DD247: Groll – „Ich warte, bis du dir den Anschiss abholst“ (August 2015)

Twitter
Facebook
LinkedIn
XING

DD247:  Groll – „Ich warte, bis du dir den Anschiss abholst“   (August 2015)

„Schatz, was hast du?“ – „Nichts.“

Das wird gefährlich. Anders klingt: „Schatz, was hast du?“ – „Nichts, warum fragst du?“

Im ersten Fall weiß „Schatz“ genau, worum es geht – um tiefsitzenden Groll, der innen drin gärt und zugedeckt bleiben soll. Der Groll hat keine Empathie für den besorgt Fragenden: „Es ist nichts.“ Hinter das Wort „nichts“ setzt der Groll einen Punkt, kein Ausrufezeichen. Er hält sich verdeckt.

„Schatz, ist wirklich nichts?“ – „Nein, nichts.“ – „Schatz, du hast doch etwas, ich sehe es dir an.“ Das soll man auch wohl, aber die Ursache des Grolls soll geheim bleiben und quälen. „Schatz, bitte, ich kenne dich schon so lange, es ist etwas!“ – „Nein, reg‘ mich jetzt nicht auf, ich habe jetzt schon ein paar Mal gesagt, dass nichts ist.“ – „Aber da ist wirklich etwas – lass uns doch bitte nicht wieder Loriot spielen.“ – „Es macht mich langsam wahnsinnig. Sag doch, was los ist.“ – „Nichts.“ – „Schatz, ich habe dieses Ritual satt. Es ist immer etwas, wenn ich das fühle und dich danach frage, ohne Ausnahme. Deshalb habe ich auch jetzt Recht. Also was ist?“ – „Aha, du hast immer Recht. Wie schön. Nichts hast du!“ Nach zwanzig weiteren Runden und drei Tage später platzt der Kragen: „Du hast vor 14 Tagen gesagt, ich gebe ganz schön viel Geld aus. Wie kommst du dazu? Es ist mein Geld…“ – „Das habe ich nicht gemeint.“ – „Doch, du hast gesagt, ich gebe schön viel aus. Willst du sagen, ich bin taub?“ – „Gesagt habe ich es, aber nicht so gemeint.“ – „Aha, aber du gibt also zu, dass du es gesagt hast. Also!“ – „Ich streite es nicht ab, ich will nur sagen, dass es anders gemeint war.“ – „Wie denn, bitte, kann es anders gemeint sein, als du es gesagt hast? Ich will gar nicht hören, wie es gemeint ist. Zum Kotzen, wie ein Politiker. Ich bin leider leider leider missverstanden worden…“

Es gibt lehrreiche Internetratgeber über Groll. Die raten dem Grolligen – das klingt schöner als Grollenden, finde ich – zu Atemübungen, Leichtnehmen oder Kommunikation gegen das giftgleiche Grollen. Ziel ist es, das Bohren im Innern loszuwerden.

Man müsste zusätzlich noch Seminare anbieten, wie man versteckten Groll von außen sicher erkennt und von außen aus wegbekommt. Dreißig Mal „Was hast du?“ fragen und dann eine Schmutzlawine abzubekommen ist nicht so lustig und verlangt sehr viel Einigungswillen. Geht es kürzer? Ich weiß nicht.

Vielleicht muss ich, denke ich, viel mehr Respekt ausdrücken, Anerkennung zollen, ein bisschen mehr bewundern – dann habe ich so viel Pluspunkte auf einem Konto gesammelt, dass der Groll den Kontostand nicht wegen eines missverständlichen Satzes negativ werden lassen kann.

Ich habe einmal an einem Kollegen über Monate nur ganz schwach gefühlt, dass er etwas gegen mich hat. Es war aber so schwach, dass es nie eine Schwelle gab, wo ich „Was hast du?“ hätte fragen können. Wir fuhren dann einmal zwei Stunden zu einem Event. Da fasste ich mir ein Herz und meinte, ich wäre wohl irgendwie in Ungnade gefallen. Nach langem Zögern: „Ich sollte einmal Manager werden, gerade in der Zeit, als auch du zum Assessment [Anm.: eine sehr harte Prüfung auf Eignung] musstest. Ich bin mit Pauken und Trompeten durchgefallen, du nicht. Immer, wenn du jetzt als Manager agierst, erinnere ich mich. Ich finde mich doch auch gut genug! Sie haben mich förmlich geköpft. Ich soll mehr so sein wie du, sagten sie mir indirekt. Und deshalb habe ich angefangen, Hass zu fühlen, wenn du da bist. Es ist nicht gegen dich, du bist okay, ich muss nur meinen Gram stumm ableiten können. Ich leide. Ich weine innerlich. Es ist ungerecht.“

Oder: Ich hatte bei einer Umfrage an meine Mitarbeiter, ob ich als Manager ihre Karriere fördere, nur sehr guten Noten bekommen – und dazu eine glatte „Sechs“. Ich war sehr betroffen, weil mir die anonyme Umfrage etwas ankreidete, wo ich ein absolut reines Gewissen hatte! Ich forderte im Team Meeting, dass sich der Betreffende bitte in mein Büro begeben sollte, dann würde ich den Fall fixen. Nichts geschah. Ein Jahre später war Beförderungsrunde. Ich gratulierte im Teammeeting dem neuen „Senior“. Am nächsten Morgen kam er herein und sagte leise: „Ich war das mit der Sechs.“ Und es kam dies heraus: Er war vor langer Zeit bei mir gewesen und bat um eine Beförderung. Ich sagte, die sei schon in Bearbeitung, es würde aber so etwa 18 Monate dauern, weil es nur eine sehr begrenzte Zahl von Beförderungen im gesamten Bereich gäbe. Ich müsse ihn bei der nächsten Runde zunächst sehr stark hypen – ich würde seine Promotion also sehr lautstark und insistierend fordern und dabei wohl gegen schon länger gesetzte Kandidaten „verlieren“. Dann aber wäre er nach ein bisschen Gezeter und Theater auf einem sicheren Platz für das Jahr drauf. Er müsse absolut nichts mehr in der Sache tun, nur eben achtzehn Monate warten. Ich hätte alles sicher im Griff.

Er wartete und wartete. Er vertraute mir nicht ganz. Er wurde sechs Monate später nicht befördert. Das war ja klar. Es begann trotzdem zu gären. Er beobachtete mich und sah nichts. Das wertete er natürlich negativ – er war schon grollig. Dann –als er genau nach Plan befördert war, stand er vor mir. „Ich war das.“ Niemand hatte sich gegen ihn verschworen, alle mochten ihn, er aber grollte, weil er nicht vertraute. Und ich habe den Fehler begangen (ich kann mich heute noch ärgern), ihm nicht nach sechs Monaten jeden Monat neu gesagt zu haben, dass es weiterhin gut aussähe. Ich habe es ihm nur nach sechs Monaten gesagt: „Es hat wie erwartet nicht geklappt, aber nächstes Mal ist es sicher.“ Rational ist es sinnlos, jeden Monat zu sagen, es sehe gut aus, denn die Beförderungsrunden sind nur einmal im Jahr. Dazwischen passiert doch nichts! Aber es tut den anderen gut, es immer wieder zu sagen. Das hab ich früher nicht gewusst, ich bin zu rational…

Ich kann noch ein paar solche Unglücke erzählen – irgendwie kam es in solchen Fällen zu ganz lang anhaltendem Groll, wozu eigentlich keiner etwas konnte. Und weil gar keine echte Schuld vorlag („Ich habe es nicht so gemeint wie du es auffasstest!“), wurde der Groll nie zur Eruption gebracht. Die Grolligen selbst bringen ihn nicht zur Eruption, sie warten wohl auf „Was hast du?“. Und sie hoffen wohl, irgendwann würde das Unrecht des anderen offenbar – aber wenn sie Pech haben, ist da gar keines. Dann aber kann das Gift des Grolls sie ein Leben lang innerlich kränken.

Der Groll war in allen „meinen“ Fällen viel zu lange im Körper gewesen. Das Gift ging nicht wieder ganz weg, nur weil plötzlich klar wurde, dass es keine wirkliche Grundlage für den Groll gab. Die Ratio stellt die Sache richtig, aber sie entgiftet nicht. Die persönlichen Verhältnisse wurden nie mehr wirklich glücklich. Seltsam, dachte ich. Wenn ich jemanden für böse halte und es stimmt einfach nicht – dann bin ich doch glücklich, dass ich Unrecht habe? Wenn ich einen Denkfehler in mir finde und ihn beseitige, ist das doch gut? Oh, ich bin zu rational. Unrechthaben macht nicht so arg viele glücklich.

Schrecklich, oder? Sie grollen – und wenn es zur Bereinigung kommt, haben sie so etwas wie ein behütetes Baby verloren. Das Gift ist noch drin, es wirkt weiter nach, ab jetzt ganz ohne Grund.

Ich grüble. Mit fällt keine Lösung ein. Also dann. Ich weiß nichts Besseres als das schreckliche „Was hast du?“ – Dreißig Mal, dann einen Schwall Mist über mein Haupt – dann ist das Gift schnell raus.

Geht es besser?

Twitter
Facebook
LinkedIn
XING

18 Antworten

  1. Schöner Artikel. Diese Missverständnisse kenne ich auch, wie vermutlich jeder. Schwer wird es immer dann, wenn ich selbst wegen des Grolls auch sauer werde. Denn der andere ist ja ungerechterweise(!) sauer auf mich.
    Letztlich ist es glaube ich wirklich alles nur eine Frage des Vertrauens. Wenn beide Seiten verinnerlicht haben, dass der andere mir nie etwas Böses will, dann kann ich viel leichter den aufkommenden Groll überwinden. Dieses Vertrauen aufzubauen ist natürlich nicht immer einfach. Für eine funktionierende Beziehung scheint es mir auf Dauer aber unabdingbar, was meinen Sie? Denn wieviele Beziehungen sind schon daran zerbrochen, dass man jeden Tag „Was hast Du?“ fragen muss?

  2. Danke für diesen wunderbaren Blog…ich fühle mich in jeder Hinsicht betroffen, berührt und aufgefordert..ich bin gern eine Grollige….leider…weil ich mich vor der Auseinandersetzung fürchte und dass der andere es wirklich so gemeint hat, wie ich es verstanden habe…verflixter Masochismus…so viel Energie, die nutzlos verbrannt wird…..

    1. Na, so 20 Prozent stimmt schon immer…daraus lernt man aber doch? Wenn man das ein paar Jahre macht, sind alle Macken so weit weg, dass das alles langsam wegfällt und man gelassener werden kann. Grollen macht sicher nicht gelassen….

  3. Gut geschrieben, wie immer. Sie beschreiben zwei Grollige, aber waren Sie selbst schon einmal grollig? Das wäre spannend zu lesen, nicht nur die Außen-, sondern auch die Innenperspektive.

    1. Ich bin immer der, der die Sache klärt, weil ich das Grollige nicht aushalten kann – also „Ende mit Schrecken“. Ich habe dabei gelernt, dass ich auch immer etwas „abkriege“, weil die Leute mich nicht einfach so kränken, außer es ist absolut falsch verstanden worden. Das ist eben ein Anlass zum Lernen und wenn das Klärungsgespräch gut verläuft, entsteht wieder etwas in einer Beziehung. So wie ein Unternehmen gewinnt, wenn es auf Beschwerden eingeht. Es gab hier mal zuhause Groll gegen einen Lehrer, der meinen Sohn des „Mobbings“ bezichtigt hatte, was sich fast bis ins Zeugnis reinzog. Ich ging also „klären“, hielt die Ohren für Schläge hin: er schilderte ganz genau den Vorfall – und genau den kannte ich aus häuslicher Empörung aus einer anderen Sicht. Ich atmete tief durch…. „Lieber Herr Lehrer, es war so, dass nicht der angeblich „gemobbte“ Schüler mit dem Arschloch gemeint war, sondern… äh … ja….der Lehrer, der gerade sehr ungerecht gewesen war.“ Zu meiner Überraschung erwiderte der Lehrer, das könne stimmen, dass er ungerecht gewesen wäre. … Und dann wurden wir drei Freunde. Ist das nicht schön, dass es sogar ab und an vollkommene Reinigungen gibt? Solche Klärungserfolge lassen dann Groll nicht mehr zu, oder?

  4. Hallo Gunter,
    ich grolle niemandem mehr, seitdem ich wieder angefangen habe, Klavier zu spielen. Das Üben lässt jeden Groll in wenigen Minuten verschwinden – jedenfalls bei mir. Ob es bei denen der Fall ist, die mich da so üben hören, steht allerdings auf einem anderen Blatt…

  5. Ein toller Artikel über ein Thema, das mir sehr bekannt ist. Ich habe große Probleme mit Menschen, die mir non-verbal zeigen, dass ich irgendetwas getan oder gesagt habe, das sie verletzend hat oder als falsch empfinden. Ich fühle dann, dass etwas nicht stimmt, ohne es zu begreifen. Auch ich versuche dann mehrmals herauszufinden, was los ist. ohne eine klärende Antwort.

    In manchen Fällen finde ich dann nach einiger Zeit heraus (das kann nach vielen Stunden oder auch erst am nächsten Tag sein), dass es noch nicht einmal mit mir zu tun hatte, dass der andere grollig ist. Es gab einen Vorfall, den die Person erlebte und es wurde erwarte, dass ich die Gedanken lese und als Tröster da sein soll. Und wenn ich dann nicht wie gewünscht funktionierte, weil ich vielleicht eigene Bedürfnisse hatte, wurde ich mit Groll und anfeindendem Verhalten bestraft. Das ist meine Interpretation – denn bisher haben sie mir nie deutlich mitgeteilt, was in ihnen vorgeht.

    Auf der einen Seite glaube ich, fehlt ihnen die innere Erlaubnis dafür, dass sie sagen dürfen, wenn sie etwas stört bzw. sie wissen nicht, wie sie es verständlich ausdrücken können und es nicht zu einer Auseinandersetzung kommt – das mögen sie nämlich nicht. Auf der anderen Seite haben sie oft zu hohe Erwartungen an andere. Sie erwarten, dass man ihre Gedanken liest und ihre Meinung darüber teilt, was gerecht und ungerecht ist, und dass man wissen müsse, was ihre Gefühle verletzt und das auf keinen Fall tun dürfe (meine Interpretation durch langjährige Erfahrungen).

    Ihnen fehlt Vertrauen zu anderen und sie sehen oft in allem, was andere tun und sagen, genau das, was sie grollig werden lässt. Ein klärendes Gespräch ist dann für beide Seiten das beste und wichtigste, weil es sonst die Beziehung belastet. Die Herausforderung ist dabei, den Zugang zum anderen zu finden, damit er dazu bereit ist.

  6. Hallo Gunter, liebe Mitdiskutierende,

    ich kann Grollen und Gewitterstimmung auch nicht ab. Einen Konfrontationskurs mag ich auch nicht einschlagen.

    Entweder eine Beziehung hält einen Diskurs aus oder braucht einen externen Mediator, der zu vermitteln versucht. Habe zuviel Angst vor einem Magengeschwür, weil ich dazu neige, alles in mich hineinzufressen.

    Der Verstand oder das Ratio hilft nicht wirklich weiter. Mich drängt er meistens in irgendeine Ecke, aus der ich nicht mit eigenen Kräften herauskomme.

    Dank für die tollen Zeilen und Gruß aus Mittelhessen an alle, Wilfried

  7. Ich denke, man muß Groll auch bisweilen vorausahnen können!
    Wenn man weiß, jemand ist leicht verletzbar, dann wählt man seine Worte instinktiv besser. Wenn man aber seine Untergebenen garnicht „persönlich“ kennt und etwa nur ihre fachl. Qualitäten, dann kommt eben so etwas heraus.
    Groll sollte man auch persönlich kennen, um Groll bei anderen ab und an vermuten zu können.

  8. Vielleicht ist es in einigen Fällen auch eine zu schwach ausgeprägte Fähigkeit zum metakulturellen Diskurs wie Sie ihn auf Ihrem rePublica-Vortrag 2013 herausgearbeitet haben, die Menschen dazu bringt, in sich hinein zu grummeln? Der Groller weiß/ahnt dass sein Wertesystem nicht mit dem des Begrollten kompatibel ist und grollt daher weiter statt eine Metadiskussion zu starten. In ihrem Beispiel könnte das gut passen: der der „Wir“-Kultur anhängende Mitarbeiter glaubt, dass einzelne Mitarbeiter nicht aus dem Team herausgehoben und befördert werden sollten, oder der „Mastery“-orientierte glaubt an absolute statt relative Bewertung seiner Arbeitsleistung („Ich bin gut in meinem Job, habe also jetzt eine Beförderung verdient“, nicht „Unter meinen Kollegen bin ich der mit einer Beförderung am dranste“) und möchte dies nicht mit einem Manager ausdiskutieren, der aufgrund seiner Rolle – nicht unbedingt aufgrund seiner natürlichen Persönlichkeit) in einem ganz anderen Weltbild (Regel-orientiert: „Das Budget sieht n Beförderungen vor und nach m Jahren ist Kollege x halt mit der Regelbeförderung dran, auch wenn Kollege y noch so gut ist..:“) gefangen ist?

  9. Ich denke, der Mensch an sich (vielleicht nicht alle, aber viele), hat ein Bedürfnis, sich selbst zu bestrafen und sich (zumindest ein bisschen) schlecht zu fühlen.
    Ich kenne einige, die provozieren kleine Streits, nur um dann verbal eins auf die Fresse zu bekommen. Oder die machen Dinge (oder nehmen Drogen), um sich hinterher selbst zu bemitleiden.
    Und ich denke, mit dem Groll ist es genau so. Leute, die Groll hegen, die fühlen sich zwar schlecht dabei, aber die brauchen das halt.
    Ich kenne mich leider psychologisch zu wenig aus, um hier was über die Ursachen zu sagen (ich schildere nur meine Beobachtungen), aber ich könnte mir vorstellen, dass solche Menschen zu wenig Selbstwertgefühl haben, und daher das Mitleid der Mitmenschen und das umsorgt werden und das im Mittelpunkt stehen (das x-mal gefragt werden, ob nicht vielleicht doch was ist) einfach brauchen.

  10. Es ist die Gewitterstimmung, die ich bei Groll verbreite. Ich sitze aber nicht grollend da und schweige. Es platzt alles in einem Wortschwall aus mir heraus. Das passiert mir glaube ich hauptsächlich immer dann, wenn ich meine, dass Lügen im Spiel sind. Der Ärger, dass ich mich nicht früher auf die wahren Absichten bemüht habe, die aus irgendwelchen Gründen vor mir verschleiert werden mussten, um mich für einen ganz anderen Zweck zu gewinnen. Will ich das dann nachträglich alles klären, benehme ich mich wie bei einem Polizeiverhör und degradiere mein Gegenüber als Straftäter. Wenn ich etwas nicht vertrage, dann die – mit Verlaub – Verarschung. Ich habe einen ganz starken Drang, das alles im Nachhinein aufzurollen und ins Licht der Wahrheit zu rücken. Mein anfängliches Gewitter müsste ich in mehreren Wiederholungsgesprächen klären können, aber dafür ist es immer zu spät und ich vergraule die Leute nur. Auf der anderen Seite bemerke ich nie auf die nonverbale Weise, wenn jemand grollig auf mich ist. Sagt man mir den Grund bin ich erst einmal verwirrt oder entgegne sofort etwas zu meiner Verteidigung. Verstehe ich den Grund aber überhaupt nicht, kann ich ja nur für mich selbst Schlüsse ziehen oder rätsle für mich selbst herum. Ich habe ein Problem mit indirekter Sprache und Symbolik. Ich glaube, dass Leute auch damit agieren und dann stehe ich völlig „auf dem Schlauch“. Damit kann ich gar nichts anfangen. Ich habe ein großes Verlangen nach direkter Kommunikation, sogar möglichst ohne Diplomatie und verzichte dann auch auf das ganze Einfühlungsvermögen.

    Also das mit dem Groll ist wirklich eine Herausforderung für mich. Dass das Thema hier angesprochen wird, finde ich prima.

  11. Ein interessantes Thema mit einer herausfordernden Frage am Ende, zu der ich gerne ein paar Gedanken beisteuere. „Geht es besser?“, kann ich für mich eindeutig mit „Ja!“ beantworten, wie immer liegt aber die Bewertung beim „User“, also kann ich hier nur sagen, es geht anders.
    Ohne auf die Ursachen des Grollens eingehen zu wollen (das wäre wohl eine eigene Abhandlung), steige ich bei dem „Ritual“ ein, wie Sie es im Beitrag aus meiner Sicht völlig richtig benennen. Hier überschneidet sich diese Alltagssituation mit den Voraussetzungen für Innovation. Unternehmen bilden ebenfalls oft Rituale (im Umgang mit Kunden und Mitarbeitern, in internen Prozessen, etc) aus, deren Umsetzung sie von der Beschreitung neuer Wege abhalten.
    Für mich war das Anlass, das bekannte Ritual (was ist los? – nix. – aber ich seh doch, das etwas los ist…) zu durchbrechen und die Verweigerung zur Mitteilung aufzubrechen, weil hier die „Bestrafung“ schon in der Verweigerung zur Mitteilung beginnt. Die Partnerin weiß, dass Sie sich um Klärung bemühen (Vorraussetzung für das Ritual) und versagt diese durch die Weigerung, den Klärungsgegenstand zu offenbaren (Durchführung des Rituals). Damit kann sie ihr eigenes „Leiden“ an Sie weitergeben, ohne viel tun zu müssen (nur still halten und weiter grollen (und zwar gerade nur so viel, dass Sie es bemerken); Sie beschreiben das an anderer Stelle unter „Narzissmus der höchsten Führungsebene“). Um nun auch konkret zu werden, hier die wichtigsten meiner erprobten Taktiken, um das Verweigern möglichst zu verkürzen (das ist an der Stelle die „Verbesserung“):
    a) Ernst nehmen: Wenn Du sagst, dass Du nichts hast, glaube ich Dir und werde nicht weiter nachfragen.“ Sobald dann wieder eine Situation auftritt, in welcher der Groll zu merken ist (d.h. das gezeigte (drollige) Verhalten vom üblichen (freundlichen) abweicht, darauf hinweisen und nachfragen, warum denn nun ein Unterschied zum sonst beziehungsfreundlichen Verhalten bestünde.
    b) Unter Zugzwang bringen: Ausgangssituation ist dieselbe. Auf das Verneinen eines vorliegenden Groll-Grundes kommt nun: „Jedes Mal, wenn Du Dich so verhältst, stellt sich nach einiger Zeit heraus, dass ich etwas getan oder gesagt habe, dass Du mir übel genommen hast. Ich geh mal davon aus, dass es sich wieder um so einen Fall handelt. Deshalb entschuldige ich mich hiermit in aller Form für alles was ich getan oder gesagt habe, dass Dich verletzt haben könnte.
    Hier wird einer pauschalen, unausgesprochenen Anschuldigung eine pauschale Entschuldigung gegenübergestellt, weshalb man dann bei der nächsten Groll-Situation genau das einwirft: „Bist Du jetzt etwa immer noch beleidigt? Ich hab mich doch entschuldigt, was willst Du mehr?“ Wichtig für mich ist dabei die weiterhin vorhandene Gesprächsbereitschaft. „Wenn ich natürlich wüsste, worum es konkret geht, könnte ich mich auch konkret dafür entschuldigen oder es erklären…“
    Zuletzt noch c) Gespräch über die Metaebene: „Ich weiß, dass Du grollst, weiß aber nicht warum. Du willst nicht darüber sprechen, was mich verletzt, denn Du gehst von der Annahme aus, dass ich Dir mit einer meiner Aussagen oder Taten gezielt Böses wollte (was unserer bisherigen Beziehung, die ja auf Zuneigung basiert, widerspräche). Wenn Du davon nämlich nicht ausgingst, müsstest Du mir schon sagen, was ich falsch gemacht habe (das wäre ein Zeichen Deiner Zuneigung), damit ich die Möglichkeit habe, mich zu verbessern (als Zeichen meiner Zuneigung).“
    Zumeist sind die hartnäckigen Grolligen im nähren Umfeld (dort haben die Rituale Zeit, sich einzuschleifen), daran habe ich beim Verfassen hauptsächlich gedacht, geht aber auch im Arbeitskontext.
    Üblicherweise führten bei mir alle der drei Methoden zu einem Gespräch innerhalb eines Tages (beim „Schatz“) bzw sehr kurzer Zeit (bei Mitarbeitern (und auch Chefs)). Im privaten Umfeld sind diese Gespräche auch durchwegs reinigend und beziehungsförderlich…
    Auf allfällige Erfahrungen wäre ich sehr gespannt (wie wohl ich Ihnen nicht den Groll Ihrer Umgebung wünsche ;-)…

      1. Ich denke, dass es beim Grollen immer um’s Verletzen geht (halte ich für passiv-aggressives Verhalten) mit dem Ziel ein schlechtes Gewissen hervorzurufen. Da spreche ich explizit aus, dass ich kein schlechtes Gewissen hätte, auch wenn die Situation nun so bis St. Nimmerlein andauert. Wenn ich also etwas anders machen solle, müsste man mir das schon sagen.
        Für den Extremfall: Was der Grollige unbedingt braucht, ist die Interaktion mit dem Objekt des Grolls (sonst kann der Groll ja nicht ausgedrückt werden). In extremen Fällen ziehe ich dann die Notbremse und mich selbst aus der Situation heraus, beschränke also den Kontakt so lange auf das Minimum (wenn’s geht, ganz abbrechen -> spazierengehen, aufgeschobene Arbeit erledigen, aber jedenfalls raus aus der Situation) bis ein klärendes Gespräch möglich ist. Das Gespräch ist dann zwar oft recht „gepfeffert“, aber Gewitter sind ja auch reinigend…
        P.S. Was ich mir auch immer nicht nehmen lasse, ist nach dem klärenden Gespräch (in dann wieder guter Stimmung) gleich einen „Maßnahmenplan“ für das nächste Mal zu vereinbaren. „Wenn wieder etwas ist, was Dich stört, was machst Du dann?“ Darauf lässt sich in der Folge gut referenzieren, weil beim nächsten Mal dann das „wir hatten doch vereinbart, dass… Wieso hältst Du Dich nicht dran?“, eine Umleitung des Schlechten-Gewissen-Machens bewirkt und das Grollen von vornherein zunehmend unattraktiv wird.

        1. Ich denke nicht das es beim Grollen immer darum geht zu verletzen.
          Wenn ich grolle und mir dann eine Reaktion meines Partners aussuchen duerfte, waer das a). Ich moechte ernst genommen werden. Ich moechte auch die Zeit bekommen, meinen inneren Groll soweit zu ueberwinden, dass ich wieder halbwegs sachlich reden kann. Wenn ich mich meinem Partner verschliesse, moechte ich nicht aufgebrochen werden. Das ist auch verletzend.
          Ich moechte nicht verletzen mit meinem Groll. Ich moechte Zeit haben fuer eine gewisse Selbsterkenntnis. Im Moment meines groessten, staerksten Grolls kann ich nicht gerecht sein. Darum moechte ich in diesen Momenten nicht reden.
          Sicherlich waere dann eine besser Antwort „Nicht jetzt!“. Aber so ist das in der Kommunikation man sagt etwas, meint aber etwas anderes. So ist der Groll ja auch oft entstandem und der Partner fuehlt sich voellig unschuldig… Was kann ich dafuer dass du mich misverstehst?… Vielleicht ist es dann auch ok wenn sich der Grollende in diesem Moment nicht klar ausdruecken kann?
          Ich kann nur dazu raten den Partner ernst zu nehmen, was ist die Beziehung sonst wert?

          Zum Schluss:
          Dieses Bild des reinigenden Gewitters kann ich gar nicht nachvollziehen. Regen reinigt. Blitz und Donner sind ziemlich zerstoererisch. Groll ist Nieselregen und ich will auf den Wolkenbruch warten, es aber nicht zu einem Gewitter kommen lassen. So passt es fuer mich.

Schreibe einen Kommentar zu Kai Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert