DD318: Antwortet skandierend: „Loser Talk! Lo-ser Talk!“ (Mai 2018)

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„Wir stehen vor Herausforderungen!“, rufen die da oben laut motivierend, wo sie doch meistens spüren, schon knietief in der Gülle zu waten. Das Wort Problem verwendet der gebildete Mensch für sich selbst nicht. Probleme haben eventuell die ganz unten unter uns, und es sind natürlich von ihnen schuldhaft selbstgemachte Probleme. „Kommen Sie mir nicht mit Problemen, zeigen Sie sofort effektive Lösungen auf, die ich locker abnicken kann, ohne Geld locker zu machen!“ Manager aber, die Mist gemacht haben, sehen neudeutsch nur eine Challenge vor sich. Der einzige Fall, in der etwas nicht nur eine Herausforderung ist, scheint mir im Wort Dieselproblematik zu stecken, dann steht aber die Gülle schon bis zum Hals.

Ich habe so oft von Top-Managern diesen Satz gehört: „Wir müssen jetzt ganz einfach nur unsere Hausaufgaben machen.“ Hey, Leute, was passiert mit Schülern, die ihre Hausaufgaben nicht machen? Dürfen die dem Lehrer erklären, sie stünden vor einer Herausforderung? Manager reden sich eben mit genau dieser Formulierung heraus, indem sie sich mit schneidiger Haltung vollverantwortlich erklären, die Hausaufgeben zu machen! Der Schüler aber, das wissen wir, drückt sich nur. Das tun Manager nicht. Sie stehen zu der Pflicht, die Herausforderung anzunehmen, die Hausaufgaben zu machen. Sie bejahen diese Pflicht. Aber sie machen dann die Hausaufgaben doch nicht… Und alle wissen es. Es nervt entsetzlich.

Insbesondere leiden wir heute unten den Herausforderungen der Digitalisierung, die lange ignoriert wurden („Neuland“). Jetzt greinen sie:

  • „Deutschland hat kaum Glasfasern!“
  • „Daten sind wie Erdöl, leider ist Deutschland ein rohstoffarmes Land.“
  • „Amazon gefährdet neuerdings den Einzelhandel.“
  • „Die Jungen bekommen wohl gar keine Rente mehr, wir selbst werden nur altersarm, da müssen uns die Jungen aber bald kräftig unterstützen.“
  • „Unsere Infrastrukturen sind marode, wir brauchen Laptops mit SSD-Speicher! Die Festplatten der alten Laptops gehen beim Fahren durch Schlaglöcher kaputt!“
  • „Es kommt stets entscheidend auf den Menschen an, Face-to-Face ist so wichtig, keine Telefonberatung bitte! Nur in der Firma selbst müssen wir natürlich sparen und haben nur Calls.“
  • „Was sollen wir denn mit den vielen Menschen machen, die wegroboterisiert werden? Mir selbst ist schon angst und bange. Ich soll lebenslang lernen – das sagen sie mir ganz rüde ins Gesicht. Alle müssten das, außer Lehrer und Professoren vielleicht, die ihr besetztes Gebiet verteidigen.“
  • „Damit Lehrer Apps benutzen können, braucht es doch Milliarden an Mitteln für Weiterbildung außerhalb der Ferienzeit! Wie sonst kommen sie auf den Stand von Fünfjährigen?“

So redet niemand, der in seinem Fach gut und auf der Höhe der Zeit ist. Es ist Loser Talk.

Quelle: Pixabay

Die junge Generation, die ich oft in Veranstaltungen treffe, ist es herzlich leid. Das Lachen über die Digitalisierung ist in die Jahre gekommen, leiser geworden und bald vergangen. Nun wird es mit Aussitzen probiert, indem man über die angeblich ganz neuen Herausforderungen „eine deutliche Sprache“ spricht und sie langsam anzunehmen bereit ist. Die CEOs wollen aber kein bloßes Gerede. Sie fürchten, dass man ihnen selbst die Herausforderung als Chefsache aufschwatzt, was sie ja ist. Sie brüllen nach unten: „Kommen Sie mit Lösungen!“ Die bestehen darin, einen Chief Digital Officer zu ernennen, so als eine Art — mir fällt aus der Bibel ein: „Du nimmst hinweg alle Probleme der Welt, erbarme dich unser.“ Dieses Vorzeigetheater durch Sündenbockaufstellung nervt noch mehr. [Ich habe die Billigmethode, mit Vice-President-Ernennungen auf Probleme zu werfen, in meinen Büchern „Vipisierung“ genannt; man ordnet einer Herausforderung eine voll verantwortliche Person zu, fertig.]

Es nervt! Es ist alles Loser-Talk. Schreien Sie alle mit: „Lo-ser Talk! Lo-ser Talk!“ So wie Trump: „Lock her up! “

„Sie kochen da drüben auch nur mit Wasser.“ – „Loser Talk!“ – „Das wird nichts, und wenn doch, holen wir schnell auf.“ – „Loser Talk!“ – „Es liegt in unserer DNA, in jeder Krise stärker zu werden, weil dann auch sinnlosen Befehlen aus Not sofort gehorcht wird. Das haben wir schon so oft erlebt.“ – „Loser Talk!“ – „Okay, wir sind down. Man muss aber nur einmal öfter aufstehen als hinfallen.“ – „Loser Talk!“ – „Die Massenentlassung hat viel Geld gekostet, aber es ist handelte sich nur um eine Einmalausgabe, eine one-time-charge, die wir aus dem Periodenergebnis herausrechnen können. Wir haben nach dieser Bereinigung einen sehr ordentlichen Gewinn erzielt. Wir stehen dazu, stets Boni an diejenigen zu zahlen, die noch da sind.“

„LO-SER TALK!“

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22 Antworten

  1. Sehr geehrter Herr Professor Dück.

    Sie haben ja, leider, so recht. Das gab es allerdings schon immer, wenn Änderungen im Schwange waren oder es nicht so lief wie geplant. (BWLer planen ja noch lieber und fruchtloser als früher in der DDR).
    Was Sie heute Loser-Talk nennen, kenne ich schon seit 25 Jahren Management als Bull Shit Bingo. Worthülsen, Ich war es nicht und ähnliches nur um sich nicht ändern zu müssen.
    Auf gut hessisch: Da können Sie auch einem tumben Ochsen ins Horn petzen.

    Rufen Sie weiter! Und sagen Sie Bescheid, falls Sie mal jemand hört.

    Beste Grüße.

    Heye Christiansen

  2. Danke! Loser Talk ist letztlich nur verdecktes jammern, Verantwortung wegdelegierwn, Opferhaltung … usw. statt mutigem Handeln. Aber wo ist Dreh? Wenn wir es beklagen, dann sollten wir aber auch Veränderung in diese typisch deutsche mutlose Kultur tragen, um uns nicht einzureihen. Ich suche genau diese Menschen, die sich trauen.

    1. Es trauen sich doch immer weniger auf allen Ebenen, nicht nur die Manager. Teil des Managerjobs ist es ja auch, spitzhaariges (Wilbert’s Manager) Schuldzuweisungsziel zu sein.

      Wenn immer mehr Menschen mehr Angst haben, trauen sich immer weniger…

      Ich suche noch nach einem alltagstauglichen Mutmacher. Oder nach ausreichend Angst, damit ausreichend viele den eigenen (!) Arsch bewegen. Die Klimaherausforderung (sic) ist derzeit noch zu abstrakt. Und Trump zu satirisch.

  3. Absolut treffend!
    Weitere Beispiele: Trinkwasser-Mangel – Die letzten Quellen und Wasserrechte werden durch Lebensmittel-Multis aufgekauft (Nestlé & Co) anstelle durch die Volksvertreter (Politik) der Länder
    Klimawandel und Global-Warming – Unsere Generation [aus Blickwinkel Pensionäre] wird davon verschont bleiben. Nochmals Glück gehabt! Die nächste Generation wird’s schon richtig machen.

  4. Absolut zutreffend!
    Es gibt aus dem Mittelstand auch sehr positive Beispiele, Manager, die anpacken, die Dinge voran bringen, und dabei viel erreichen. Das macht Mut.
    Auch eine Reihe nicht mehr so ganz Junge, die aktiv dabei sind, Veränderungen zu gestalten.

  5. Tut mir leid, ich kann in dem Artikel genauso wenig Substanz und Konsistenz finden wie auch in seinen immergleichen Vorträgen. In denen finden sich zwar ab und zu ein paar interessante Brocken, aber insgesamt sind sie doch ziemlich fahrig und unstrukturiert. Ein Phänomen des nackten Kaisers, glaube ich. Er erzählt zwar recht blumig und anekdotisch, leider auch recht selbstgefällig, aber hat doch relativ wenig zu sagen.

    1. Kurz nur zu den „immergleichen Vorträgen“: Ich habe die Videos nicht selbst ins Netz gesetzt, das machen die Firmen, die mich engagierten, um noch Nachwerbung zu bekommen. Diese Firmen wollen zB zZ, dass ich „dasselbe vortrage wie dort und dort in einem Video“. Dann sind natürlich viele Videos sehr ähnlich. Sie müssen sich ja auch nicht alle 100 anschauen. Wenn Sie einen – sagen wir Sopran engagieren, können Sie auch nicht bemängeln, dass immer Königin der Nacht gesungen wird.

      1. Oh, Sie haben den Beitrag ja doch noch veröffentlicht. Ich finde Ihre wenig strukturierte Vortragsweise trotz einiger interessanter Rosinen mittendrin zwar nach wie vor schwierig, halte meine Kritik aber, insbesondere in der Schärfe mittlerweile für unnötig. Also, tun Sie weiter, was Ihnen und offenbar auch anderen gefällt – es muss ja nicht jedem 100%ig gefallen.

    2. Da könnte ich Ihnen ein paar gute Bücher empfehlen und zwars nicht von Gunther.
      Bleiben Sie aber dabei, das nichts sein kann, was nicht sein darf.

      Sachliche Argumente gegen Sarkasmus, genau da sollt ihr sie suchen. Kopfschütteln

  6. Der Loser-Talk ist häufig anzutreffen. Aber nicht nur im „Management oder bei der „älteren Generation“ sondern bei allen, die keine Argumente mehr haben. Was bei Ideologien ganz schnell der Fall sein kann.

    Na ja, was die Digitalisierung angeht, lieber WildDueck, sind Sie ja eher Partei. Vielleicht sollten Sie die Rede von Jaron Lanier anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in 10/2017 (noch einmal?) lesen. Oooops, sorry „Buchhandel“!

    Dennoch zur Erinnerung: „Digital“ kommt wie auch „Digit“ von „digitus“, Latein für Finger. Warum wohl?

  7. Das ganze Gerede von „keine Probleme, nur Herausforderungen“ löst beim Publikum eher Schweigen aus. Also lernen alle: weiter so, man bekommt wenigstens keine Schläge.
    Denn davor haben doch alle Angst: Verantwortung tragen, „Schuld“ bekommen.

    Sagen Sie mal vor einer Runde „Sorry, ich sehe das Problem, leider sehr spät. Ich habe noch keine Lösung. Ich arbeite dran. Ich bitte um Geduld.“
    DA kommt als Reaktion:“Loser! Meine Güte, wie unfähig! Und sie gibt den Fehler sogar zu!“

    Also: lieber hinter Worthülsen verstecken.

    1. Ja, alle haben Angst vor Verantwortung und damit Schuld zu bekommen. Verständlich. Diese Angst wird nämlich durch das System der Konzerne begründet und liegt nicht in der Persönlichkeit der Mitarbeiter. Ich wüsste mal gern, was passiert, wenn man folgende Möglichkeit bieten würde:

      Statt 2000,- Netto bekommt man 1500,- Grundgehalt für ein Projekt seiner Wahl mit voller Eigenverantwortung. Bei Erfolg auf dem Markt kann man 3000,- oder mehr verdienen. In diesem Projekt seiner Wahl könnte man wirklich mal all die Dinge besser machen, die der eigenen Meinung nach im System falsch liefen. (Interne Kommunikation, Kundenbedürfnisse erfüllen, Produkte oder deren Gestaltung verbessern etc). Auf jeden Fall wäre man frei von Erlaubnis oder anderen Entscheidungsträgern.

      Ich bin ziemlich sicher, daß sehr viele Mitarbeiter erleichtert die Option 1500,- Grundgehalt mit Erfolgszahlung wählen würden. Viele würden gerne Verantwortung übernehmen, Leistung bringen, ihre Ideen voller Tatendrang umsetzen und dafür in Kauf nehmen, daß sie bei Misserfolg weniger bekommen als zuvor. Vorraussetzung: Der Erfolg wird nur durch den Markt bestimmt, nicht durch den Chef (ohne Schuldzuweisung oder Strafe). Wie viele Leute halten es in Konzernen nicht mehr aus und machen sich mit vollem Risiko selbstständig – und das nicht wegen der Arbeit an sich, sondern wegen der Bedingungen!!

      Wie schnell wir echte Innovationen am Start hätten! Damit könnten sich auch die Besserwisser und Selbstdarsteller endlich austesten und nach dem Scheitern vielleicht auch mehr Bescheidenheit an den Tag legen.

      Wie wohl sich wohl die Atmosphäre und Arbeitskultur des Konzerns mit den verbliebenen Mitarbeiter mit 2000,- Netto entwckeln würde? Keine Ahnung.

      Aber Mitarbeitern zu erzählen, wie ignorant, faul oder blind sie (alle/ grösstenteils) wären, ist Quatsch. Vielleicht kann man damit den größten Rebellen Mut machen, andere mit ihrem Reformwillen mitzuziehen, aber das geht doch auch wieder relativ schnell unter, wird ausgebremst oder kostet Rebellen im Verhältnis von Aufwand und Nutzen zuviel Energie, die dann bei der Umsetzung der Innovation fehlt.

      Entweder man tauscht die derzeitigen Führungskräfte komplett aus oder verändert die Bedingungen der Systeme. Ich kann verstehen, wenn Mitarbeiter sich der Gruppendynamik anpassen und aufgeben.

  8. Ich hätte da eine kleine „Korrektur“, was Ihre Aussage zum Thema jedoch nicht abschwächt, sondern, im Gegenteil, m.E. noch krasser darlegt. Der Satz aus der Bibel kommt aus einem der Grundgebete der katholischen Christen, dem Agnus Dei. Der da heißt im Original: „Du nimmst hinweg die Sünden dieser Welt… – gib uns Deinen Frieden….“

    1. Na Ja, ich denke, ein wissenschaftlich geschulter Schreiber sollte schon die Regel beherzigen, das kein Zitat besser ist als ein falsches. Insofern vielen Dank für die Klarstellung.

  9. Was erwarten Sie denn bitte von Mitt-50ziger Diplom-Managern, die 20 Jahre erfolgreich die selbe Schiene fahren? Risikobereitschaft oder Kenntnisse im eigenen Fachgebiet?

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