekomme, habe ich eine 10% Chance, daran zu sterben. Wie alt sind Sie? Viellicht jung, dann lassen Sie mich hops gehen?

    2. Weil, selbst wenn man nicht verstirbt, ein durchschnittlicher Beatmungspatient pro Tag um ca. zwei Jahre altert. Zudem wird bei einer Vielzahl von Patienten ein Herzmuskelfehler oder Nekrosen in der Lunge festgestellt werden. Jemand der 10 Tage beatmet wurde, ist danach für Monate bis Jahre nur noch sehr eingeschränkt arbeitsfähig. Und wer Nekrosen hat, ist in 10 Jahren Asthma/COPD- und 20 Jahren Lungenkrebspatient.

      Das ist weder sozilogisch, noch finanziell billiger. Schon gar nicht für eine Gesellschaft in der 48 % über 50 Jahre und 60 % adipös oder pre-adipös sind.

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