DD236: Brandmarkt Zuwendungsversager! (März 2015)

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DD236: Brandmarkt Zuwendungsversager!  (März 2015)

Alten Berichten zufolge ließ Friedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250) einigen Säuglingen testweise jede Zuwendung versagen, sie sollten ganz ohne Kontakt zum gesprochenen Wort aufwachsen. Der Kaiser wollte herausfinden, mit welcher Sprache Kinder geboren werden. Das fand man nicht wirklich heraus, denn sie starben.

Das habe ich zufällig im Internet gelesen, und meine Frau sagte auf meine Erzählung hin, sie hatte das schon in der Schule mitbekommen. Dann wissen Sie es schon alle, nur ich nicht?

Man sollte es so sehen: Das Versagen von Zuwendung ist eine Art Verbrechen. „Kinder brauchen Zuwendung!“ Das ist wahrscheinlich schon in unseren Köpfen angekommen, wir regen uns ja über „kalte“ Eltern auf, die wir erschütternd liebeleer erfahren. Bei solchen Eltern sehen wir eine Schuld, wir versuchen, hier einzugreifen und die Fehlentwicklungen zu korrigieren – oft sind ja auch noch Großeltern da, die alles zum Guten wenden können.

Mit fiel aber ein, dass wir mit vielen anderen Menschen zuwendungslos umgehen. Schauen Sie sich Ihr eigenes Benehmen gegenüber den Sicherheitskräften im Flughafen an, die wir alle zusammen als Institution gesehen nicht besonders liebhaben. Das lassen wir sie dann doch ein bisschen fühlen, wir beachten sie einfach (fast aktiv) nicht. Wenn ich in deren Gesichter schaue, glaube ich, sie etwas leiden zu sehen. Schlechte Schüler werden nicht so wirklich beachtet, das wollen sie eigentlich auch nicht, weil Beachtung ja mit „erfolgreicher Beteiligung“ zu tun hat. Sie führen ein Schattendasein. „Die im Dunkeln sieht man nicht.“ Oft entwickelt sich das Arbeitsleben so, dass wir von ständig wechselnden Teilzeitkräften bedient werden, die wir ja nie wieder sehen, wir versuchen gar keine Beachtung oder positive Zuwendung, „weil es uns nichts bringt“. „Unseren“ Briefträger gewinnen wir lieb, aber den ständig wechselnden von zig Logistikunternehmen nehmen wir wort- und danklos das Paket aus der Hand – die hetzen ja ohnehin und haben selbst für ein Lächeln kaum Zeit.

In dieser Weise gibt es also eine steigende Zahl von Menschen, die fast ganz im Schatten leben. Wir nehmen sie nicht wahr. Wir wenden uns ihnen nicht zu. Wir lassen sie seelisch allein. Wenn sie Säuglinge wären, würden sie sterben. Wir lassen so viele seelisch darben:

  • Viele Chefs ihre Mitarbeiter, alle oder die Minderleister
  • Viele Erzieher/Lehrer/Professoren – die Minderleister oder Ungeliebten („lohnt sich nicht, sich mit ihnen abzugeben“)
  • Viele die vielen Servicemitarbeiter, mindestens die weniger kompetenten
  • Viele oft die vielen ausländischen Mitbürger – „will ich nichts damit zu tun haben“
  • Ureinwohner die Zugezogenen
  • Die Masse die Besonderen
  • Etc etc.

All diese Überlegungen hatte ich eigentlich, als ich in einem Psychologiebuch mein Wissen über die passive Aggression auffrischte. Da sind Leute im Service, die uns warten oder „schmoren“ lassen, die etwas vergessen („oh!“), nicht geschafft haben („ich habe auch nur zwei Hände“), die uns wegschicken („bin ich nicht zuständig“) oder abschlägig bescheiden („diesen Antrag kann ich nicht bewilligen, bitte überarbeiten und sauberer ausdrucken“). Wenn wir solcherart von einem passiv Aggressiven traktiert werden, fühlen wir, dass er uns nicht respektiert. Wir sind dann fast versucht zu sagen, dass wir ihn als Kunde doch wohl bezahlen, oder? Wenn wir als Chef einen Minderleister entnervt drängeln, spüren wir ebenfalls diesen Hauch eines Hasses.

In der Psychologie kennt man die Persönlichkeitsstörung „passiv aggressiv“. Lesen Sie den Artikel in der Wikipedia, ich zitiere hier einfach kurz die Diagnosekriterien aus dem DSM III, die dort stehen (bei fünfmal JA in der folgenden Liste liegt eine Indikation auf eine Störung vor):

  1. startet Verzögerungsmanöver, d. h. Sachen werden so lange aufgeschoben, dass Fristen nicht mehr eingehalten werden können;
  2. wird mürrisch, reizbar oder streitsüchtig, wenn von ihm etwas verlangt wird, was er nicht tun möchte;
  3. arbeitet scheinbar vorsätzlich langsam oder macht die Arbeit schlecht, die er nicht tun möchte;
  4. beschwert sich ohne Grund, dass andere unsinnige Forderungen an ihn stellen;
  5. vermeidet die Erfüllung von Pflichten mit der Beharrlichkeit der Behauptungen, sie „vergessen“ zu haben;
  6. glaubt, seine Tätigkeit besser auszuüben, als andere glauben;
  7. nimmt anderen nützliche Vorschläge zur Steigerung seiner Produktivität übel;
  8. behindert Bemühungen anderer, indem er seinen Arbeitsbeitrag nicht leistet;
  9. reagiert mit unmäßiger Kritik oder Verachtung auf Autoritätspersonen.

Fühlen Sie sich doch einmal in diese Kriterien hinein. Ist da nicht so ein Mensch beschrieben, wie wir ihn dann vielleicht alle gemeinsam durch das Versagen von Zuwendung erzeugt haben? Einer, der unter unseren Vorwürfen unendlich leidet und uns im Gegenzug nicht mag?

Die Lage ist so: Wenn jemand an einer Stelle ist, wo er von ganz vielen Leuten ständig keine Zuwendung bekommt (von keinem Kunden, keinem Lehrer etc.), dann begehen alle diese Nichtzuwender ein kleines und damit scheinbar verzeihliches Verbrechen an ihm. Das Kollektiv der Nichtzuwender aber macht die Summe der Nichtzuwendung so groß, dass der unbeachtete Schattenmensch nicht gerade stirbt wie ein Säugling, aber dann alle Symptome der passiven Aggression zeigt (aktive geht ja nur noch als Amoklauf, der aus dem Schatten herausführen kann).

Ich will sagen: Die schiere Masse der Nichtzuwendung macht jemanden reif für eine Persönlichkeitsstörung. Wir alle sind die Zuwendungsversager. Wir werden nie bestraft. Aber unsere Opfer krümmen sich im Verborgenen und müssen, wenn es zu arg wird, zur Therapie. Die Therapie kümmert sich darum, das Problem am Opfer zu korrigieren, wo es doch in uns Zuwendungsversagern steckt.

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18 Antworten

  1. Vermutlich gibt es auch so einige Fälle Opfer und gleichzeitig Täter/in. – Aber hauptsächlich eine Anekdote aus Günter Wallraffs Buch „Aus der schönen neuen Welt“. Der medienbekannte Journalist hatte monatelang Pakete in seiner Wohnstadt Köln im Akkord ausgetragen. Niemand habe ihn erkannt, weil der Paketbote eben niemand sei, bei dem man näher hinblicken würde. – PS: es macht einem selbst sehr viel Freude, einen „passiv Aggressiven“ in einen konstruktiven Modus einzuladen, plötzlich blühen Menschen wieder ein bisschen. … Sollte ich eigentlich häufiger anstreben 🙂

  2. Da haben Sie ein sehr wichtiges Thema angesprochen. Ich erlebe auch häufig eine fehlende Bereitschaft für einen wertschätzenden Umgang mit anderen, wozu auch positive Zuwendung zählt.

    Für mich ist es normal, Menschen ein Lächeln zu schenken, wenn sie mir ein Paket oder etwas anderes bringen, selbst wenn ich sie nie wieder sehen sollte. Trete ich mit anderen in freundlichen Kontakt, fühlt es sich doch auch für mich besser an, selbst wenn der andere sich schwer tut, mir ein Lächeln zurück zu geben. Aber es kommt sehr selten vor, dass ich nicht etwas Positives beim anderen spüre, wenn ich ihm freundlich gegenübertrete. Daher ist es mir ein Rätsel, wieso Menschen nicht schon von sich aus mit mehr Freundlichkeit auf andere zugehen.

    Alleine schon diese positive Einstellung anderen gegenüber gibt dem Gegenüber ein besseres Gefühl. Positive Zuwendung empfinden andere schon, wenn man eine achtsame, respektvolle und positive innere Haltung Menschen gegenüber zeigt. Da ist aufwendige Kontaktaufnahme oft gar nicht so wichtig (ausgenommen bei Säuglingen).

  3. Mir kam bei den Aufzählungen für passive Aggressivität spontan das Verhältnis Griechenland – übriges EuroEuropa/Deutschland oder Griechen – übrige EuroEuropäer/Deutsche in den Sinn.
    Sind diejenigen, denen (zurecht oder zuunrecht) unterstellt wird, die Griechen für Faulenzer zu halten, worüber sich Herr Tsipras gestern in Berlin indirekt beschwert hat, deshalb denn eine Art von Verbrecher, wie es zu Beginn des dritten Absatzes heisst?
    Oder ist die ganze Verstimmung nur ein psychologisches Problem? Ein Problem der „schieren Masse der Nichtzuwend“er, die nicht sehen wollen, wie „unsere Opfer“ „sich im Verborgenen“ „krümmen“ müssen.
    Wieder ein guter Artikel, für den wir losgelöst von dem oben Gesagten tagtäglich Beispiele finden.

  4. Ich finde, was im Artikel steht, ist absolut richtig und es ist auch wichtig, dass das mal jemand sagt bzw. schreibt.

    Aber was mir fehlt, ist die Überlegung, was die Ursache für dieses Verhalten ist. Warum sind denn viele von uns so unfreundlich zu den anderen?
    Ist es Gedankenlosigkeit, oder ist es einfach, weil wir generell schlecht drauf sind? Oder ist es sogar (im Unterbewusstsein) Absicht (das wäre meine Vermutung)? Wenn es mir (im Privatleben, im Job, generell) schlecht geht, dann geht es mir vielleicht ein bisschen besser, wenn ich die anderen in meinem Umfeld mit runterziehe. (Ich bin mir sicher, dass es dafür auch einen Fachausdruck gibt.) Und das führt eben in eine allgemeine Depressions-Spirale.

    Ich kenne sehr viele (eigentlich die meisten), die lassen gar nicht zu, dass es ihnen gut geht. Diese Leute ziehen sich mit irgendwelchen Dingen ständig runter, in dem sie sich über nicht beeinflussbare Kleinigkeiten aufregen, mit anderen Mitarbeitern ohne Grund Streit anfangen, etc. Einfach nur, damit sie sich selbst wieder aufregen und damit runterziehen. Ich denke, die meisten haben sich bestimmt schon mal dabei ertappt, im Internet Foren zu lesen oder die Bild-Zeitung, und sich dann über die Artikel oder Kommentare aufzuregen. Es bringt keinen Informationsmehrwert, sondern einfach nur einen höheren Blutdruck, und trotzdem machen wir das. Dabei wäre es so einfach, sich mit was schönem zu beschäftigen. Aber irgendwie brauchen die Menschen (jedenfalls sehr viele) das einfach. Und je mehr diese Menschen die anderen mit runterziehen (durch z.B. das Versagen von Zuwendung), desto mehr schaffen diese Menschen sich das geeignete Klima in ihrem Umfeld.

    Ich denke, dieses Verhalten ist der Grund für so viele Dinge, die schief laufen (im Privatleben, in der Wirtschaft, etc.)

    Wurde das schon mal von Ihnen beleuchtet, Herr Dueck?

      1. Ja, grad die #04 beschreibt das im Ansatz ganz gut.

        Hier meine eigenen Gedanken und Erfahrungen:

        Ich kenne einige Erwachsene, die wurden im Kindesalter nie gelobt, nie belohnt und immer nur runtergemacht. Sie haben daher kein Selbstwertgefühl. Und damit weigern sie sich zu akzeptieren, dass es ihnen gut gehen darf. Sie bestrafen sich ständig selbst: Sie suchen Gelegenheiten, sich aufzuregen (beim Foren-Lesen im Internet, beim Lesen von Tageszeitungen, beim Fussball-gucken im TV, etc., machen sich ständig übertrieben Sorgen (wenn sich das ausgezogene Kind nicht alle paar Tage per Telefon meldet, wenn der Lebenspartner aus dem Haus geht und sich bei der Heimkehr verspätet, etc.). Wenn diese Menschen eine Freundschaft mit anderen Menschen eingehen, hält das auch nicht lange, weil irgendwann wegen irgendeiner Kleinigkeit Streit provoziert wird.
        Das ist das im familiären Umfeld.

        Dazu kommt noch, dass auch im wirtschaftlichen Umfeld der Wert der Kunden bzw. Mitarbeiter immer weniger geschätzt wird. Mitarbeiter bekommen immer weniger Geld (das haben Sie in „Schwarmdumm“ schön beschrieben), Rentner bekommen immer nur Nullrunden statt Erhöhungen, Kunden werden ständig abgezockt, etc. In die Bevölkerung wird immer weniger investiert, alles um uns rum verschlechtert sich dauernd (Bildungssystem, Gesundheitssystem, Infrastruktur, etc.).
        Bei uns in der Firma wurden mehrere Offensiven zur Verbesserung des Arbeitsklimas eingeläutet, bei denen sich alle beteiligen konnten und die aber alle im Sande verlaufen sind (auch das haben Sie schön in einem SZ-Interview beschrieben“, außerdem werden ständig Versprechen nicht eingehalten.

        Das alles führt zu einer depressiven Stimmung in der Bevölkerung. Und ich denke, es liegt in der Natur der Menschen, die anderen mit runterzuziehen, wenn es einem schlecht geht. Man gönnt dem anderen die gute Laune nicht und bestraft ihn dann mit einem Nichtbeachten, einem bösen Blick oder sogar einem Anraunzen, wenn es mal wieder nicht schnell genug geht zum Beispiel. Außerdem erkennen die „Depressiven“ (hier nicht im klinischen Sinne gemeint) die Macht, die sie auf andere haben. Und wenn es allen anderen um einen selbst schlecht geht, dann geht es einem selbst doch gleich ein bisschen besser.

        Und so schaffen die „Depressiven“ ihr eigenes Klima um sich rum, das sich natürlich immer weiter ausbreitet und alles in eine Spirale mit sich runterzieht.

        Ich bin auch davon überzeugt, dass viele mittlerweile vergessen haben, wie schön es eigentlich sein kann, und dieses Gefühl gar nicht mehr vermissen. Ich denke, das ist wie ein Drogenabhängiger, der regelmäßig seine Drogen braucht. So brauchen diese Depressiven immer die schlechte Stimmung um sich rum.

        Und ich habe viele Beispiele am eigenen Leib in meinem Arbeitsumfeld erlebt, die zeigen, dass die Menschen auch gar nix an ihrer Situation verbessern, selbst wenn sie es können und dürfen. Statt dessen wird gejammert und sich weiter im Elend gesuhlt.

        Dass man, wenn man gute Laune verbreitet, diese auch zurück bekommt, das haben viele wohl vergessen. Oder sie wissen es, brauchen dieses Gefühl aber gar nicht mehr.

    1. So von 1960 – 1975 hatte die IBM einen Kodex , die noch von der Watson-Familie stammte: Es waren „Shareholder Value“, „Customer Value“ und „Social Value“ als gleichwertige Ziele zu verfolgen. Da gab es dann neben den Gewinnen eben viele Gedanken über Kundenzufriedenheit ohne erhöhten „Werbedruck“ und so etwas wie eine Arbeitsplatzgarantie. Der respektvolle Umgang miteinander war sogar ein Thema bei Einstellungsgesprächen. Was davon geblieben sein mag?

  5. Dazu fallen mir spontan 2 Dinge ein, die das hier irgendwie in Frage stellen:
    1. Marvin der depressive Roboter aus „Per Anhalter durch die Galaxis“
    und die seufzenden Türen im Raumschiff „Herz aus Gold“ …
    … Maschinen können sich gefühlt genau so verhalten, obwohl die sicher
    keine Zuneigung brauchen – nicht einmal das Tamagotshi – ist es nicht
    auch der Empfänger, der ein wenig solche Stimmungen in andere hinein
    interpretiert (weil er selber mies drauf ist) ?
    2. Der Fuchs beim „Der Kleine Prinz“ … wenn wir alle sofort behandeln
    würden wie Freunde, wozu brauchen wir dann noch Freunde – das
    „zähmen“ ist Grundvoraussetzung … wir brauchen >n Begegnungen,
    um andere überhaupt richtig einschätzen zu können …
    Wozu brauchen wir sonst noch Freunde, wenn wir alle gleich zu
    „Instant Freunden“ machen ?

    Zwischen „links liegen lassen“ und „offen sein“ für andere ist schon noch ein Unterschied. Klar, der ManagerIn ist ein Kümmerer, der wird ja auch dafür bezahlt, dass er sich um die von ihm gemanagten kümmert.
    Aber jedem gleich Zuwendung angedeihen lassen bei der ersten Begegnung, auch wenn der vielleicht (nach Rauch) stinkt oder mir gar keine Strafe aufbrummt … wir müssen doch lernen unsere Emotionen und Gefühle zu zeigen, sonst können die anderen ja nicht angemessen auf uns reagieren – wenn alle immer nur lächeln, weiss keiner wie er dran ist …

    irgendwie strange … wie in China 😉

  6. Ich habe zwei Jahre an der Westküste der USA gelebt. Das ist lange her. Positive Zuwendung, die nichts erwartet (!), habe ich dort jeden Tag beobachtet und erlebt. Das hat mich überrascht, irritiert. Zunächst. Das fand ich dann toll. Und ich habe es mit nach Hause genommen.

    Sehr oft habe ich von Bekannten/Freunden den Satz gehört „Die Amis sind so oberflächlich. Die fragen jeden, wie’s geht und wünschen einen schönen Tag und dann dieses nice to meet you“. Nun will ich keine Debatte über Eigenarten der Amis starten (die Amis ist ohnehin so eine Aussage) – ich habe in dieser Zeit ein anderes Selbstverständnis mit Hinblick auf positive Zuwendungen erlebt und wahrgenommen. Sowohl mit fremden als mit vertrauten Menschen.

    Ich frage: Müssen wir uns in den hiesigen Breitengraden Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Freundlichkeit stets „verdienen“?! Was schleppen wir an kulturellem Gedöns mit uns rum?

    Auf jeden Fall: Ab morgen, besser ab sofort, kann jede_r umsichtigund aktiv positive Zuwendung zeigen. Erwartungslos. Es macht das Miteinander schöner. Einfach so.

  7. Ja die fehlende Zuwendung. Zur Ergänzung ein paar Zeilen. Wir leben in einer Kultur der scheinbaren Schamlosigkeit in der die sogenannten „Masken der Scham“ immer größere Bedeutung bekommen. Unter Masken der Scham können wir alle Verhaltensweisen verstehen, unter denen sich eigene Scham oder Schamängste oder Schamkonflikte verbergen. Das ist nur leider wenig oder gar nicht bewusst. So sind nun aber Beschämungen anderer durch Entwertungen, Missachtungen, Beschimpfungen,Nichtzuwendung, Würdeverletzugnen, Zuwendungsentzug, Ignoranz, fehlende Anerkennung, mangelnde Achtung, Bewertungen, Mobbing, Klein machen durch Beserwisserei oder Bescheidwissen, Rechthaberei, usw. usw. immer häufiger anzutreffen. Erst wenn wir der „gesunden“ Scham wieder ihr Leben zurückgeben können wir wieder für Würde, Achtung und Anerkennung eintreten. Mehr darüber in einem Vortrag von mir bei youtube oder andere Veröffentlichungen zu Thema Scham.

  8. Herr Prof. Dr. Dueck, sind Sie da nicht möglicherweise einer Reihe von Vorurteilen aufgesessen, denen wir vielleicht auch deshalb schon nicht mehr zu widersprechen in der Lage sind, weil wir die Mär vom mürrischen Deutschen so oft hören und lesen, daß wir sie verinnerlicht haben? Also Hand auf ’s Herz: Handeln Sie so, wie von Ihnen beschrieben? Ihre Verwandten, Ihre Freunde, Ihre Bekannten? Gut: Kennen Sie überhaupt einen Menschen persönlich, der sich so verhält? Und wenn ja, wie war das doch gleich mit den kleinen, absoluten Zahlen, die man nicht zu extrapolieren hat?! Wie sehr mußten Sie sich die genannten Beispiele „aus den Fingern saugen“? Wir haben sicher ein gerüttet Maß an Problemen in unserer Gesellschaft, dieses hier kann ich aber, zumindest in der dargestellten Intensität, nicht nachvollziehen. Die Lehrer – eine scheint ’s bei Ihnen beliebte Zielgruppe – kümmern sich nicht um die schlechten Schüler, die Chefs nicht um die Minderleister … ach, ich bitte Sie: Etwas weniger „Bild“ und etwas mehr Wissenschaft!

  9. Es lebe die Empathie! Das freundliche Wort an die Fleischfachverkäuferin. Das sind doch eigentlich Selbstverständlichkeiten, wie man in den Wald hineinruft so schallt es zurück, oder so ähnlich.

    Wenn Sie ein Defizit an Freundlichkeit und Vertrauensvorschuss hier tatsächlich zu Recht wortreich beklagen, haben wir wohl ein ganz anderes Problem. Was wäre, wenn der Fokus auf „Shareholder Value“ oder die Abtreibung als Kontrakonzeptivum ein Indiz für eine Gesellschaft sind, in der die Forderung nach selbstbestimmtem Leben und Handeln als platter Eigennutz umgesetzt wird oder in der Verantwortung ein Fremdwort ist (kann man an den NRW-Schulbüchern in einer Studie bereits nachweisen). Und empathische Gesten, die Sie so sehr vermissen, sind nur noch der Lack, mit dem sich die Egozentriker tarnen.

  10. @Nummer 9 Matthias
    Wie hältst Du es beim Autofahren?
    Lässt Du immer die Kreuzung frei? Bist Du fähig zum Reißverschlusssystem und lässt Du jemandem freundlich winkend die Vorfahrt?
    Ich selbst tue dies. Aber nicht immer. Wenn mich zum wiederholten Male jemand geschnitten hat, mir vor die Nase gefahren ist, fällt es mir schwer, dem nächsten noch freundlich zu begegnen, obwohl doch der gar nichts dafür kann.

    Niemand von uns ist ständig aufmerksam seiner Mitmenschen gegenüber. Selbst Menschen mit einer angeborenen Freundlichkeit haben auch mal was anderes im Kopf und stoßen andere vor den denselben. Bei Fremden hat das was von dem berühmten Schmetterlingsflügelschlag und Erdbeben.
    Meckernde und nie lobende Chefs sind da eine ganz eigene Kategorie.

  11. Hallo Gunter,
    ja, Du hast einmal mehr eine Tendenz deutlich gemacht, die heute immer unangenehmer wird und auffälliger. Keine Achtsamkeit, kein Interesse mehr für andere, schon gar keines für Leute, die einem nicht direkt nützen.

    Früher kam so etwas eher im Märchen vor: „Was gibst Du mir dafür?“ sprach die böse Fee, wenn sie etwas wichtiges tun sollte und um Hilfe gebeten wurde. Und heute sind manche Menschen nur noch freundlich und aufmerksam, wenn sie direkt etwas wollen, oder meinen, dass es ihnen später einmal etwas bringt. Warum sich die Mühe machen, und die Verkäuferin an der Supermarktkasse wahrnehmen, gar ein paar nette Worte mit ihr wechseln? Viele sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie die anderen nicht mehr wahrnehmen, und manche so ökonomisiert, dass sie nicht einmal mehr hinsehen, wenn es sich nicht für sie lohnt.

    Ist das nicht eigentlich Erziehungssache? Früher erkannte man die allzu schnell aufgestiegenen daran, dass sie ihr Personal besonders schäbig behandelten und sich demaonstrativ geistig über sie erhoben. Heute ist es wahrscheinlich einfach Selstbezogenheit in Verbindung mit durchgehendem Ökonomiedenken. Selbst die alltägliche Höflichkeit des aufmerksamen Umgangs miteinander wird zum knappen Luxusgut.

    1. Gunter hat sich da ja auch nicht ausgeschlossen. Darum ging es, daß man sein eigenes Verhalten mal anschaut, nicht nur über die anderen klagt.

  12. Einen wunderschönen guten Morgen. Heute schon gelächelt? Wenn nein, dann stell Dich bitte nur 1 Minute vor den Spiegel und lächle ihn an. Glaub mir, er lächelt zurück 😉 Mach den Test mit jedem den Du heute begegnest; spann die Muskeln halblinks und halbrechts von deiner Nase ein bisschen an, und zieh die Oberlippe etwas nach oben. Du wirst über die Reaktionen begeistert sein.
    Faszinierender Weise bringt jedes System selbstregulierende Mechanismen zur Welt, um die hier gut geschilderte Realität erträglicher zu machen. In Deutschland sind diese freundlichen Ausgleichsstrukturen zum Beispiel VEREINE und ich rate jedem mal es zu versuchen.

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