DD269: „Es kostet etwas, mir eine Mail zu schicken!“ (Juli 2016)

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DD269: „Es kostet etwas, mir eine Mail zu schicken!“ (Juli 2016)

Da ich auf vielen Veranstaltungen erscheine, werde ich regelmäßig in immer neue Newsletterverteiler aufgenommen. Ich hasse es! Ich melde mich also geduldig ab. „Wollen Sie sich wirklich abmelden?“ – „Bist du sicher, dass du das tun willst?“ – „Bestätigen Sie Ihre Löschung – dazu nehmen wir Ihre Daten nochmals genau auf, Ihre Abmeldung ist aber ganz kostenlos, wenn Sie einen triftigen Grund beibringen.“ – „Bewerten Sie diesen Newsletter – wählen Sie Note ‚ausgezeichnet‘, wenn Sie mit der Aussendefrequenz zufrieden sind. Kreuzen Sie bitte ‚mangelhaft‘ an, wenn wir Ihnen mehr schicken sollen.“

 

Das hört sich wie eine Satire an, aber bei der gerade laufenden Sparkassenbefragung soll ich als ersten Punkt den Grad der … Selbstorientierung (?) beurteilen – ich zitiere wörtlich:

 

Die Eigeninitiative, d.h. inwieweit die Mitarbeiter(innen) von sich aus mit Angeboten auf Sie zukommen

 

Ich will sagen: Viele versuchen, unsere Aufmerksamkeit in Beschlag zu nehmen und für ihre Zwecke zu nutzen. Es ist üblich geworden, für das Newsletter-Ertragen Extra-Belohnungen anzubieten, also ein paar Payback-Punkte oder einen Hundert-Euro-Gutschein beim Kauf eines sofort verfügbaren Halden-Luxusautos zum Listenpreis. Sie locken uns mit allen Mitteln!

 

Ich finde, wir sollten das selbst in die Hand nehmen. Nix mehr mit Hervorlocken! Wir schrecken sie einfach ab. Ich möchte … „Hallo Google?“ Ach, geht so nicht. Noch ein Versuch. „Ok Google? Ich möchte in meiner Mailbox einstellen können, dass Mails an mich bezahlt werden müssen.“ – „Google?“ Noch nichts.

Wie wäre das? Wir könnten zum Beispiel beschließen, dass jeder mit jeder verschickten Mail einen Cent Gebühr mitschickt. Wenn ich dann zehn Mails am Tag verschicke, kostet es mich zehn Cent. Für die hereinkommenden Mails bekomme ich viel mehr Cents, weil ich ja mit Werbung zugedröhnt werde. Die großen Newsletterversender sind in einem solchen Modell mit hohen Kosten konfrontiert und überlegen sich jetzt wohl das ganz hemmungslose Versenden. Die Spam-Versender, die uns täglich betrügen wollen oder infizierte Anhänge schicken, müssen jetzt Geld mitschicken – das Spam-Gewerbe kann aufgeben.

 

Ich denke, es sollte technisch möglich sein, bei den Versender-Adressen jeweils individuell festzulegen, wie viel Geld sie mir zahlen sollen. Freunde und normalen Mailverkehr stelle ich kostenfrei, die Newsletter schraube ich gebührlich bis ungebührlich hoch. Ich könnte ja bestimmte Mails (von meinen Kindern) auch „liken“, dann bekommen sie von mir einen Cent zurück, Enkel mehr.

 

Dazu brauchen wir auch eine Enterprise-Edition: In allen Unternehmen wird ja geklagt, dass viele Leute immer die ganze Firma auf Kopie setzen oder bei ihren Mails grundsätzlich die Option „Antwort an alle“ wählen. Solche Spammer würden dann hohe Gebühren auf ihrer Kostenstelle ansammeln und folglich ein ernstes Gespräch mit ihrem Vorgesetzten einfangen. Es wird geklagt, dass Vorgesetzte ihren Mitarbeitern am Wochenende oder am Abend Mails schicken. Das könnten man sehr hoch auf der Preisliste ansetzen… Vor den Unternehmensnewslettern würde sich die Kommunikationsabteilung nun wirklich einmal überlegen, was sie schreibt! Ach, es hat nur Vorteile!

 

Tolle Idee von mir, oder? Ich muss noch einmal kurz über den Missbrauch nachdenken. Stellen Sie sich vor, ein Schummel-Software-Ingenieur in einer Automobilfirma möchte eine Mail an den CEO schreiben: „Wir schummeln und schaufeln uns damit gerade ein Massengrab.“ Na, es könnte im neuen Modell gut sein, dass er diese Mail nicht schickt, weil er sonst seinen Mail-Cent-Etat überzieht. Das wäre dann eine Erklärung, warum die da oben nie wirklich wissen, was in der Firma abgeht.

 

Es könnte nun auch Trickbetrüger geben, die eine Mail dieser Art versenden: „Ich habe Geburtstag und würde mich über Gratulationen sehr freuen, aber ich glaube, mich mag niemand. Deshalb verrate ich niemandem, dass ich Geburtstag habe. Ich bin so traurig, und das schreibe ich nur dir allein, damit nur du weißt, dass ich weine.“ Dann kommen viele Mails zurück und ein Riesenprofit! Der Trick ist, nur einer Person zu mailen! Bitte nicht allen, weil sich ja dann die gegenseitigen Kosten aufheben!

 

Mist, ich habe jetzt dann doch Nachteile gefunden. Da kommen die zwanghaften Deutschen sofort wieder mit „das ist nicht sicher“ und sie lassen mich Vorträge halten – mit dem Titel „Mailgebühr – Fluch oder Segen?“ oder „Mailgebühr – Chance oder Risiko?“ Sie mäkeln und wehren ab. Ich verzweifle. Noch ein letzter Vortrag: „Müllgebühr – Vertrauen oder Missbrauch?“ Ich erwähne, dass hier im Kreis einige Tausend Haushalte niemals (!!) die Restmülltonne raustellen, immer nur die anderen beiden Tonnen, die beide kostenlos geleert werden. Sie zucken mit den Achseln. Aber bei meiner Mailregelung wollen sie ganz sicher sein, dass sie nicht missbraucht werden kann. Hilft mir denn keiner?

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23 Antworten

  1. Wenn eine Mailgebühr eingeführt würde, dann erhielte sicher nicht der Empfänger das Geld, sondern der Vermittler (siehe Post). Dafür wäre der Vermittler in der Pflicht, Spam ordentlich zu filtern. Es würde also auf eine Art Redaktion hinauslaufen, die die Mails vorsortiert. Ich bin nicht bereit, mich auf eine Redaktion zu verlassen, die ich bezahlen könnte. Andererseits machen Fachreferenten und Sekretärinnen genau dies für ihre Vorgesetzten – diesen Schutz gibt es also schon, er ist nur teuer.

    Ich stimme zu, dass zur zur Reduktion von Spam und anderen unaufgeforderten Mails Sanktionen gefunden werden müssen. Da der individuelle Schaden jedoch sehr gering ist, werden diese Sanktionen (z.B. eine Mailgebühr) in der Realität kaum durchzusetzen sein.

    Hier nun mein Vorschlag: Sie schreiben richtigerweise, dass es um die Gewinnung von Aufmerksamkeit geht. Die Sanktion müsste so funktionieren, dass die Aufmerksamkeit für den Absender, sagen wir, auf die Dauer von sechs Monaten gesperrt wird. Ich halte es so mit Werbung, die ich richtig schlecht finde. Ich kaufe dann halt für einen gewissen Zeitraum keine Produkte dieses Unternehmens mehr.

    Für mich läuft es also darauf hinaus, dass der Empfänger der Mails als individuell mündiger Bürger verhält. Zunächst ist man dafür verantwortlich, seine Mails so abzurufen (Zeitraum und Häufigkeit), dass man in seiner Aufmerksamkeit für die wichtigen Aufgaben möglichst wenig gestört wird, d.h man ruft einmal morgens zu Beginn der Arbeit, dann vor oder nach dem Mittagessen und am Nachmittag nochmal seine Mails ab – in etwa so, wie man den Postkasten vor dem Haus leert. Wichtige und dringende Dinge werden dann wieder per Anruf erledigt, schriftliche Mitteilungen müssen warten.

    Man gibt also möglichst wenig von seiner Aufmerksamkeit ab und verweigert diese anschließend. Dann braucht es keine Mailgebühr mehr.

    Ps. professionelle Spammer wird man damit kaum erwischen, aber deren Verhalten ist auch „kriminell“

    Pps. Habe ich den abschließenden Vergleich richtig verstanden, dass Ihre Nachbarn ihren Restmüll in die Papier- und die Biotonne entsorgen?

    1. Als Nerd gefällt mir die hashcash stamp technisch natürlich sehr. Für den reinen Privatgebrauch prima. Wie sieht das aber rechtlich im geschäftlichen Umfeld aus? Der Server hat die mail ja bereits angenommen (anvertraute Nachricht), wenn die jetzt nicht 100 Prozent als SPAM identifiziert wurde, müsste sie doch zwingend archiviert werden? Wer haftet bei Verlust, Fehllöschung usw. (Mitarbeiter/Admin/Chef)?

  2. Früher hat man Briefe versandt, die Porto gekostet haben. Das war eine automatische Beschränkung. Ich habe eine Auswahl getroffen und mich auf 10 wichtige Newsletter beschränkt, das ist außerordentlich erholsam und ich habe trotzdem nicht das Gefühl uninformiert zu sein. Kann ich nur empfehlen.

  3. Mail lasse ich mir mit Filterregeln im Mailclient immer erst vorsortieren. Wichtige Schreiben von Bekannten gehen so nicht in der schieren Menge verloren und Newsletter von Firma XY landen im Ordner Fa. XY und werden auch nicht gelesen,bestenfalls später mal „überflogen“ kurz bevor der Ordner gelöscht wird. Spam mit gefälschten Absender melde ich an spoof@tatsächlicheFirmaDomain und wirklich wichtige Sachen kommen eh mit digitaler Signatur und/oder verschlüsselt. Anhänge und Links werden natürlich nicht selbsttätig ausgeführt, für mails reicht plain text. So what?

  4. Die Briefmarke für E-Mail ist längst überfällig. Verbunden mit einer effektiven Verschlüsselung von Daten und Verschleierung der Metadaten sollte sich dadurch sogar ein Business Case für E-Mail-Provider stricken lassen. *Sponsor gesucht*

  5. Daten sind das Öl der 21JH. Unsere Daten müssen halt etwas kosten. Ob man jetzt Geld für eine mail oder für die Zustimmung der Speicherung seiner Daten bekommt, ist eigentlich egal.

    Erste Ideen aus dem silicon valley sprechen schon von einem Bedingungslosen Grundeinkommen wenn im Gegenzug die Bezahlpflicht für die Daten entfällt.

    Man könnte jetzt den e-mail Empfänger für das Lesen der Spams zusätzlich zahlen. Warum nicht 10ct für das sorgfältige Lesen bekommen?

  6. Vielleicht sollte man in der Tat nicht die Mail selbst bezahlen, sondern die Sichtbarkeit. D.h. man definiert eine Hauptinbox für bekannte, Geschäftsfreunde, was immer. Und andere Mail muss sich ‚hochkaufen‘ und ggf. legt man halt selbst das Preislimit ggf auch je nach Absendedomain (oder ähnlicher ID) fest.
    Vorteil: Das System könnte in der ta auf sowas wie Gmail aufsetzen und müsste nicht generell sondern nur beim Empfänger aufgestetzt werden.

  7. Geile Satire über den typisch deutschen Ansatz, die Freiheit des Internet dadurch kaputt zu machen, dass alles geregelt, verbeamtet, einer zentralen Kontrolle unterstellt wird, die dann die Zahlungen gegen die effektiv versandten mails prüft. Ich hab mich köstlich amüsiert, Herr Schäuble … sorry Dueck!

  8. Anfragen per eMail leiten bei mir auf eine Standart Antwort um: Please use modern communication channels and convince me with your digital transformation approach… I will reward it with a personal contact – promise! //… es wird zu viel geredet, zu wenig getan … meine 2cent

  9. Meine hotmail geistert irgendwo in Südamerika herum. Was ich für emails zeitweise bekomme … :). Ich versehe kein Spanisch oder Portugiesisch und übersetzen will ich die Mails gar nicht.

    Sie klagen auf hohem Niveau. Eines stimmt. Dieses aktive Beglücken des Kunden aka. als Fechten bekannt im Österreichischen ist tatsächlich eine Unsitte. Es wird ein simple Reaktion geben und dann werden wieder viele Leute Investitionen abschreiben.

    Vor 5 Jahren habe ich mein Telefon zum POTS degradiert, es liegt wo einst mein Telefon stand und das war weit weg. Kombiniert mit Konsumverweigerung und Medienabstinenz – wirkt besser als jeder lange Urlaub und das in 2 Tagen.

  10. Erinnere ich mich nicht dunkel daran, dass mal vor gut einem Jahr bis 2 ein gewisser Herr Dueck über mangelnde Fanpost klagte. So schnell werden Träume wahr, ob man dann schweißgebadet aufsteht früh des Morgens …

  11. Freie Mails gehören zum „freien“ Internet.

    Auf Mails Gebühren zu erheben, würde großen Unternhmen in die Hände spielen, da sich kleinere Firmen dies nicht mehr leisten könnten.

    Die Gebühren dem Empfänger gutzuschrieben würde das Mißbrauchproblem verlagern: die Spammer würden nicht mehr Emails sammeln, sondern in aller Welt verteilen. Ich könnte als Webunternehmen also erst recht keinen Newsletter mehr verschicken können, ohne dabei jede Menge „Betrüger“ mitzufinanzieren.

    Zudem wäre da in der Tat das Sichheitsprobem: Sie könnten sich darauf gefasst machen, das kriminelle Energie darauf verwendet wird, Rechner zu kapern und Emails zu versenden.
    Soll ich nun beim Versenden jeder Mail eine Tan generieren, wie es beim Online-Banking bei Überweisungen der Fall ist? Am Ende verschwenden Sie dann Ihre Zeit damit, anstatt Newsletter abzubestellen.

    Mit legalen Newslettern sollte man eigentlich kein Problem haben, wenn man nicht mit seiner Email-Adresse um sich wirft.

    Wenn Sie einen Kontakt schaffen möchten – lassen Sie sich Email-Adressen geben, anstatt Ihre herauszugeben.

  12. Was ist das denn? Wild Dueck kritisiert per Satire den gewaltigsten Fortschritt der Digitalisierung: das zu mehr als 2/3 aus Werbeeinnahmen finanziert Internet? Die paar hundert Mails jeden Tag sind ein Beitrag zum Fortschritt.

    Man sollte eher eine Gebühr beim Empfänger für nicht gelesene Werbemails einführen. Schließlich haben wir alle dafür an der Supermarktkasse bezahlt.

  13. Die Idee ist prima! Tatsächlich lässt sich das Konzept sogar jenseits der Satire umsetzen. Allerdings nicht mit einer Cent Gebühr für alle Empfänger, sondern mit einem erheblichen „Straf-Porto“ in Einzelfällen.

    Jeder illegale deutsche Newsletter, der mich beglückt, beglücke ich mit Post von meinem Anwalt. Das Spam Krokodil macht’s möglich. 😉

  14. Bei mir funktioniert die Kombination aus dem Gmail Spamfilter und dem http://throttlehq.com sehr gut.
    Ersterer filtert alle unbestellten Spam-Nachrichten raus und mit zweiterem lagere ich die gewünschten aber nicht dringlichen Newsletter aus meiner Inbox aus.

  15. Und bei t3n dann direkt unter dem Artikel die riesige rote Newsletterbox. Das ist Realsatire 😀

    Ganz ehrlich – eine nette Idee. Die auch nach dem perfekten Geldwäscheinstrument klingt.

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