DD326: Schulfach-Mikado – was fällt weg? (September 2018)

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Wir reden nun schon einige Jahre lang über Arbeit 4.0, den Menschen 4.0, über New Work und neue Bildung. Es passiert nichts. Das Mikado-Spiel fiel mir dazu ein. Wer etwas vom System wegnimmt, bringt ziemlich viel zum Einsturz. Da will niemand einen Finger rühren. Insbesondere möchte man keinen Mikadostab aus der Mitte herausziehen, das war noch nie gut. So etwas ist für Ministerialbeamte ganz undenkbar, natürlich auch für so ziemlich alle anderen auch (die aber rein gar nichts ändern können und sich das „radikale Denken“ zum Schmuck leisten).

Es wird ja immer gefordert – und das ist komplett „easy“: Informatik, das Programmieren oder die Medienkunde sollten Schulfach werden. Nicht einmal hier gibt es irgendeine Einigkeit im engeren Kreis. Da aber die Schüler heute schon über 30 Wochenstunden Schulunterricht haben und dann ja noch Hausaufgaben machen sollen, sind sie jetzt schon in einem Maße belastet, bei dem im Unternehmen die Polizei und das Gewerbeaufsichtsamt kämen. Wer also ein neues Fach fordert, muss doch einmal verraten können, was denn gestrichen werden soll.

Quelle: Pixabay

„Latein!“, sagen viele. Ich fand damals ein halbes Jahr „mittelhochdeutsch“ sehr befremdlich. Aus heutiger Sicht: Gutes Schreiben von Mails würde geholfen haben. Ich habe in der letzten Woche bei einer Bildungsveranstaltung eingeworfen, dass Fächer wie Erdkunde neu gesehen werden könnten, weil die Kinder viele Länder schon im Urlaub gesehen hätten. Biologie kann heute auf YouTube für alles zurückgreifen, Stoffsammlungen für Erörterungen gelingen spielend und gedankensparend beim Surfen. Sofort erscheint bei Twitter: „Dueck will Erdkunde weghaben!“ und dann ein Mini-Shitstorm des Inhaltes, dass Erdkunde entscheidend wichtig für die Entwicklung des Menschen sei und ich ein Trottel. Ich hatte aber noch weiter angemahnt, dass Medizin, Kommunikation, Jura, Wirtschaft und Psychologie gar nicht in der Schule vorkämen – was machen wir damit? Warum reden alle vom Programmieren, wenn wir doch im Kommunikationssumpf leben, sich psychische Beschwerden und Krankheiten epidemisch ausbreiten und viele in Armut geraten, weil sie nicht richtig wirtschaften? Warum lernen wir Integralrechnung und Vektorprodukte, die nur für physikartige Studiengänge je später gebraucht werden? Warum nicht Statistik, die wir im Berufsleben dann allesamt nicht beherrschen und deshalb schlecht entscheiden?

Wie wäre es, wir denken einmal GANZ neu darüber nach, was Bildung ist? Das müssen wir wohl langsam, weil sich die Welt verändert. Aber dann schreit jeder Fachlehrer, dass er am wichtigsten ist. Heute „unterdrückte“ Fachlehrer werden die Diskussion dafür nutzen, die Rückkehr zu schönen Künsten und zur reinen Bildung zu fordern, andere warnen davor, das Digitale allzu ernst zu nehmen und fürchten sich vor der digitalen Demenz, der viele Politiker schon twitternd verfallen scheinen. Und Sport (ganz klar!) muss natürlich gefördert werden, weil unter den Menschen der Bewegungsmangel grassiert. Dazu kommt: „Ich bin Lehrer für Latein und Religion. Wenn das alles wegfällt? Was wird aus mir?“ – Das wird in der „freien Wirtschaft“ mit „lern gefälligst ein  anderes Fach“ beantwortet – jetzt werden ja sogar Handwerker von der Straße geholt und in ein paar Wochen zum Lehrer umgeschult, aber Beamte werden da wohl geschont werden müssen. Sie dienen per definitionem dem Staate, das heißt, man kann ihnen nichts tun.

Wenn man sich so in die ärgerlichen Feinheiten hineindenkt, Stab für Stab beim Mikado, dann wird einem bange. Es könnte ja zuerst eine Art neues Bildungsideal geben, was als Richtlinie dienen könnte. Können wir uns dazu aufraffen? Wie hat es Deutschland eigentlich geschafft, das derzeitige System zu definieren? Wie konnte es geschehen, dass vor 50 Jahren beschlossen wurde, dass zig Unis gebaut wurden? Dass die Abiturquote von 7 auf >50 Prozent steigen sollte?

Geht heute nichts? Ich denke wehmütig an Wilhelm von Humboldt. Ich ärgere Sie einmal mit den Anfangsmonaten unseres heutigen Systems, Zitat aus der Wikipedia:

„Als Humboldt am 15. Dezember 1808 mit der Berufung in das Amt konfrontiert war, zögerte er, es anzunehmen, zumal nachdem der Freiherr vom Stein auf Druck Napoleons als Staatsminister am 25. November entlassen worden war. Nun zeichnete sich ab, dass Humboldt nicht als Minister und damit nur dem König verantwortlich, sondern als Sektionschef unter Innenminister Friedrich zu Dohna-Schlobitten tätig werden sollte. Er mag gefürchtet haben, dass ihm angesichts der Bedeutung der Aufgabe nicht genügend freie Hand bliebe zur Neuordnung des Unterrichtswesens. Das Berufungsschreiben auf den neuen Posten ließ Humboldt im Januar 1809 zwei Wochen liegen, lehnte dann halbherzig ab und bat den König, seinen diplomatischen Dienst in Rom fortsetzen zu dürfen. Das aber wurde ihm verwehrt; am 20. Februar wurde er zum Geheimen Staatsrat und Direktor der Sektion für Kultus und Unterricht im Ministerium des Inneren ernannt. Nachdem er sich schließlich in die Umstände gefügt hatte, setzte Humboldt in seiner Amtsführung in Königsberg eine erstaunliche Dynamik frei und reformierte, unterstützt von seinen Mitarbeitern Nicolovius, Süvern und Uhden, sowohl temporeich wie umsichtig Lehrpläne, Lehrerausbildung und Prüfungswesen an Elementar- und Volksschulen, Gymnasien und im universitären Bereich, obwohl er das öffentliche Schulwesen aus eigener Erfahrung weder als Schüler noch als Lehrer kennengelernt hatte.“

Zitatende. Sie haben es registriert? Ernennung am 20. Februar 1809. Aber nicht als Minister, sondern tiefer, so wie Dorothee Bär etwas fürs Internet tun soll, ohne ein Ministeramt wie zuvor Alexander Dobrindt auszuüben, damit sie trotzdem ähnlich erfolgreich sein kann.

Zitat aus der Wikipedia, weiter aus dem gleichen Artikel:

„Den Vorsatz, seine Stellung im Staatsrat aufwerten zu lassen, um unabhängig und gleichberechtigt unter Kabinettskollegen wirken zu können, hatte Humboldt zu keiner Zeit aufgegeben und sich Hoffnungen gemacht, den König von den Vorstellungen des Freiherrn vom Stein überzeugen zu können. Als er erkannte, dass er damit nicht durchdringen würde, reichte er nach gut einjähriger Tätigkeit im Amt am 29. April 1810 sein Rücktrittsgesuch ein.“

Stark, oder? Nach einem einzigen Jahr Arbeit so viel Wirkung? Da trauere ich ein bisschen, weil wir uns die Welt heute viel zu kompliziert machen, indem wir uns in wichtigen Fragen heillos zerstreiten, was wir aus den Ideen der Demokratie und des Föderalismus heraus nötig finden. Dabei geht es bei der Demokratie darum, gut zu entscheiden, aber nicht Jahrzehnte lang dafür zu brauchen.

Ich fürchte, dass nichts geschieht. Wenn Deutschland in den üblichen Ranglisten weiter zurückfällt, übernehmen wir dann kritiklos das System aus Finnland oder so. So wird es in der Industrie gemacht, wenn die „Best Practise“-Berater kommen und sich mit maßstabsgetreuem Abkupfern goldene Nasen verdienen. Na gut, dann Finnland.

 

 

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22 Antworten

  1. DD: „Wer etwas vom System wegnimmt, bringt ziemlich viel zum Einsturz.“
    PE: Richtig: Besitzstandsdenken!
    DD: „Latein!“, sagen viele.
    PE: Was sonst?
    PE: Fast nichts ist so konservativ wie die sog. Volksbildung, s. Hesse „unterm Rad“
    PE: Dass Schüler vom wichtigsten Teil unserer Gesellschaft: Handel und Gewerbe, nichts oder fast nichts mitbekommen, ist politisch gewollt und muss deshalb konkret: durch Anbietung von Praktika (wie ich es tue), und politisch überwunden werden.
    PE: Keine Software befördert uns von A nach B oder produziert irgendetwas. Deshalb Betriebsbesichtigungen, auch damit sich unsere Jugendlichen besser orientieren können!
    DD: Warum lernen wir Integralrechnung und Vektorprodukte, die nur für physikartige Studiengänge je später gebraucht werden? Warum nicht Statistik, die wir im Berufsleben dann allesamt nicht beherrschen und deshalb schlecht entscheiden?
    PE: Beides!
    PE: Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles Gelernte vergessen hat, soll Max von Laue definiert haben.
    DD: Es könnte ja zuerst eine Art neues Bildungsideal geben, was als Richtlinie dienen könnte.
    PE: Und welches?
    DD: Wie hat es Deutschland eigentlich geschafft, das derzeitige System zu definieren? Wie konnte es geschehen, dass vor 50 Jahren beschlossen wurde, dass zig Unis gebaut wurden? Dass die Abiturquote von 7 auf >50 Prozent steigen sollte?
    PE: Die 68-er haben das Kind mit dem Bade ausgeschüttet – und dann ihre Ideale geopfert, wobei man angesichts Schröder und Konsorten angehalten ist daran zu zweifeln, dass solche jemals bestünden.
    DD: Geht heute nichts?
    PE: Ich denke, schon 🙂
    DD: Ich denke wehmütig an Wilhelm von Humboldt. Ich ärgere Sie einmal mit den Anfangsmonaten unseres heutigen Systems, Zitat aus der Wikipedia:
    „Als Humboldt am 15. Dezember 1808 mit der Berufung in das Amt konfrontiert war, zögerte er, es anzunehmen, zumal nachdem der Freiherr vom Stein auf Druck Napoleons als Staatsminister am 25. November entlassen worden war. Nun zeichnete sich ab, dass Humboldt nicht als Minister und damit nur dem König verantwortlich, sondern als Sektionschef unter Innenminister Friedrich zu Dohna-Schlobitten tätig werden sollte. Er mag gefürchtet haben, dass ihm angesichts der Bedeutung der Aufgabe nicht genügend freie Hand bliebe zur Neuordnung des Unterrichtswesens. Das Berufungsschreiben auf den neuen Posten ließ Humboldt im Januar 1809 zwei Wochen liegen, lehnte dann halbherzig ab und bat den König, seinen diplomatischen Dienst in Rom fortsetzen zu dürfen. Das aber wurde ihm verwehrt; am 20. Februar wurde er zum Geheimen Staatsrat und Direktor der Sektion für Kultus und Unterricht im Ministerium des Inneren ernannt. Nachdem er sich schließlich in die Umstände gefügt hatte, setzte Humboldt in seiner Amtsführung in Königsberg eine erstaunliche Dynamik frei und reformierte, unterstützt von seinen Mitarbeitern Nicolovius, Süvern und Uhden, sowohl temporeich wie umsichtig Lehrpläne, Lehrerausbildung und Prüfungswesen an Elementar- und Volksschulen, Gymnasien und im universitären Bereich, obwohl er das öffentliche Schulwesen aus eigener Erfahrung weder als Schüler noch als Lehrer kennengelernt hatte.“
    PE: Durch intensives Aktenstudium erkannte er Unregelmäßigkeiten und konnte damit eigene Interessen durchsetzen.
    DD: … so wie Dorothee Bär etwas fürs Internet tun soll, ohne ein Ministeramt wie zuvor Alexander Dobrindt auszuüben, damit sie trotzdem ähnlich erfolgreich sein kann.
    PE: Je nachdem, was für ein „Neuling“ (Merkel) sich zufälligerweise gerade dort befindet.
    DD: Zitat aus der Wikipedia, weiter aus dem gleichen Artikel:
    „Den Vorsatz, seine Stellung im Staatsrat aufwerten zu lassen, um unabhängig und gleichberechtigt unter Kabinettskollegen wirken zu können, hatte Humboldt zu keiner Zeit aufgegeben und sich Hoffnungen gemacht, den König von den Vorstellungen des Freiherrn vom Stein überzeugen zu können. Als er erkannte, dass er damit nicht durchdringen würde, reichte er nach gut einjähriger Tätigkeit im Amt am 29. April 1810 sein Rücktrittsgesuch ein.“
    PE: Das erinnert an Bismarck und an die Schwelle 🙂
    DD: Stark, oder? Nach einem einzigen Jahr Arbeit so viel Wirkung? Da trauere ich ein bisschen, weil wir uns die Welt heute viel zu kompliziert machen, indem wir uns in wichtigen Fragen heillos zerstreiten, was wir aus den Ideen der Demokratie und des Föderalismus heraus nötig finden. Dabei geht es bei der Demokratie darum, gut zu entscheiden, aber nicht Jahrzehnte lang dafür zu brauchen.
    PE: Die grundlegenden Gesetze sind einfach, das Gerede von der Kompliziertheit ist Nebelbomben-Strategie. Das Wesen der Demokratie ist Machtteilung.
    DD: Ich fürchte, dass nichts geschieht. Wenn Deutschland in den üblichen Ranglisten weiter zurückfällt, übernehmen wir dann kritiklos das System aus Finnland oder so.
    PE: Meint was?

  2. Ob Latein, Mittelhochdeutsch, Sport, Religion, Informatik, Medienkompetenz oder Erdkunde. Ich denke da oft an den Spruch eines meiner Klassenlehrer, der sagte: „Bildung ist das, was man hat, wenn man vergessen hat, was man gelernt hat.“

    Welche Bildung erwerben unsere Schüler*innen heute?

  3. 1) In Sachen Bildung sind wir nicht bei 4.0 sondern eher bei 1.73.4711.0815 (V1-16)
    2) Es wäre ja schon viel getan, wenn die unsägliche Kleinstaaterei ein Ende hätte und mit ihr ein Teil des bürokratischen Wasserkopfs.
    3) Man muss ja nicht Biologie, Physik, Erdkunde, Religion, Deutsch, Mathe ganz abschaffen. Aber Grundlagen sollten reichen und das Interesse wecken. Wer will, hat dann YouTube, Google und Wikipedia.
    4) Die Lehrer für Latein und Kunst sind ohnehin eine aufstrebende Art. Mehr als die Hälfte sind BWLer, Handwerker, Sozialpädagogen, die ihre Flexibilität damit ja schon mindestens einmal bewiesen haben als die Lehrer wurden.
    5) Humboldt hat viel bewegt in kurzer Zeit. Aber auch deswegen, weil sein Chef-Chef-Chef das wollte und ihn nachgerade dazu zwang. Da fehlt heutzutage vieles.
    6) Wenn wir’s nicht selber schaffen: “Finnland“ ist sicher besser als unser heutiges Gewurschtel.

  4. Vermitteln Schulen Wissen oder Bildung? Wie wichtig ist die Kenntnis oder die Einordnung von Fakten?

    Lehrer lieben es, Fakten zu vermitteln und einzelnen Ausnahmen helfen den Schülern diese auch einzuordnen. Machmal habe ich den Eindruck, dass das Einordnen von Wissen gar nicht gewünscht ist, da man so einfacher
    steuern kann ohne dass Maßnahmen hinterfragt werden. Wissen ist auch einfacher abzufragen. Wie benotet man, Verständnis.

    Sollte man nicht in der Schule lernen, wie man Wissen (gegoogled) findet, und bewertet und wie man neue Themengebiete bearbeitet?
    Zweites Thema neben dem Inhalt ist die Form der Vermittlung. Muß Bildung nicht Spass machen? Die Vorbereitung auf lebenslanges Lernen.

    Ob man Erdkunde, Physik, Mathematik oder Sprachen nimmt, wenn man gelernt hat zu lernen, geht der Rest einfach.

  5. Geht es wirklich um die Inhalte und deren Qualität oder eher um Quantität, also das Zählbare, wie möglichst lange Schulstunden, damit die Kinder beaufsichtigt und nicht alleine sind am Nachmittag? Sonst könnte womöglich Langeweile aufkommen, wie schön wäre das! Friedliche Langeweile als Vorstufe zu ungeheuerlicher Schaffenskraft.

    1. Ja, es geht natürlich zum Großen Teil auch um Beaufsichtigung … da viele Deutsche/ Eltern in stressiger Vollzeit – oder auch ungeregelter oder nur sogenannter Teilzeit.
      Und Kinder alleine oder sonstwo lassen ist keine Alternative – umso mehr in den „modernen“ Zeiten des Laisser-faire.
      Und Ihr letzter Satz scheint eine Sehnsucht aus Ihrer persönlichen aktuellen Erfahrung: sehr nach vollziehbar! …aber leider nur in den aller-seltensten Fällen bei Kindern (von heute) machbar: die immanenten Risiken sind einfach zu hoch! (Alleine im Zusammenspiel Ihrer Worte: „ungeheuerliche Schaffenskraft“ – Ja; aber „friedlich“ – sehr großes Fragezeichen!)

  6. Wenn etwas geändert werden muss ist, dann machen und „Schilde hoch, Mr. Worf!“ Ansonsten bewegt sich ja nichts, wie Sie so schön schreiben. Nun haben wir keine Schilde (und keinen Mr. Worf). Wir brauchen also Menschen die etwas umsetzen wollen, selbst wenn sie nach einem Jahr wieder auf der Straße sitzen (siehe ihr Text oben).

    Jetzt kommt der Haken. Menschen die an der Position sind um die dazu notwendige Stelle „dienstgradmäßig“ anzunehmen, haben andere Ziele als „etwas umsetzen“. Bleibt also nur Leute einzusetzen die das Feuer für das Thema haben. Und damit das Feuer nicht ausgeht noch drei oder vier die den Weg von Wasserträgern säubern.

    Aber im Ernst, wer will denn etwas ändern? Die Politik von Angela Merkel funktioniert langsam, aber recht gut. Sie kann sehr dicke Bretter bohren. Aber wir haben nur eine Merkel. Alle anderen sind, ja wie soll ich das sagen … naja, Politiker halt. Schade, oder?

  7. Ich sehe das Problem nicht – wenn ein Lehrer will, kann er viel machen (man kann Statistik und Ethik in Wirtschaftslehre unterbringen; sogar Psychologie und Philosophie.).
    Die Frage ist, ob die Lehrkräfte ihre Freiheiten nutzen (wollen). Die „neuen“ Lehrpläne in Hessen zum Beispiel, sind inhaltlich ziemlich genau so wie das, was ich in den 80ern kennengelernt habe.

    Was Lehrer wenig bis gar nicht tun, ist miteinander reden, Verabredungen treffen…und sich hinterher dran halten. Da ginge viel – ohne ein Stäbchen ins Wackeln zu bringen.
    Und warum werden denn kaum digitale Medien im Unterricht genutzt? Weils die Lehrer nicht können! Lebenslang lernen sollen immer nur die anderen.
    Ob mich das beruhigt, dass es genau so an den Hochschulen ist, Herr Loviscach als Leuchtturm durch die Lande zieht, der Rest weiter „Dienstvergehen“ begeht? Eigentlich nein.
    Zeit für grassroot movement in der Bildung – von oben kommt nix. Alle haben eben Angst, „den Wähler“ zu vergrätzen. Bei Bildung kann halt jeder mitreden. Wie beim Fussball: Deutschland – ein Volk von 80 Mio Trainern, dies alle besser könnte als Jogi Löw. Und so bleibt alles beim „Bewährten“ – egal, wie grottig das auch immer sein mag.

  8. Da steckt viel Frust drin.

    Die Demokratie ist eine Staatsform (unter mehreren), die sich heute (fast so wie alle anderen Demokratien in der westlichen Welt) weniger mit der Kirche, sondern eher mit Neoliberalismus und Artensterben sowie Umweltvergiftung und Menschenrechten weltweit rumschlägt – neben den wirtschaftlichen Handels“kriegen“.

    Vielleicht sind die Prioritäten einfach schon zu lange falsch gesetzt worden? Und wir haben hier zu viele von der Gattung Homo Sapiens auf der Erde? Letzteres können wir nicht steuern ohne Menschenrechte zu verletzen wenn wir – wie China sich selbst – anderen Staaten Geburtenkontrollen befehlen (geht ja gar nicht). Was tun? Eher die kleineren Dinge, denke ich. Hilfe und Chancengleichheit heute sorgt morgen für Frieden!

    Da waren zu Humboldts Zeiten wohl noch etwas andere Dinge auf der Agenda und anscheinend aber auch schon mal andere „destruktive“, machtpolitische, die ihn auch schnell wieder aus dem Amt trieben.

    Das Neoliberale oder extrem freiheitliche wirtschaften hat viel versprochen und tut das mit der Wissenschaftsgläubigkeit noch heute, doch hat dabei auch einen hohen Preis gehabt, die Ausbeutung der Natur, den Entzug von elementaren Lebensgrundlagen für uns und unsere Kinder.

    Dies scheint in der Gesellschaft größtenteils verstanden oder als Gefühl vorhanden zu sein, deswegen suchen viele eine neue Partei zusammen mit den Grünen und wenn sich keiner kümmert, dann wählen die sozial zurückgebliebenen oftmals eben (noch) rechter.

    Die Politik setzt soviele falsche Anreize oder verpasst es damit win/win für die Volks- und Betriebswirtschaft und Sozialwirtschaft zu erzielen, da fragt man sich tatsächlich, wofür gibt es die denn??? Und ist die Demokratie so überlegensfähig, hier und generell?

    Bildung hat viele positive Effekte. Aber sie ist erstmal nur ein Kostenfaktor, der bei den Eltern liegt und durch den Staat unterstützt wird – nicht ganz uneigennütig.. es geht schliesslich um zukünftige Steuereinnahmen. Neoliberal gesehen würde es gar keinen Schulen mehr für alle Menschen geben (nur noch für die, die genau wissen, wie man wächst und wäscht und wächst und dabei irgendwie, „aus Versehen“ ausbeutet). Von daher leben wir mit der Schulpflicht in Deutschland und dem Bildungssystem im Allgemeinen doch im Schlaraffenland.

    Man könnte es auch so sehen.

    Und heute ist die Gestaltungsmöglichkeit der Zukunft nicht mehr beschränkt als früher, aber die Zusammenhänge der politischen Themen (wie Bildung) haben eben eine andere Reichweite und Schwere, Vielschichtigkeit und Vielfältigkeit gewonnen.

    Absolut frei von (indirekten) Zwängen (oder Ertragen von gewissen Mänglen) wird hier niemand irgendwann sein. Aber jeder kann in seinem engsten Umfeld positives bewirken, täglich.

    1. In der (neoliberalen) Wirtschaft…
      werden laufend Kosten reduziert und Umsätze erhöht, in der Hoffnung, dass mit diesen Zielvorgaben auch faktisch Gewinne laufend erhöht werden!

      Wo gibt es noch „fairen“, nachhaltigen, saisonalen und regionalen Handel, der sich möglicht zu 100% selbst versorgt? Alles weltweit vernetzt – oh Gott, muss diese Überforderung sein? Mit Schrot auf Spatzen schiessen?

      Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Qualität, Nachhaltigkeit? Was soll das? Das kostet nur Geld!!! Echte Zuwendung kostet in der Wirtschaft Geld aber echte Zuwendung (soziale Tätigkeit) auszulagern (wegzulassen) verarmt und verunmenschlicht den Handel zwischen Menschen, nicht unbedingt zwischen Händlern, da fällt Asoziales gar nicht mehr auf (Aufgabe an den Staat deligiert), da Geld so wandelbar ist und Gutes sowie schlechtes bewirkt, wie Menschen eben auch, selbst ohne Geld! Nur Geld und Arbeitsteilung beschleunigt halt und entfremdet – das werden wir nicht zurückdrehen, deswegen gibt es den Staat, der weltweit nur geringe Chancen hat echt zu wirken. Diese Arbeitsteilung (Verbraucher und Zwischenhändler) allein ist schon Ursache für vieles Übel, wie z.B. Massentierhaltung.

      Oder gehen sie in solche Betriebe und kaufen dort die Eier während Ihnen schlecht wird über die Zustände dort?

      Gewinne werden NICHT in den Aparat re-investiert und auch subtile Ausbeutung bleibt lange unbemerkt und sie ist nicht so ohne weiteres zurechnungsfähig (Verteilungsproblem, welches besser über u.a. CO2 Zertifikate geregelt werden könnte) – wie z.B. stellt man die verpesstete Luft durch (zu viel) Dieselabgase in Rechnung? Erstmal gar nicht.

      Wie stellt man schlechte Bildung in Rechnung? Erstmal gar nicht.

      Am besten man bildet sich selbst bzw. hat das Glück, dass die Eltern einen irgendwie für heutige verhältnisse gut lenken – was immer das bedeuten mag, jenseits des Zugangs zu Büchern und anderen Menschen regional (und vllt. gelegentlich mal weltweit).

      Und dennoch sind auch unsere Kinder den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zwängen erlegen, wenn sie nicht ausbrechen, nur wohin?

  9. Da die Entscheider aus dem System kommen und egozentrisch an Hierarchien glauben wird das schwierig. Aber eine Entscheidung, wie Humboldt mit seiner Distanz zu engagieren kann eingefordert werden. Natürlich nur mit einer schicken Initiative, die allen Punkten ihrer Entscheidungskette entspricht. Erst dann kann an dieser gearbeitet werden. Ich bin für einen Anfang genau bei der Initiative. Es dauert wohl noch ein wenig bis ich mit einer Reputation weiterhelfen kann. Deswegen bleiben wir bei null Aktion, weil Rauchverbote oder die Quantität der Bildungdauermehr ziehen. Sie können das sehr wohl anstoßen, wenn nicht von der Spule übertragen der Totem vor ihnen umfällt.

  10. Ein kurzes Wort zu den Lehrern und ihrem Dilemma bei stärker verändertem Lehrplan oder sogar Wegfall „ihres“ Faches:
    Die Beamten haben eine Sonderstellung, richtig.
    „…aber Beamte werden da wohl geschont werden müssen. Sie dienen per definitionem dem Staate, das heißt, man kann ihnen nichts tun.“
    Man kann ihnen nichts tun ist falsche Denke: es geht nicht darum ihnen „etwas zu tun“ – das klingt schon im wording nach dem modernen: „arme Opfer“. Sondern im Gegenteil: als Beamte haben sie einen Sonderstatus und besondere Sicherheiten ihres Arbeitsplatzes. – Was wiederum dem Staat die Freiheit gibt: ihr Arbeitsfeld (wie auch ihren Arbeitsort) neu zu definieren bzw. abzuändern.
    Also auch hier: nicht sofort in die Opferrolle fallen, sondern den Staat (mit seinem Teil Beamter) nach vorne bringen und die Chance sehen & daran aktiv teilhaben! …statt nur die Risiken (oder schlimmer: ich Opfer)!
    …und das ist allgemeiner das, was Deutschland insgesamt sehr lähmt: sogar der Einzelne scheut Veränderungen. (Und die hier genannte ist keine, die den Staat in seinen Grundfesten erschüttern oder massiv umwälzen könnte.)

    Allgemein gesagt, zum Beamten: die höhere Sicherheit hat selbstverständlich auch einen kleinen Preis.

    1. Ich sehe nicht, dass man Lehrer je in andere Berufe versetzt hätte. Es gibt ja allgemein anerkannt sauschlechte Lehrer (ich kenne über meine Kinder so den einen oder anderen). Gegen die wurde protestiert, aber „man kann nichts tun, eine Versetzung schädigt ja auch wieder nur andere Kinder, jede Schule muss ein paar Schädiger selbst aushalten“. Ich habe nicht im Ansatz die Idee gesehen, die in einen anderen Beruf zu stecken!

  11. Meine Vorredner/-innen übertrafen sich bereits mit klugen Sätzen.
    Mein Vorschlag also: ‚Omnisophie‘. Jupp, als Unterrichtsfach. Begleitet von Achtsamkeit.

    1. Ich wäre sofort dabei!
      Leider haben die meisten Lehrer ihr Jahresziel erreicht, wenn sie von jedem Schüler genügend Noten gesammelt haben, um daraus einen Durchschnitt errechnen zu können.
      Und: „Wie soll man denn auf Persönlichkeitsentwicklung Noten geben?“
      Traurig

  12. Im Vorwort (Zur Wohlgestaltung des Menschen) zu Topothesie (2005) schreibt G. Dueck sinngemäß:
    Stellen wir uns vor, Menschen seien wie Pflanzen, von denen es verschiedene gibt. Pflanzen brauchen Wasser und Sonne (aber in unterschiedlichen Mengen). Wenn wir Schattenpflanzen sonnig stellen, verbrennen sie. USW.
    Und da liegt doch das Problem des Schulfach-Mikado. Wir brauchen vielleicht alles, aber nicht jedes Kind gleichermaßen!
    Gerade in den Schulen wird, unter dem Mäntelchen der Gleichheit, Die Schattenpflanze verbrannt, die Wüstenpflanze ersäuft.
    Das System „Bildung“ ist das Problem, indem alle Verschiedenartigen zu Gleichartigen gezwungen werden. Anstatt die unterschiedlichen Begabungen zur Blüte zu bringen, spucken die Schulen einen großen Anteil verkrüppelter Pflanzen aus, die ihr Leben dann mehr fristen als genießen können.

  13. Im Vorwort (Zur Wohlgestaltung des Menschen) zu Topothesie (2005) schreibt G. Dueck sinngemäß:
    Stellen wir uns vor, Menschen seien wie Pflanzen, von denen es verschiedene gibt. Pflanzen brauchen Wasser und Sonne (aber in unterschiedlichen Mengen). Wenn wir Schattenpflanzen sonnig stellen, verbrennen sie. USW.
    Und da liegt doch das Problem des Schulfach-Mikado. Wir brauchen vielleicht alles, aber nicht jedes Kind gleichermaßen!
    Gerade in den Schulen wird, unter dem Mäntelchen der Gleichheit, Die Schattenpflanze verbrannt, die Wüstenpflanze ersäuft.
    Das System „Bildung“ ist das Problem, indem alle Verschiedenartigen zu Gleichartigen gezwungen werden. Anstatt die unterschiedlichen Begabungen zur Blüte zu bringen, spucken die Schulen einen großen Anteil verkrüppelter Pflanzen aus, die ihr Leben dann mehr fristen als genießen können.

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