DD210: Pinkle und Herrsche (März 2014)

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DD210: Pinkle und Herrsche (März 2014)

 

Geht es Ihnen auch so? Wenn ich Stress habe, muss ich dauernd auf die Toilette. Wenn ich zum Beispiel abreise und überlege, was ich vergessen habe. Wenn ich in Kürze auf die Bühne muss und reden soll. Es lohnt sich fast nicht, zur Toilette zu gehen, aber die Nervosität! Da fielen mir Hunde und Katzen ein, die ja überall Duftmarken setzen – also scheinbar überall ein bisschen hinpinkeln. Sind die vielleicht auch nervös? Dann muss doch die ganze Biologie nochmals aufgerollt werden?!

 

Hunde und Katzen „markieren“ – so heißt es fachsprachlich. Sie markieren ihr „Revier“. Wie geht das denn? Ich habe gegoogelt. „Katze markieren.“ Uuuih, da sind viele Hilferufe von Katzenbesitzern, die das Urinproblem in der Wohnung haben, weil die Katzen dort markieren. „Ich habe zehn Katzen, alle markieren! Was soll ich tun? Es stinkt mir so sehr!“ Man rät dann zur Totalkastration, zum Aussprühen von Feliway („Das Geheimnis glücklicher Katzen“) oder zur Eintrichterung von 3x täglich 5 Globuli Arsenicum album D12, was aber erst nach einigen Monaten geholfen haben soll. Vielleicht wäre ja D30 besser gewesen? Manche meinen, dass zehn Katzen im Haus sämtlich dominant sein wollen, also dann wenigstens alle ihr eigenes Katzenklo haben wollen – das kennen ich auch von Menschen, die nicht gerne an der Autobahn rauswollen.

 

Alle Sorgen der Hunde- und Katzenhalter laufen auf einen wichtigen Punkt hinaus: Sie glauben, dass die markierenden Tiere seelisch unglücklich oder sehr nervös sind. Einige meinen das fast beweisen zu können: Wenn Besuch kommt, dann markieren Tiere plötzlich… Das kenne ich auch bei Kindern, die „markieren“, wenn Besuch kommt. Sie versuchen zu beeindrucken. Männer knuddeln plötzlich ihre Begleitung, wenn ein anderer Mann dazukommt – „Stopp – gehört mir – fass sie nicht an.“

 

Alle Leute aber, die keine Tiere zu Hause haben und in der Uni Biologie lehren, predigen, dass die Tiere nicht aus Nervosität oder Angst markieren, sondern um ihr Revier zu kennzeichnen. Die „wilden Tiere“ tun es sozusagen angeblich als Machtdemonstration, sagen die Biologen. „Tiere bauen eine Geruchsmauer rund um ihr Reich. Starke Tiere haben größere Reviere als schwache.“

 

Könnte es nicht sein, dass die Haustierbeobachter mit ihrer Sicht auf „das Tier“ richtiger liegen? Dann würden auch wilde Tiere an Punkten markieren, wo sie in unbekanntes Land kommen, wo schon andere Tiere markiert haben, wo sie sich nicht richtig auskennen – sie würden also aus Nervosität markieren, nicht aus Machtdemonstration. Da starke Tiere ja weniger Angst haben, gehen sie weiter als andere und haben ein größeres Revier als schwächere Tiere.

 

Das ist jetzt meine neue Theorie: Sie pinkeln bei Angst – alle, und nicht aus Machtgefühl! Diese Idee hatte ich – wie gesagt – auf der Toilette. Markieren ist dann immer eine Art Angst! Auch bei Menschen. Haha, Herrscher markieren doch oft und viel, nicht wahr? An der Grenze ihres Reviers sitzen sie in Meetings oder stehen auf dem Balkon und halten Reden. Sie geben ihre Duftstoffe ab.

Das klingt im Uriginal bei Top-Managern vielleicht so: „Wir wollen die Nummer Eins sein, wir sind gut gegen den Wettbewerb und den Kunden aufgestellt. Wir wissen, wohin wir wollen. Die Richtung stimmt. Wir brechen jetzt auf. Wir sind entschlossen. Wir sind voller Energie und Zuversicht. Wir werden siegen. Die Zukunft ist hell. Sie ist voller Chancen. Unsere Wettbewerber werden sich wundern. Sie sind nicht entfernt so entschlossen wie wir. Wir werden die augenblickliche Krise zu unseren Gunsten nutzen und kaltblütig handeln…“

Sie sagen das dann nicht als Machtdemonstration, sondern aus Angst. Sie pfeifen im dunklen Wald. Sie fürchten sich an ihrer Grenze! Und wir fürchten uns, weil sie so laut pfeifen! Urina et Impera. Hey, Leute, es ist ein Irrtum, sich zu fürchten!

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11 Antworten

  1. Die Tiere können am Geruch nicht erkennen, ob der Geruch, den sie gerade in der Nase haben, womöglich doch von einem stärkeren Tier als sie selbst stammt.

    Der Mensch kann das aber anhand der Machtbefugnisse, die der Andere hat. Wenn Manager sich vor etwas fürchten, dann doch davor, dass ihre Umwelt merken könnte, dass auch sie nur mit Wasser kochen.

    Der einfache Mitarbeiter kann sich auch davor fürchten, dass die Qualität seiner Arbeit „erkannt“ werden könnte, aber zusätzlich kann er auch der Erste sein, der entlassen wird, wenn er dem Chef unangenehm auffällt.

    Auch wenn diese ganzen Ängste irrational sind, sind manche davon doch rationaler als die Anderen.

    1. Tiere können sehr genau erkennen, was für ein Tier vor ihnen hingepinkelt hat.
      Hunde erkennen Geschlecht, Krankheiten, Gesundheitszustand, was durch den Körper ‚gelaufen‘ ist.
      Warum hält der Mensch Tiere für so beschränkt, nur weil er selbst ‚Geruchsbeschränkt‘ ist.

      Und wir Menschen lassen uns so gerne von des Kaisers neuen Kleider blenden. Anstatt, dass wir sagen: Der läuft ja nackt rum!

  2. Nervösem Harndrang kann man vielleicht mit etwas Humor begegnen.
    Aber die Angst der Mächtigen wird immer noch mit Blut markiert:
    Ägypten
    Syrien
    Thailand
    Ukraine
    (unvollständige Liste)

  3. Ob Sie es glauben oder nicht: Auch unter Hunde- und Katzenbesitzern gibt es Menschen, die glauben, dass die Tiere die Weltherrschaft an sich reissen wollen und nur aus Stärke und Überlegenheit jeglichen Atemzug tun.

    Die Parallelen zu Managern sind da schön zu beobachten. Gehen Sie mal auf einen Hundeplatz der alten Schule und schauen Sie, wie den Hunden der Gehorsam und das Funktionieren eingeprügelt werden.
    Und dann gehen Sie mal zu jemandem, der sich wirklich gut mit Lerntheorie auskennt und der fair mit den Hunden umgeht.
    Das Potenzial, das man schon bei Tieren entfalten kann, ist unglaublich.

    Um wieviel unglaublicher ist das wohl bei Menschen?

  4. Gefällt mir, dieser DD.

    Förster & Kreuz hingegen schreiben, dass Angst gut ist, weil sie Wachstum beschleunigt:
    home.foerster-kreuz.com/2014/02/Brene-Brown-angst.html

    1. Soweit ich das verstehe, berichtet Brené Brown von der Überwindung vorhandener Angst. Das ist natürlich positiv.
      Aber ob man extra bei Anderen Angst aufbauen sollte, damit sie anschließend überwunden wird?

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