DD300: Kollektive Intelligenz der Maschinen, Roboter und Plattformen (September 2017)

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Die meisten Fehler passieren mir mit der Kaffeemaschine am Morgen, wenn ich noch nicht richtig wach bin. Ich stelle die Maschine ohne Kaffeepulver an oder ohne Wasser. Schlimm ist es, sie anzustellen, aber keine Kanne drunterzustellen. Ich merke erst nichts, weil ja der Kaffee nur aus dem Filter herausläuft, wenn die Kanne richtig platziert ist, aber dann läuft alles oben über und fließt langsam braun auf die Arbeitsplatte und verteilt sich dann in die Schubladen darunter. Währenddessen lese ich Zeitung und freue mich schon. Worauf? Keinen Kaffee. Ich muss alle Essbestecke aus der obersten Schublade abwaschen und die Mocca-Nudeln weiter unten sind schon halb gar.

Wenn Roboter richtig programmiert sind, passiert denen das nicht! Sie machen keine dummen Fehler, weil sie nie müde sind. Sie begehen denselben Fehler auch nicht zweimal. Nach jedem Fehler werden sie upgedatet, dann ist Schluss. Natürlich kommt es dann nach dem Update oft zu neuen Fehlern, na gut, noch ein Update, aber irgendwann funktionieren sie dann doch vollkommen gut. Erinnern Sie sich an die Geldautomaten, die lange Zeit etwas kränklich waren? Auch das Bezahlen mit Geldscheinen beim Parken können die Maschinen mit der Zeit besser und akzeptieren Scheine in jeder Richtung.

Menschen kann man auch gut ausbilden, aber jeden einzeln. Maschinen aber werden alle gleichzeitig upgedatet. Als der Tesla einmal einen weißen LKW für bedeckten Himmel hielt, wurde die Software verbessert. Nun verwechselt nie mehr ein Tesla LKWs mit Wolken. Das meine ich mit der kollektiven Intelligenz der Maschinen. Wenn einer der Teslas einen Fehler macht, lernen alle sofort, diesen zu vermeiden. Alle Tesla zusammen machen sehr schnell alle möglichen Erfahrungen und Fehler durch. Daher lernen sie viiiiiel schneller mit der Fehlerausmerzung als Menschen. Sie lernen gemeinsam. Vielleicht können sie sich demnächst auch unterhalten und gemeinsam von vorneherein beschließen, diese und jene Fehler zu vermeiden. Das ist jetzt sehr idealistisch gesehen, weil so etwas ja den Charakter eines Meetings bekommt und dann wohl auch Maschinen von Schwarmdummheit befallen werden könnten.

Es gibt jetzt Startups mit Rechtsberatung und Hilfe. Wenn Ihnen zum Beispiel ein Flug ärgerlich ausfiel oder arg verspätet war, können Sie Schadenersatz verlangen. Aber wie? Sie wollen keine grauen Haare mit Rechtsanwälten bekommen. Jetzt gibt es Unternehmen im Netz, bei denen Sie einfach Ihre Flugnummer und das Datum eingeben. Da weiß der Computer schon lange Bescheid, was mit Ihrem Flug los war, er weiß, ob Ihnen etwas zusteht und was genau. Klick! Der Computer im Netz bietet an, Ihre Entschädigung gegen 30 Prozent Service-Charge einzutreiben. Klick, Sie bekommen das Geld jetzt sofort.

Wenn Sie dagegen zum Anwalt gehen würden, müsste der sich schlau machen, sich über Ihren Flug erkundigen etc. Das ergäbe eine schöne Wirtschaft! Lieber nicht, oder? Die Plattform, die über alle Kundenbeschwerden Bescheid weiß, hat das kollektive Wissen in sich und ist den promovierten Prädikatsjuristen turmhoch überlegen. Es gibt entsprechend Plattformen, wo Sie ihre Blitzerknöllchen eingeben und im Netz anfragen, ob sich ein Widerspruch lohnt. Diese Plattform kennt sich dann aus, ob die Richter in Ihrem Bezirk nett sind, ob der Blitzer, der Sie erwischt hat, glücklicherweise nicht geeicht ist (was man in einem anderen Prozess festgestellt hat) oder ob an dieser Stelle schon andere Klagen mit Einsprüchen erfolgreich waren. Das weiß die Plattform, weil sie eben Kenntnisse über alle Rechtsfälle hat. Wenn Sie also dort anfragen, profitieren Sie von den Erfahrungen Ihrer Vorsünder und Sie tragen mit Ihrem Fall vielleicht zu noch mehr Wissen bei.

Klar? Weiter: Gerade entstehen neue Plattformen, bei denen man sich erkundigen kann, ob man Wuchermieten zahlt. Kein Gang mehr zum Anwalt! Die Plattform hat womöglich in Ihrem Hochhaus schon ein paar Fälle erfolgreich gelöst! Zusätzliche Fälle laufen nicht mehr auf einen endlosee Prozess hinaus, sie kosten nur noch ein Fingerschnippen.

Fazit: Man kann kollektiv gleichartige Lebensprobleme in einem Abwasch lösen.

Wir sind nicht mehr allein, die Plattform verbindet uns, wir wehren uns quasi gemeinsam. Wir schimpfen dann nicht nur in Blogs oder per Shitstorm, wir bekommen gemeinsam unser gutes Recht. Unsere Peiniger können nicht mehr darauf setzen, dass wir wegen ein paar hundert Euro nicht wagen, in den Prozesskrieg zu ziehen. Die Plattformen könnten mehr Gerechtigkeit erzielen oder im Allgemeinen der Gemeinschaft helfen. Die guten Plattformen jedenfalls. Es wird auch kollektiv intelligente Borgs geben.

 

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8 Antworten

  1. „Die guten Plattformen jedenfalls“ genau das ist der Knackpunkt. Woran erkenne ich, ob eine Plattform gut ist und es auch bleibt? Im Unternehmen kann sich ja einiges ändern, z.B. ein Börsengang verschiebt mitunter den Focus vom Kundennutzen zum shareholdervalue.

  2. Der Multiplikatoreneffekt, den Sie darstellen, klingt verführerisch und überzeugend. Und die Beispiele funktionieren alle so wunderbar, zumindest auf Powerpoint. Aber was, wenn die Entscheidungen des Systems auf falschen Informationen beruhen? Was, wenn nicht Lebenserfahrung und Pragma, sondern Ideologie und Dogma die algorithmischen Regeln schreiben, nach ganz bestimmten Vorstellungen darüber, wie die Welt zu sein hat? Oder was, wenn die kosmische Strahlung einen Chip trifft und aus einem Nein-Schalter einen Ja-Schalter macht und millionenfach die falsche Entscheidung getroffen ist? Die IT kann ja auch ein wunderbarer Multiplikator von Inkompetenz sein, heute mehr denn je. Was passiert, wenn sich ein einziger Fehler binnen kurzer Zeit millionenfach wiederholt? Wer übernimmt Verantwortung bei Fehlern? Sind Algorithmen nicht ähnlich wie Behörden große Maschinen zur Verantwortungsverwässerung? Der Entwickler schiebt den Fehler auf den Systemarchitekten, und der auf den Projektleiter, und der auf den Boss, und der auf den Kunden, und so weiter bis alle in Rente sind? Sollen wir das Verantwortungsprinzip nicht gleich abschaffen, weil es sowieso so viele unserer Mitmenschen nervt, für irgendetwas gerade stehen zu müssen?

    Ihre Beispiele stammen zumeist aus dem Verbraucherschutz. Doch wer schützt mich als Verbraucher, wenn eine Plattform von einem anderen Kontinent, die vielleicht später von einer halbseidenen Firma auf einem dritten Kontinent gekauft wird, die Daten millionenfach missbraucht oder sie zur Fernsteuerung der Massen nutzt (siehe Pokemon Go)? Gibt es dann irgendwann eine Plattformverklageplattform? Sollten Algorithmen auch auf einer Anklagebank sitzen dürfen?

    Und wie ist es damit, dass eine solche Zentralisierung auch die öffentliche und private Überwachung plötzlich erheblich einfacher und verlockender macht? Oje, ich mag mir gar nicht vorstellen, was alles im (natürlich rein hypothetischen) Fall passieren könnte, dass im Stammland vieler großer Internetplattformen (und des Internets selbst) eine, unngghhh, rechtspopulistische Regierung an die Macht kommen könnte… Oder stellen Sie sich nur in Europa vor, „Er ist wieder da“ und hat nun Zugriff auf alle Datenbanken…

    Und wie ist es mit der wirtschaftlichen Monopolisierung? Wenn nur noch ein einziges Team weltweit für das Fahrverhalten von Autos zuständig ist und nur einen Eigentümer hat, haben wir dann nicht die Weltherrschaft in einzelnen Lebensbereichen erreicht? Eine privatisierte Weltherrschaft, wie sie die Bösewichte in den James-Bond-Filmen anstreben? Ein Markt nach dem anderen, der als freier Markt erlischt, und auf dem dann der Monopolist oder dominante Player die Preise macht und abkassiert (und zum Schein vielleicht noch ein paar „Konkurrenten“ unter künstlicher Beatmung halten, wie einst Microsoft das mit dem moribunden Apple machte, wenn man das Kartellrecht nicht komplett abschaffen will)? Und ich kann die dann nicht mal verklagen, weil die Anwälte wegen der automatischen Klageplattformen alle verhungert sind…

    Und wozu braucht man noch Menschen, wenn ihr Verhalten in allen Bereichen standardisiert und die Vielfalt nach und nach weltweiten Geschäftsmodellen unterworfen ist, die sich bis in die letzten Schlafzimmerwinkel hinein quetschen, als lustige, bunte Assistentensoftware getarnt? Warum ersetzt man die Menschen nicht gleich durch Algorithmen? Die experimentelle Natur des Lebens ist damit dann ja endlich abgeschafft. Die Vielfalt ebenso. Die Freiheit sowieso.

    Ach, papperlapapp, alles angstgetriebene Befürchtungen rückwärtsgewandter, technikfeindlicher Analogiker 😉 Alles wird gut. In 10 Sekunden. 9. 8. 7…

    1. Ihre Bedenken sind gelebte Praxis. Uns in Europa hat eigentlich allein Microsoft das ‚Unwesen‘ aus unserer Sicht vom Leib gehalten.

      ‚Die IT kann ja auch ein wunderbarer Multiplikator von Inkompetenz sein, heute mehr denn je.‘
      Als Informatiker freut mich das ‚kann‘. Wohl aber die Praxis hat uns gelehrt – ‚ist‘ und das schon seit ewigen Zeiten.

      Die New Economy hat sich bisher bewährt. Neuer Markt, 2008 … schauen wir mal was nächstes Mal kommt.

      Sie können ein Monopol durchaus begrenzen ohne Konkurrenz zu bemühen.

      Ich gebe ihnen 2 Beispiele zu Monopolen aus einer anderen Sicht:
      watch?v=jj04Dqsc_VU
      watch?v=Wk75T7jWDw0

      Der Drawback für den Verbraucher ist, dass er in Zukunft einerseits den Konsumentenkredit ohne Umverteilung selbst muss verantworten und am Arbeitsplatz in einem Monopol arbeitet (tut er heute auch schon, Unternehmen ist immer ein Monopolist in der Konsumgesellschaft – der Markt ist möglw. kein Monopol) .

      Für mich ist die Frage eher, ob durch die mangelnde Umverteilung nicht die Enteignungtendenz der Mietmodelle zuviel Schaden wird angerichtet aus Sicht des Sesshaften vs. dem Mobilen.

  3. Ach Herr Dueck,

    Software mit Mechanismen der künstliche Intelligenz sind immer nur so intelligent wie ihre Programmierer. Dabei ist es völlig egal, ob Algorithmen – Old School – mit fixen Parametern implementiert werden oder diese Parameter in einem „Learning Center“ durch „Training“ ermittelt werden. Die Auswertung des Trainingsstoffes und der Trainingsstoff selbst sind von Menschen ausgewählt. Diese Auswahl begrenzt die so trainierten Algorithmen. Zu einer Abstraktion sind Programme nicht fähig. Da hilft auch Fuzzy-Logic nicht und kein Neuronales-Netz.

    Schade, schade. KI-Programme können sehr hilfreiche Software sein, z.B. bei sehr unübersichtlichen Rahmenbedingungen wie Millionen Varianten in der Fertigungsindustrie.

    Intelligenz als Eigenschaft, mit Unbekanntem umgehen zu können, ist dem Lebendigen vorbehalten. Der Traum, endlich Schöpfer eines intelligenten „Wesens“ zu sein, wird sich wohl nicht erfüllen.

    1. Oje, wenn meine Software nur so schlau wäre wie ich, dann hätt‘ ich aber ein Problem 😉
      Nene – ich programmier den Rechner doch genau deshalb, damit er die Dinge macht, für die ich zu blöd (oder zu faul) bin!
      Ihre Argumentation ist übrigens als „Lady Lovelace’s Objection“ bekannt und stammt aus dem Jahr 1843. Alan Turing hat Ihr 1950 in seinem Artikel „Computing Machinery and Intelligence“ widersprochen. Wir (IT-ler) führen diese Diskussion also schon eine Weile (und wir werden es weiter tun :-).

  4. Hahaha 😉

    Bei den Plattformen gibt es gut wie schlecht, inhaltlich und konzeptionell. KI gehört reglementiert, sonst droht der Kontrollverlust im Großen, der beim Menschen ja schon höchst zerstörerisch ist trotz individual-steuerung – „ist er wieder da?“

  5. Ich bin intensiver Nutzer zweier Internet Foren. Eines privat, eines beruflich. Was ich dort gelernt habe, hätte ich selbst mit jahrelangem Studium nicht hin bekommen.

  6. Insgesamt kann ich dem ja zustimmen. Ich bin trotzdem enttäuscht und entsetzt! Der ewige Tekkie (oder zumindest Early-Adopter) setzt morgens eine Kaffeemaschine mit veraltetem Filter-System ein!
    Da hätte ich ja innovativeres erwartet. Schon bei einer einfachen Senseo (mehr als 10 Jahre alte Erfindung) läuft so einfach nichts mehr über.

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