DD268: Stärken stärken, Schwächen schwächen – Leute, das reicht nicht! (Juni 2016)

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DD268: Stärken stärken, Schwächen schwächen – Leute, das reicht nicht! (Juni 2016)

„Sechs! Setzen!“ Wenn jemand ein schlechtes Zeugnis bekommt, stehen die Schwächen ja drin. Die müssen schnell weg, sonst gibt es Ehrenrunden, in der Wirtschaft einen Bankrott, im Handwerker einen Exodus der Kunden. Schwächen werden in Deutschland nicht gut verziehen und ganz und gar nicht gnädig übersehen. Wir hacken darauf herum… sind wir nicht alle ein bisschen Beckmesser? Auch wenn jemand unverkennbare Stärken hat, wird ungerührt mit „Ja, aber“ argumentiert.

 

Allerdings: Wenn jemand eine extreme Begabung hat, so erscheint diese derart wertvoll, dass man seine Schwächen in diesem einen Ausnahmefall dann doch verzeiht. Besonders Künstler dürfen Schwächen haben, vielleicht weil sie so viele zu haben scheinen, dass Schwächen wohl zum Künstler dazugehören könnten. Wer weiß?

 

Besonders große Unternehmen haben große Stärken – sonst wären sie ja keine großen Unternehmen. Sie leben von dieser Stärke seit langer Zeit und bemühen sich stetig und beharrlich, auf der anderen Seite Schwächen zu vermeiden oder zu verdecken.

 

Heute droht vielen Unternehmen die so genannte Digitalisierung, also ein Umbruch. Da zeigen diese Unternehmen Schwächen. „Weg damit!“, rufen wie immer die Mahner wie der „Merker“ Beckmesser in der Oper von Wagner. Dann antworten die Loyalen: „Nun lasst mal das viele Meckern sein. Wir wollen doch nicht alles schlecht machen. Wir sind seit jeher führend in der Welt. Wir alle hier sind pfauenstolz auf unsere Stärken, und ich lasse mir die von euch Schlechtrednern nicht miesmachen. Wir sind immer noch mit allen Problemen fertig geworden. Wir sind in der Krise stark, gerade dann und jetzt. Wir werden auch diesmal gestärkt aus einer kurzen schweren Zeit hervorgehen. Ich finde es absolut destruktiv, auf unserer Firma herumzuhacken, bloß weil wir in diesem Wandel nicht gleich Kopf und Kragen riskieren und uns eben sehr bedächtig anpassen und hauptsächlich abwarten, wie es weitergeht. Ich dulde es nicht, wenn diese absichtliche Behutsamkeit gleich als Verschlafen bezeichnet wird. Wir schlafen keineswegs, wir beobachten alles sehr scharf. Wir können nicht erkennen, dass die Newcomer substantiell dort stark sind, wo wir stark sind. Wir mögen Schwächen haben, aber sie haben keine Stärken.“

 

So reden sie am Problem vorbei, die Schwächenschwächer und die Stärkenstärker. Denn sie sind blind für die neuen Stärken, die nicht als „Fach in ihrem Zeugnis“ stehen. Dass Google eine Stärke „in Daten“ hat, ist lange nicht bemerkt worden. Dass Amazon eine Stärke in Logistik oder Cloud entwickelte, hat man nie würdigen wollen. Sie lachen doch alle so lange über Tesla oder Zalando! Sie lachen, weil sie keine Stärken im Neuen erkennen können. Sie sehen allerdings die vielen Schwächen im Neuen, denn das Neue ist oft dort schwach, wo sie stark sind.

 

Irgendwann hört das Lachen auf. Man erkennt in dem, was man lange hellwach beobachtet hat und als Schwäche klassifizierte, plötzlich Stärken. „Aha, Daten sind das Öl der Zukunft.“ Jetzt merken sie etwas, aber es ist falsch, vollkommen daneben. Richtig ist: „Daten sind das Öl der Gegenwart.“ Ach, Leute, in der Zukunft ist irgendetwas anderes eine Stärke, worüber dann Amazon und Google lachen.

 

Stellen Sie sich vor, Sie sind künstlerisch super, haben einen tollen Job – aber plötzlich sollen Sie Ingenieur sein! Oder umgekehrt. Stellen Sie sich vor, Sie sind Astronom und sollen Pilot werden, oder Sie sind Pilot und sollen Chirurg sein. Das wird hart. Sie müssen Ihre lange eingeübte Meisterschaft einfach vergessen und als Lehrling oder Newbie ganz neu anfangen. Alles von der Pike auf neu. Können Sie das überhaupt? Haben Sie im Neuen eine Begabung? Wahrscheinlich nicht. Können Sie neu anfangen – ohne Trauerblick zurück? Wohl kaum. Geht das, Riesenstärke auf einem neuen Gebiet zu erlangen, das einem fremd ist und auch von Fremden aufgezwungen wird? Die eigene Stärke haben Sie geliebt, Sie haben den Beruf wie eine Berufung gefühlt. Nun kommen die Teslas und Fintechs und wollen, dass Sie ein Star in einem ungeliebten Fach werden – in einem Fach, dass Sie fast hassen müssen, weil es das geliebte Alte tötet und Sie vom Meister zum blutigen Anfänger degradiert.

Nun geht es absolut nicht mehr darum, Ihre Stärken zu stärken, die sind nicht mehr gefragt. Es bringt nichts, an Ihren Schwächen zu arbeiten – oh nein, neue Stärken müssen her. Und wir Alten fühlen, dass wir nicht können, weil wir auch nicht mögen. Die Jungen wählen die neuen Stärken als Berufung und wir werden zu den neuen Stärken vom Gesetz des Marktdschungels gezwungen.

 

Wenn die alten Stärken nichts mehr zählen, sind wir nur noch schwach. Wir reden uns ein, wir müssten uns besser anpassen, und wir verstehen nicht, was diejenigen meinen, die von Neuerfindung reden. Neuerfindung? Das klingt zu marktschreierisch und sensationistisch. Neuerfindung? Da endet unsere Phantasie. „Verrückte Welt“, seufzen wir im Niedergang.

 

In dem Singspiel „Meistersinger von Nürnberg“ macht Beckmesser den Gesang des Ritters Walther von Stolzing nieder, der – ja wie soll man sagen – in heutiger Diktion mit einem neuen Genre oder Sound aufwartet, der alle bisherigen Vorstellungen vom Singen an sich sprengt. Nur Meister Hans Sachs kann im Neuen etwas Meisterliches erkennen:

 

Halt, Meister! Nicht so geeilt!

Nicht jeder eure Meinung teilt. –

Des Ritters Lied und Weise,

sie fand ich neu, doch nicht verwirrt:

verließ er unsre Gleise

schritt er doch fest und unbeirrt.

Wollt ihr nach Regeln messen,

was nicht nach eurer Regeln Lauf,

der eignen Spur vergessen,

sucht davon erst die Regeln auf!

 

Könnten wir nicht in dieser Weise das Neue einmal nicht „verwirrt“ finden? Und gleich über die neuen Regeln und Stärken des Neuen respektvoll nachsinnen? Ja, sollten wir. Wagners Spiel geht ja noch ganz gut aus. Man bricht ja nicht gleich mit aller Tradition, sondern heiratet in sie ein. Walther von Stolzing willigt ja dann doch noch ein, die traditionelle Meisterwürde anzunehmen und Schwiegersohn zu werden.

 

„Verachtet mir die Meister nicht, und ehrt mir ihre Kunst!“

 

Ein schönes Ende dieses Singspiels, aber ich fürchte, mit der Digitalisierung wird es ernster.

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27 Antworten

  1. Hallo Herr Dueck,

    …. wer kann es „Alten“ in Unternehmen schon so übel nehmen, dass „die“ sich Neuerungen feindlich gegenüber stellen und blockieren.
    Früher war alles besser – Mentalisten lebten in einer Zeit als man alt werden musste um Anerkennung und Prestige durch Erfahrung zu genießen.
    Heute sind viele Erfahrene mit Excel und Access überfordert und müssen sich von Digital Natives einarbeiten lassen.

      1. Wie sie von Excel und Access zu Blockchain kommen ist mir ein Rätsel. Aber gut :).

        Das einzige das sie wirklich brauchen die nächsten 2 Dekaden ist eine Solitaire Cloud ;).

        1. Weil die Blockchain eine verteilte Datenbank (https://de.wikipedia.org/wiki/Block_Chain) ist. Eine populäre Anwendung auf einer solchen Blockchain ist z.B. Bitcoin. Es ginge aber auch, Blockchains mit Zulassungsdaten für KFZ, Immatrikulationsverzeichnisse (z.B. MatrikelNr.843934 / Uni Heidelberg / im WS 2016 eingeschrieben=JA), Lagerbestände oder andere Datenarten vorzuhalten. Weil die Einträge in der Blockchain kryptographisch abgesichert sind, wären sie sogar revisionsfest. Jetzt übertragen sie das mal auf eine Firma.

      2. Dieter hat mit Blockchain absolut Recht.
        Tapscott sagt: “Blockchain represents nothing short of the second generation of the Internet.”.
        Ich habe auch unlängst den Ausdruck the „Internet of Records“ gehört, der den Nagel auf den Kopf trifft.
        Aber welche der Firmen (die massiv davon beeinflusst werden könnten) beschäftigt sich schon heute damit?

  2. Sehr geehrter Herr Dueck,

    Vielen Dank für Ihre Anregung. Ja, die Digitalisierung war disruptiv, sollte aber abgeschlossen sein, wie meine Tech-Freunde mir zuflüstern. Jetzt ist wohl künstliche Intelligenz dran.

    Als Fach, das nicht auf meinem Plan stand, hatte ich letzte Woche „Singen im Seminar“ und „Sauerteig herstellen – nur aus Wasser und Mehl“. Hat beides geklappt. War Beides aufregend. Bei Beidem war die wichtigste Zutat die Zeit. Ob das was bringt für die Zukunft? Für den Moment – das Einzige, was wir haben – war es essentiell.

    Kommen wir zurück in den Moment! Loht das? Was meinen Sie, Herr Dueck?

    Herzliche Grüße aus München,
    Eva Lutz

    1. Es ging mir um Arbeit und nötige Bildung dafür…wir können dann den eventuell gewonnenen Wohlstand wieder in eine 30 Stundenwoche hineinverhandeln, um wieder echte Baguettes zu backen, ja. Zeit haben hat nichts mit Digitalisierung zu tun. Wir haben eingewilligt, uns totzuarbeiten, weil wir die Weltverteilungsdelle (Chinesen dumpen unsere Löhne) unter voller Besitzstandswahrung im Geldsinne überstehen wollen. Wir machen alles, aber ohne Gehaltssenkung. Wir arbeiten also zum gleichen Lohn wie früher, aber mit 50% mehr Zeit. Man hätte auch die Zeit verteidigen können und dann eben ziemlich viele Nullrunden dafür bekommen. Das sind aber WIR, die das so wollen. Dass es irgendwo zwickt, wenn die anderen Völker auch Wohlstand wollen, ist ja klar. Wie man damit umgeht, ist einem selbst überlassen.

      1. 100%: Yes. Und für den einzelnen ziemlich hart (früher wie heute), wenn er nichts Nachgefragtes zum Tausch auf dem Arbeitsmarkt anbieten kann (Ware oder Dienstleistung).

        Und die Nachfrage ändert sich eben im Verlauf der Zeit und anscheinend immer schneller. Platzende Blasen inklusive.

        Ware und Dienstleistung wird heute eben immer „mehrwertiger“ und der einzelne Mensch immer „fremdversorgter“. Was dieses eine Prozent ausmacht was uns vom Affen unterscheidet… schon verrückt.

        Auch Bescheidenheit und Demut kann da mal helfen, aber die sehe ich nur bei einzelnen Menschen und nicht bei der Menschheit.

        Vielleicht schenkt mir mal einer hier Zuversicht 🙂

  3. Stärken stärken gilt in einer stabilen Welt. In einer Welt des Umbruches gilt es, möglichst viele Fähigkeiten und ein waches Auge bei Veränderungen zu haben.

    Die Natur löst dieses Problem mit einem Mix aus Spezialisierung und Biodiversität. Wären die Gene nur auf eine Niche optimiert, dann würde bei einem Wandel die Art einfach aussterben.

    Firmen haben die gleiche Option. Sie können sich für ein business Modell optimieren und ggf bei einem Wandel einfach Pleite gehen. Alternativ halten sie verschiedene Fähugkeiten und Prozesse vor und werden Meister darin, sich geänderten Bedingungen anzupassen.

    Menschen haben eine Kombination aus beiden Fähigkeiten erlernt. Die „Jugend“ hat die Aufgabe bisheriges in Frage zu stellen. Wie schon Kuhn sagte, setzen sich neue Erkenntnisse dadurch durch, daß die Vertreter der alten Meinung einfach aussterben.

    Die Adaption in der Unternehmenswelt könnte sein, daß eine Firma neben ihrem core business model einfach viele Varianten testet und bereit ist, ihr core business model ständing zu verändern.

    In einer digitalisierten Welt wird dies schwierig, den man entscheidet sich für ein Modell, daß man umsetzt. Dies wird langfristig zu mehr Firmenpleiten führen. Man nehme als Beispiel Uber vs Taxi, Buchhändler vs Amazon.

    Der versuch, start-ups zu kaufen und diese in die Firma zu integrieren, wird das Problem bei den Produkten aber nicht bei den Prozessen lösen.

    Ich denke, wir werden dann mehr Firmenpleiten sehen.

    Nicht Stärken und Schwächen sind das entscheidende Thema sondern Wandlungsfähigkeit.

    1. Wandlungsfähigkeit. Als Wort zu lang für die Kaffeetasse, aber Scherz beiseite. Innovationen kommen von außen in eine Firma, weil die Strukturen innerhalb praktisch keine zulassen. Wenn eine zugekaufte Innovation zwei Drittel der vorhandenen Prozesse im Betrieb überflüssig macht, werden dann die dadurch Betroffenen wandlungsfähig sein? Vom Mitarbeiter zum Arbeitslosen, der Wandlungsfähigkeit wegen? Wir als Gesellschaft, sind immer noch zu einseitig auf Industrie ausgerichtet. Was zwar bisher Beständigkeit brachte, aber auch langfristig Lähmung gegenüber Innovationen bedeutet.

      1. Schöner Gedanke.

        Diese Gesellschafts-/Menscheits-bestimmte Einbahnstrasse sehe ich auch. Und vor der darf man auch mal echte Angst haben. Lähmen sollte diese Angst aber bitte nicht. Und auch nicht reflexartig, unkontrolliert Unglück bringen.

        Weder den Alten, noch den Jungen.

        Ob ständige Taylorisierung und Individualisierung und BitCoins und „grenzenloses“ Wachstum bis zum Umfallen für die Menscheit der richtige Weg sind?

        Man darf das anzweifeln und hat hoffentlich irgendwie noch eine Wahl… hat man die?

        Na, lieber mit der Familie, dem Nachbarn und Kollegen gut auskommen, der Rest passiert uns?

        1. Besagte Einbahnstrasse haben wir ja selbst konstruiert, d.h. wir können das auch wieder ändern. Da bin ich ganz optimistisch.

  4. Ich arbeite wirklich hart an mir und versuche ein „guter“ Mensch zu werden. Ich sehe dazu auch keine Alternative, weil die Evolution beinhart ist und wir als Spezies auch mal schauen müssen, wie’s weiter geht. Es ist quasi mein Sinn des Lebens. Was soll denn aus meinen Kindern werden, wenn ich mich nicht verbessere? Die brauchen doch auch gute Gene und gute Erziehung.
    ABER: Das interessiert niemanden. Niemanden den ich kenne. Ich befürchte, dass die meisten Menschen dieses Thema nicht mal am Radar haben. Sie wachsen heran, studieren, finden einen Job und das war’s dann auch schon??? Ich erlebe das heute bei sehr vielen Studenten. Die sind ernsthaft der Meinung, dass sie nur ihre Prüfungen ablegen müssen und dann schon kompetent sind, nach dem Studium auch gar nichts mehr lernen müssen, weil sie ja schon den Titel haben. Netzwerken haben sie ja schon an der Uni gelernt und das sei immerhin das einzig wichtige heute.
    Dass fachliche (fachlich im weitesten Sinne) Mängel mit sozialen Mängeln kompensiert werden – wenn das Alphatierchen mal wieder im Meeting eine Mitarbeiterin zur Sau macht, weil die Laborergebnisse nicht passen, ist auch keine Seltenheit. Sehr sinnvoll… Und das soll dann professionell sein?
    Ich versuche mir das philosophisch schön zu reden, indem ich einfach von einem sehr harten Determinismus ausgehe und die Menschen es einfach nicht besser können/kennen. Der Mensch ist eben in seiner Adaption nur sehr sehr langsam, so etwas wie spürbare Evolution in subjektiv unendlicher Ferne. Ich möchte schon fast eine 3-Generationen-Regel aufstellen: Wenn ein Problem heute spürbar wird, wird es in 3 Generationen gelöst sein. Insofern sollte zumindest ich viel viel stoischer werden. kommt vielleicht auch mit dem Alter…

    1. Das kommt 🙂

      Meine Großmutter freut sich mit 92 jahren immer noch über jeden neuen Tag und unsere Diskussionen sind nicht Ihrs.

  5. Vielleicht ist es aber auch kein neues „Fach“, kein neues Thema, in dem wir stärker werden müssen, vielleicht war es schon immer da, nur war es bisher nicht wichtig und deshalb war die Schwäche, die wir in diesem Punkt hatten auch nicht ausschlaggebend. Aber jetzt ist es wichtiger geworden und man kann sich eben nicht mehr auf seinen Stärken ausruhen. Bisher war es z. B. in der IT eben wichtig, die Produkte, die Technik, die Bedienung zu kennen. Mit dem Kunden reden, musste ich nicht. Da hatte ich keine Probleme, wenn ich sprachlich nicht so fit war (aber das „Fach“ war schon da). Nur jetzt wird es eben wichtig und ohne Kommunikationsfähigkeiten wird es zukünftig nicht mehr gehen. Also nicht unbedingt „neu“ nur „anderer Schwerpunkt“.

    1. So wie ich das verstehe, geht es eher darum, dass viele Aufgaben auch einfach komplett weg fallen. Und zwar auch in der IT!
      So könnte die einfache Anwendungsentwickung in einem Jahrzehnt komplett weg fallen. Dann brauch man nur noch einen besseren BWLer, der die Prozesse definiert und einen schöngeistigen Designer für die Oberfläche. Der Rest wird von einem Programm zusammen geschraubt.
      Dann brauch man Ihre Programmierfertigkeiten und IT-Kenntnisse überhaupt nicht mehr. Und bei Prozessoptimierung und Design sind Programmierer eher komplette Nieten.

      Die einzige Stärke, die man dann braucht, ist die Wandlungsfähigkeit und der Wille nun auch etwas komplett anderes zu machen. Aber dazu ist weder unser heutiges Bildungswesen, noch die entsprechende Kultur bei den Menschen vorhanden.

      Allein an den Namen kann man es schon erahnen: Bildungsabschluss. Damit wird die Bildung also abgeschlossen! Ende der Bildung? Eigentlich müssen die Abschlüsse weg. Denn die Bildung darf in der Zukunft nie „abgeschlossen“ werden.

      Meine Zukunftsvision geht eher dahin, dass man überhaupt keine Abschlüsse mehr macht. Es werden nur noch Profile geschärft und geändert. Die Arbeitslosigkeit wird ganz abgeschafft. Wer seine Stelle verliert, der wird automatisch Student, bis er sein Profil so geändert hat, dass wieder eine Arbeit findet. Es gibt nur noch zwei Bildungsinstitute: Schule und Universität. Die Schule geht bis zum 18. Lebensjahr und dann wird man so lange Student, bis man eine Stelle findet. Was man studiert ist egal. Da kann man quer Beet auswählen, was man für nützlich erachtet.

  6. In der Literatur ignoriert Deutschland angestrengt internationale Entwicklungen, hat eine miese Rate an Uebersetzungen in andere Sprachen, floriert aber trotzdem, DAAD und Goetheinstitute sorgen dafuer. Wenn man sich selbst von allem entkoppelt vorstellt, kann man alles ignorieren und merkt nicht, ob man stark oder schwach ist. Im Inland funktionierts.

    Auf der andern Seite merkt man besonders in der Provinz Defizite zu aktuellen wissenschaftlichen Diskurse (science and technology studies etc), ganz nonchalant wird fuer unverstaendlich erklaert und unannehmbar, waehrend gleichzeitig jede Provinz sich als Innovationsregion deklariert. Wie macht man das? Es scheint wie bei der Literatur nach innen zu funktionieren.

    Es fehlt beidem die Bewusstwerdung.

    Dasselbe aber passiert mittlerweile auch innerhalb der science and technolofy studies – es wimmelt an Isomorphismen und es fehlt Innovation.

    Wenn immanente Kritik ignoriert wird und auf das Absterben von Generationen gewartet werden muss, fehlt es an Faehigkeiten (capabilities). Aus Sicht der science and technology studies ist Kuhn laengst ueberholt, selbst Bruno Latour ist nicht mehr Avantgarde. Wie kommt Neues? Jedenfalls nicht banal geeicht an Staerken und Schwaechen. Das sind Absolutheiten und gehoeren Denken an, das auf Stabilitaet setzt. Der Diskurs ist geradezu amtlich. Bringt aber ueberhaupt nichts. Eine Untersuchung zu Nobelpreistraegern ergab, dass diese solche Fragen voellig ignoriert haben und gegenueber allem Absoluten skeptisch sind. Der Ansatz hier passt vielleicht noch fuer Ingenieure usw.

  7. Ist …
    https://www.wko.at/Content.Node/iv/Die-Digitalisierung-bringt-s-.html

    Ist die Idee wie hier skizziert so in etwa der Tenor auch in Deutschland. Digitalisierung verstehe ich zwar breiter.

    Erlaube mir auf einen Artikel zu verlinken der ein wenig mehr Einblick gibt, gut ist etwas IT lastig.

    http://bivaluenomics.blogspot.co.at/2016/04/enhance-your-competitiveness-with.html

    Jobs haben sich schon immer geändert. Der Verweis auf die Zeiten von Access und Excel stimmt. Wir treten in der Anwendung in eine Phase der Urbarmachung. Denke das Thema fällt eher unter das ’sich antun‘ als tun oder ’sich schwer tun’in absteigender Reihenfolge. Das Umfeld ist die Change für geschickte Burschen und Dirndln. Die neuen Technologien und damit verbunden Applikationen schauen mich nicht so an als würden sie in einem Stadium sich befinden in dem sich applizierende im Kontext einer Spezialisierung muss begreifen. Die Reise dauert 20 Jahre.

    Also wie im Thread bemerkt, dass Digitalisierung durch wäre. Das würde ich so mal nicht unterschreiben aus Sicht der Applizierung. Es ist zumindest mal klar was man bekommt.

    Es handelt sich bestimmt nicht um eine Änderung des Berufsbild, was eher ist die Abkehr von der Idee des Berufsbilds an sich. Die Idee des Bildes ist eher sozialistisch – das sind so Ideale.

    Ich kann mir aber schwer vorstellen, dass die Umsetzung im Betrieb stattfindet. Bei einer Produktionsanlage ist die Sache eher klar. Viel unklarer ist im Business Umfeld, wenn die Phase der ersten Erkenntnis vorbei ist und die Begehrlichkeiten beginnen sich zu individualisieren.

    Im BI war es ähnlich. Zuerst fangt die Datensammlung im Access an, mit den ersten Erfolgen kommt der Guster und mit dem Guster entsteht der Prototyp von dem jeder froh ist, dass er ihn weiterreichen kann wie die heiße Kartoffel. Dann erfolgt in der Regel die finale Implementierung und um das wird man nicht umhinkommen. Neue Welten sind immer hemdsärmlig. Jetzt stellt die Frage, scheut der applizierende Betrieb die Hemdsärmeln. Zum Allerwertesten hintragen kann keiner irgendwem diese Entwicklung. Das haben vermutlich schon alle verstanden.

  8. Ein Philosoph der „neuen“ Generation! Jetzt muss es nur noch auch in die „alten“ Köpfe rein. Ich bin gespannt, wie lange die Großen sich vor der Entwicklung noch verstecken mögen?

  9. Wo liegt das Problem? Oder besser: Was ist neu daran? Seit man uns von den Bäumen gelockt hat, besteht die menschliche Geschichte aus stückweise kontinuierlichen (und punktweise diskontinuierlichen) Veränderungen. Und jede dieser beiden Veränderung benötigt jeweils ein eigenes, charakteristisches Changemanagement und einen entsprechenden Führungsstil. Und so scheitern in der Regel die Helden der (quantitativen) kontinuierlichen Entwicklung, wenn neue Erkenntnisse eine (qualitative) sprunghafte Veränderung ermöglichen. Welches Establishment hat jemals „die Jugend von heute“ und „Wo soll das noch hinführen“ (von „Digitalisierung“ ganz zu schweigen) verstanden? Aber auch die Helden der sprunghaften Veränderungen scheitern in der Regel, wenn sich an den Sprung wieder das nächste Stück Kontinuität anschließt. Das Abenteuer ist vorbei, die Luft ist raus, das Geschäft übernehmen die, die schon mit Ärmelschonern das Licht der Welt erblickt haben. „Universalhelden“ scheint es nun mal keine zu geben und auch prinzipiell nicht geben zu können. Also gibt es kein wirkliches Problem, nur die bedauerliche Tatsache, dass sich die jeweiligen Vertreter der beiden oben beschriebenen Heldentypen, für die einzig wahren Helden halten. In der Tat, eine echte Herausforderung an das Bildungssystem, den die Gesellschft braucht grundsätzlich eine ausreichende Anzahl von beiden.

    1. Ja!

      Und den Engländern auf dem Lande hilft doch erst mal stupides „Stärken stärken“ und „Schwächen schwächen“, wetten? (so wie fast allen Menschen, denn alles andere ist destruktiv oder eben fast unmenschlich, wenn auch nicht unmöglich, aber die nicht vorhersagbare Ausnahme, innovativer Zufall, den man natürlich auf unterschiedlichste Art und Weise den Boden bereiten kann)!

      Zumindest mal ein Ansatz, der nur Verbesserung vom Zeitpunkt X und Ort Y aus anstrebt, selbst wenn „die Alten“ dem ’nicht mehr‘ folgen können oder wollen und manchmal schrecklich „stoischen“ Widerstand gegen „das Neue“ leisten.

      Oft ist auch das nur menschlich und nicht alle Menschen sind gleich, bzw. alle sind anders und ein demokratischer Konsens schwer und ständig torpediert durch das Establishment und deren Lobbys.

  10. Wagners alte Stärken in der alten Opern-Branche werden von den neuen Starken der neuen Film-Branche übrigens immer noch als Stärke betrachtet.
    Z.B. sagte Hans Zimmer in einem Interview zum Gladiator Soundtrack: “Yeah, I get a lot of shit about this Wagner thing, […] I just wanted to see if I could do that kind of music. I wanted to be Little Richard Wagner. (https://synchrotones.wordpress.com/2013/05/01/interview-with-hans-zimmer/)

    Jetzt einmal rein hypothetisch: Würde ein Richard Wagner heutzutage die Aufträge eines Hans Zimmer überhaupt anstreben wollen? Wagner würde vielleicht sagen: »Was? Eine digitale Tonabmischung für eine Leinwand… und für zu Hause alleine gucken? Wie lächerlich! Auch wenn es Dolby Surround IMAX 3D Ultra irgendwas Gedöns auf 70 Zoll in XXL-K ist. Das ist doch niemals eine Stärke gegenüber einem Live-Orchester und einer Bühne. Den Bedarf will ich als Unternehmen gar nicht decken«

    Hans Zimmer hätte dann argumentiert: »Ich verstehe dich im Herzen. Du siehst das aber falsch. Sei doch froh, dass du immer noch nach Großartigkeit streben könntest. Früher wollten die Leute hauptsächlich deine Musik erleben und der Besuch war ein gesellschaftliches Ereignis. Aber heutzutage genießen sie Filmmusik sogar zuhause auf ihren schrottigen mono Flat-Screen-Boxen. Die wollen einfach nur die Geschichte erleben und wir Komponisten sorgen (nur noch) für eine Subtilität, das richtige Feeling, das Eintauchen und Mitreißen in der Geschichte. Es ist aber trotzdem noch der gleiche tolle Job. Großartig bleibt großartig.«

    Wenn nun ein Tesla, Google oder Apple Mobilitätsfunktionen in Hardware bauen, werden diese Unternehmen doch ebenfalls die Stärken eines BMWs (sind wohl momentan die Stärksten) sehen, denn da sind zunächst keine Schwächen in Bezug auf das Bauen eines Autos, zumindest im aktuellen Wettbewerb und so, wie man heutzutage eben ein Auto versteht.

    Nehmen wir einmal an, Wagner (im Sinne eines Automobilisten) weigert sich, für Filme zu arbeiten, und setzt viel lieber weiterhin auf die Oper – bzw. setzt weiterhin auf das Auto, statt auf die Mobilitätsfunktion. (Stichwort Zetsche: Ein Mercedes wird immer ein Lenkrad haben.) Dann werden die neuen Autos doch immer noch großartig werden. Das Problem ist doch nur, dass dann vielleicht nicht mehr so viele Leute Autos wollen, wenn sie doch die Mobilitätsfunktionen, ganz ohne gesellschaftliches Ereignis, haben können.
    Niemand wird davon ausgehen, dass einer, der in Musikkomposition stark ist, den Film besser erfinden kann. Das liegt daran, dass er das Bewegtbild immer als Anhängsel der Musik sehen wird. Also wie sollen unsere Automobilisten, unsere Wagners, jemals mit den IT-Konzernen mithalten können?
    Andererseits kann man die großartige Mobilitätsfunktion auch nie ohne großartige Hardware realisieren, wie man auch keinen großartigen Film ohne großartigen Soundtrack realisieren kann.

    Das Problem der Automobilisten ist nicht, dass ihre Stärke (großartige Autos zu bauen) in Zukunft keine mehr ist und nicht mehr gefragt ist. Das Problem liegt aus meiner Sicht in dem vom Markt getriebenen Effizienzwahn, der zur Methodengläubigkeit und Bürokratie geführt hat, woran sie nun zu ersticken drohen. Das kann man aber lösen. Für die Dienstleistungsbranche (wie Banken und Versicherungen) sehe ich allerdings keine Zukunft. Das war noch nie für den Kunden großartig, sondern nur für die Anbieter selbst großartig.

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