DD354: Kettenkriechhund im Dienst?

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Dass es im Internet so genannten Hass regnet, ist nun jedem geläufig. Im Grunde lassen die Leute bis zum Exzess ihre ureigene innere Sau raus. Nicht alle, vielleicht nicht einmal viele – die aber gründlich. Man ist ja anonym (was ich abschaffen würde).

Was, wenn alle Äußerungen mit Klarnamen gekennzeichnet würden?

Ich schreibe darüber, weil mich ein Satz aus einer Reportage berührt hat. Die Jüdin Regina Steinitz, Holocaustüberlebende und heute in großer Würde betagt geworden, berichtet, dass ihr ein junger Mann erklärte, er hätte sich in der Nazi-Zeit gewehrt. Ihre Antwort war: „Mein Liebling, auch du hättest dein Maul gehalten.“ (Berliner Zeitung)

Ach ja, so wird es sein. Damals stand man schließlich unter Todesdrohung, wenn man nur widersprach, geschweige denn, wenn man tätig aufbegehrte! Heute klingt es leicht: Man hätte doch einmal etwas sagen müssen! Das ist aber nicht so leicht: „Sei mal mutig, bei allen Konsequenzen!“ Umso mehr muss man Menschen ehren, die solchen Mut hatten.

Denn, und das will ich hier zum Thema machen: Die normalen Menschen haben entsetzlich wenig Mut, sich irgendwo allein entgegenzustellen. Das will ich hier darstellen und noch einmal betonen: Ehrt die, die Mut haben!

Versetzen Sie sich an Ihren Arbeitsplatz. Ich bekomme viele Leserbriefe, die sich über ihr Unternehmen und besonders über ihren Chef auskotzen. Bekanntlich hält ein Drittel der Mitarbeiter von der Strategie des eigenen Unternehmens nichts (Studienergebnis Ernst & Young). Nur eine Minderheit der Mitarbeiter ist voll engagiert. Wir lesen jedes Jahr das Ergebnis der Gallup-Studien: Zwei Drittel der Mitarbeiter machen eben alles mit, was ihnen gesagt wird und fühlen sich nicht wirklich mit dem Unternehmen verbunden. Ein Sechstel hat innerlich gekündigt. Ich würde einmal annehmen, es bedeutet: Es herrscht allgemein ein großer Feedbackbedarf bei denen da oben.

Geben wir Feedback? Sind wir Whistleblower?

Nein. Schweigen der Lämmer.

„Es hat ja doch keinen Sinn.“ – „Das traue ich mich nicht, denn dann bin ich dran.“ – „Wenn ich etwas sage, isoliere ich mich im Team, die haben ja den Ärger mitzutragen, den es dann gibt.“ – „Die da oben wissen bestimmt genau, was ich denke, es geht ihnen eben nur um sich selbst! Was wäre gewonnen, wenn ich das kritisiere?“

An solche Argumente sind wir wie ein Hund angekettet.

Quelle: Adobe Stock 

Den Lehrer kritisieren? „Dann bekommt man schlechtere Noten.“ Mit dem Professor streiten? „Nur wenn es kein eigener Prüfer ist, und sonst ist es ja dann egal, ob ich etwas sage.“ Mit dem Chef Klartext reden? „Oh, Sie kennen den nicht! Meine Laufbahn wäre gefährdet.“ Wer etwas nun so ganz und gar nicht aushält, kündigt oder wechselt die Schule. Maul aufreißen? Lieber nicht.

Letzte Frage: „Warum haben Sie gekündigt?“ Darauf wallt in uns eine Hasswelle hoch, die im Internet gut für einen ganzen Shitstorm reichen würde. Was sagen wir? Irgendeine Notlüge und bloß raus hier! „Unsere Eltern brauchen Pflege, wir müssen zu ihnen ziehen.“

Warum wundern wir uns eigentlich, warum Menschen in Diktaturen so sehr ducken? Warum tönen wir so oft, dass wir selbst ach so großen Mut haben? Warum fordern wir, dass im Unternehmen Querdenken, ehrliches Feedback und Innovation „erlaubt sein müsse“? Ist das nicht erlaubt?

Wir halten das Maul, und zwar bei jeder beliebig schwachen Diktatur. Die wir das Maul halten, schauen uns dafür Filme an, in denen Menschen kraftvoll handeln. Wir diskutieren den Prinzen von Homburg und Tragödien, in denen die Protagonisten für Überzeugungen sterben. Wir machen anonym bei Shitstorms mit und geben einigen Helden und Whistleblowern, soweit sie nicht gestorben sind, Nobelpreise aller Art. Denn es gibt ja Menschen wie Antigone! Ja, es gibt sie, das tröstet. Sie sollen unsere Vorbilder sein. Ja, das sollen sie sein.

Aber dem eigenen Chef etwas Unangenehmes sagen? Das, denken wir, hätte sich so ein Vorbild auch nicht getraut. Denn wir sind viel fester angekettet als andere. Eben das sieht niemand. Eben das will keiner hören. Eben das will uns niemand zugutehalten.

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18 Antworten

  1. Die böse alte Fabel von Hund und Wolf in unserer Zeit …
    Was manchmal hilft, ist in der Firma sehr produktiv zu sein. Widerborstigkeit wird dann zwar immer noch kaum begriffen und selten als Ressource genutzt, aber halbwegs geduldet und irgendwann … . Man darf freilich wohl nicht der Karriere- oder Harmonietyp sein (oder muss eine sehr gute Diplomatiebeschichtung auftragen können).

    Ich würde noch unterscheiden zwischen Systemen, die es wohl einfach nur zu bekämpfen gilt (von Klimazerstörerkartellen zu Mafias oder gar Völkermördern), und grundsätzlich reformierbaren, wie eine Firma es häufig noch ist.

  2. Lieber Herr Dueck, steht hinter dem was Sie sagen: Kein Wandel ohne Krisen, Revolution oder Kriege? Wer nimmt schon Probleme ernst, wenn niemand dafür bereit ist zu „sterben“. Ich habe den Eindruck, dass Sie aber etwas mehr Gnade walten lassen und Ihre Töne etwas väterlicher werden. (…sind fester angekettet). Danke für Ihr Verständnis, es hat selten Sinn gegen Windmühlen zu kämpfen. Mein Motto (sorry) genießen, Scheisse vorbei schwimmen lassen, wir sterben sowieso. Herzliche Grüße Andreas C. Habicht

  3. Das „Kettenkriechhund-Problem“ beginnt meiner Meinung nach bereits vor der Pubertät als Folge der bis dahin erlebten Vorbilder. Das Problem manifestiert sich dort aber erstmalig indem mehr oder weniger erstrebenswerte Peers bedingungslos gefolgt wird.

  4. Ich denke, hier gibt es zwei Sachen, die man nicht so ohne weiters außer Acht lassen sollte:

    1. Kontext und Konsens: Mut haben, etwas zu tun, ist das eine. Ob das, was man tun möchte und wofür man den Mut aufbringt, gut oder schlecht ist, ist eine Frage der Perspektive (-> Kontext und Konsens). So bringt ein Hater (mit Post unter Klarnamen) vielleicht auch Mut auf, seine „Meinung“ zu äußern zu einem Umstand, mit dem er nicht einverstanden ist.

    2. Prognose/Erfahrung/empirische Wert: Ob das Handeln nach der eigenen Überzeugung im gesellschaftlich (oder auch im unternehmerischen) Kontext richtig oder falsch ist bzw. ob das, wo gegen sich die eigene Überzeugung richtet – in einer Situation, in der ich Mut aufbringen muss, um nach meiner Überzeugung zu handeln – etwas gutes oder schlechtes ist, kann sich evtl. auch erst nach einer gewissen Zeit herausstellen. (-> Hinterher ist man immer schlauer; anders: Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.)

    Fazit: Menschen „empowern“, Mut zu haben und nach der eigenen Überzeugung zu handeln, ist das eine. Dafür zu sorgen, dass es sich beim Handeln nach der eigenen Überzeugung um etwas „richtiges“ (≠ Dummheit) handelt, ist Aufgabe einer ganzheitlichen Bildung.

  5. Ich erinnere eine denkwürdige Betriebsversammlung, nach der ein graurückiger Kollege zu mir sagte, Herr Carlin, wenn wir Rückgrat hätten, würden wir kündigen. Erstaunlicherweise taten wir das sogar in den nächsten acht Wochen.

    Seit dem glaube ich ganz fest an den Satz, die unangenehmen Dinge immer zuerst zu erledigen. Dazu gehört auch, den Mund aufzumachen, wenn einem etwas nicht passt. Wenn du dich zurückzieht, darf du dich nicht wundern, wenn über dich hinweg entschieden wird.

    Gleichzeitig kann man das nur, wenn man stabil genug ist und davon ausgehen kann, nach diesem Job schon recht fix wieder eine neue Einnahmequelle zu finden.

    In der U-Bahn, auf dem Marktplatz hat man dieses Risiko nicht einmal. Und lieber bekomme ich eins auf die Nase (noch nie passiert), als dass ich Idioten andere Menschen schlecht behandeln lasse (passiert oft genug).

    1. Hallo Herr Professor Dueck,
      die nach außen getragene Courage oder der nach außen getragene Hass ist nicht gleich der tiefen Überzeugung vom Sinn des eigenen Handelns und dessen Verteidigung mit der eigenen Unversehrtheit. Von daher ist die schiere Masse an unüberlegten Äußerungen die den gesellschaftlichen Diskurs verwässern und fehllenken ein Problem, erfasst aber nicht die Tiefe des notwendigen Einstehens. Klar ist dann eine Schwelle wie die Klarnamenpflicht hilfreich, aber die wird nur das Symptom behandeln. Dort sind Sie inkonsequent, weil sie keine Freiwilligkeit geben wollen, die das Bilden eines solchen Wertes benötigt.
      Daher sind Einordnungen und Orientierung geben der einzige Weg zum freiheitlichen Zusammenhalt der Gesellschaft.
      Danke dafür.

      Ich plädiere für eine Schwelle in Form einer Rückversicherung ob die abgegebene Äußerungen wirklich der Sache dient, wie etwa wenn man bei Uber angibt man wisse dass es sich nur um eine Vermittlung der Fahrt handle. Eine spitzfindige (weiche) Lösung zugegeben, die aber Ihrer früheren Argumentation folgt wonach E-Mails etwas kosten sollten.

      Viele Grüße

      Ferdinand Frankl

  6. Ich danke Ihnen, lieber Herr Dueck, für den nachdenklichen und menschlich warmen Text. Mut entsteht selten beim „einsamen Wolf“, sondern er entsteht in der Mitmenschlichkeit einer tragfähigen und herausfordernden Gemeinschaft. „Wer nicht Mitmensch ist, ist Unmensch.“, sagt Karl Barth einmal. Mein Mut braucht die Ermutigung durch meine Mitmenschen, meine Frau, meine Kinder, meine Freunde. Und manchmal kann ich ermutigen zu einem Schritt, der Mut erfordert und ein Risiko bedeutet. Wohl dem, der ermutigende Freunde hat. Das ist nicht bequem, sondern herausfordernd („provokativ“), aber es dient dem Leben und ist darum gut.

  7. Klasse.
    Mir aus der Seele
    Und… „just my two cents“ dazu.

    Wie reagieren wir auf Menschen, die ehrlich uns gegenüber sind?
    Im ersten Schritt, lehnen wir ab. Streiten ab, und verneinen alles.
    Nur um dann sogar manchmal mit blankem Hass zu reagieren.
    Oft wollen wir den Grund für Mut und Wut gar nicht hören. Wir haben ja genug mit uns selbst zu tun.

  8. Lieber Gunter,
    mein Großvater Ernst Kinkel war gegen das Nazi Regime. Von Anfang an und fast instinktiv. Er hatte ein Unternehmen, welches damals als „kriegswichtig“ engeschätzt wurde. Sie stellten Fotogelatine für Fotos und Filme her. Allen unter Fünfzig sagt das wahrschienlich schon nichts mehr.
    Diese Fotogelatine war Trägermaterial für Salze, die lichtempfindlich sind. So konnte man Negative belichten und anschließend Papierabzüge von diesen Negativen erstellen. Mein Großvater war Chemiker und hat damals die Gelatinefabrik – deren Leitung er übernehmen musste, weil es kein anderer aus der Familie machen wollte – mit vielen Patenten darauf spezialisert. Davor stellte die Firma nur Sülzenpulver, Kochgelatine und Seife her. Er machte also das Unternehmen für die damalige Zeit zukunftsfähig. Um zu überleben, verriet er seine Produktionsgeheimnisse nicht, die Nazis wollten ihn nur zu gerne ersetzen und karrieresüchtige parteitreue Mitarbeiter haben spioniert, wie er seine Fotogelatine wohl herstellt. Aber zum Glück waren sie zu blöd, ihm draufzukommen. Er kochte seine Chemikalien immer in einem speziellen Kupferkessel, aus denen Kupfersalze in die Flüssigkeiten kamen. Nahm man einen anderen Kessel, funktionierte es nicht. Diese Überlebenstechnik funktionierte bis die Fabrik zerbombt wurde, und so überlebte mein Großvater knapp den Krieg und die Nazis. Er tat sich nicht als Held hervor, sondern verzichtete bewusst auf jede Art von Publicity. In der „Heilbronner Stimme“, der regionalen Tageszeitung, taucht er von 1933 bis 1944 nur in einer einzigen Erwähnung auf: Geiger Dr. Kinkel spielt mit bei einem vorweihnachtlichen Konzert. Ich habe das einen Nachmittag lang im Heilbronner Stadtarchiv recherchiert. Ich bin ja Herrin meiner Zeit und kann so etwas spontan machen. Meine Mutter hat ihn als Kind gefragt, wieso er keine Juden versteckt hätte. Da hat er ihr gequält geantwortet. „Frag mich bitte nicht.“ Mehr Heldentum war ihm nicht möglich, weil er seine Familie beschützen wollte. Trotzdem überlebte er nur knapp. Zwei Wochen vor dem Zusammenbruch hat ihn der dortige Gauleiter noch persönlich per Steckbrief suchen lassen. Da war er aber schon aufs Land geflohen, doch sicher hätten sie ihn bald geschnappt, wenn nicht endlich der Krieg zum Ende gekommen wäre. Mein Großvater hat das widerliche Verhalten der Nazis von Anfang an miterlebt und auch vorausgesehen, was geschehen würde. Er überstand es seelisch dank seiner geliebten Musik. Er hatte sein Streichquartett, das jede Woche zum Spielen zusammen kam. Meine Großmutter spielte am Klavier dazu. Man spielte auf hohem Niveau Schubert, Beethoven, Mozart und Mendelsohn-Bartholdy. Ich habe eine alte Tonbandaufnahme gehört, die meine Großmutter noch hatte.

    Der Großvater traf etliche Vorsichtsmaßnahmen. Ließ unterm Haus einen Luftschutzkeller mit separatem Ausgang zum Garten anlegen und mietete auf dem Land bei einem Bauern eine „Ferienwohnung“, wo die Familie nach der Zerstörung Heilbronns und ihres Hauses sowie der Fabrik die letzten Kriegsmonate überlebte. Da mussten sie dann oft hungern, denn die Bauern waren sehr fromm aber geizig. Mein Großvater suchte Wasser mit der Wünschelrute auf den Feldern für sie. Meine Großmutter kochte und machte die Wäsche für den Haushalt der Bauern, sollte aber nicht auf dem Feld arbeiten müssen. Dafür gab es das Feuerholz. Der Großvater rettete bisweilen schon ein Menschenleben, aber nicht als Held, sondern als Helfer.: Einmal zerrte er einen pflügenden Bauern von seinem Feld in den Graben, weil ein Flugzeug sich näherte. Der Bauer schimpfte und war widerwillig. Doch dann schoss der Pilot von oben auf die Pferde. „Des hätt i jetzt ned denkt!“ sprach da bedächtig der Bauer.

    Meine Tante Ulla klaute den Bauern frech von ihren Vorräten, wenn der Hunger zu groß wurde, aber meine Mutter war kleiner und ängstlicher und traute sich das nicht. Sie verzichtete meiner Großmutter zuliebe oft aufs Essen, weil sie mitbekam, wie sie ihren kleinen Kindern zuliebe mittags nichts aß. Sie erzählt auch noch heute davon, dass sie für ein versprochenes Butterbrot einen ganzen Tag bei der Ernte half, und dass sie dann das Butterbrot nicht bekommen hat. Dieses einem Kind verweigerte Butterbrot empört mich noch heute mehr, als der Verlust von 10.000,- Euro, als meine Mutter jüngst auf Dachhaie hereinfiel.

    Als dann die Amerikaner nach Baden-Württemberg kamen, hat mein Großvater den Bauern gesagt, dass sie weiße Handtücher oder Laken aus den Fenstern hängen lassen sollen. Und als die ersten Fahrzeuge in den Ort kamen, und Soldaten mit Gewehr im Anschlag heraussprangen, herrschte er die Dorfjugend an, sie sollten die Hände aus den Hosentaschen nehmen, die Amis dächten sonst, sie hätten Waffen darin. Mein Großvater sprach als einziger Englisch und sorgte dafür, dass der Einzug friedlich ablief. Später hat er dann bei der Entnazifizierung mitwirken müssen. Er wollte das nicht gerne, denn da kamen sie tatsächlich alle angekrochen: die, die ihn vorher schickaniert oder denunziert hatten und auch jener, der sich in der Reichskristallnacht noch vor ihm gebrüstet hatten, eine alte jüdische Großmutter ihre Wohnungstreppe herunter geworfen zu haben meinte treuherzig: „Gell, Herr Doktor, i hab nix g’macht!“ Mein Großvater hat sie alle entnazifiziert und danach um Entbindung von diesem „Richteramt“ gebeten, weil es ihn zu sehr ankotze.

    Ich weiß aus der Schule und von meinem Beruf bei der Sparkasse, dass die Leute aus wesentlich geringeren Gründen, aus Mißgunst oder um kleinste Vorteile zu ergattern, duckmäusern. Ich weiß, wie sie heute in der Nachbarschaft herumlavieren, um immer gut da zu stehen, während hintenherum gelästert und intrigiert wird. Ich mag sie nicht verurteilen, denn sie tragen ihre Strafe in sich. Es heißt, der Mutige stirbt einen Tod, der Feige tausende. Es ist aber nicht an mir, zu richten. Und dieser Beurteilungswahn im Netz und anderswo bringt auch nichts. Wenn es aber die Leute, die dabei nur Luft und Frust ablassen, erleichtert, dann sollen sie halt.

    Ich weiß nur, dass ich persönlich nicht in Unfreiheit leben kann. Deshalb graut mir auch so vor diesem totalen Überwachungsstaat, den die Chinesen jetzt installieren. Und dieses Nudging, das allmähllich in Bedrängen und Zwang übergeht. Und den diese ganzen Instagrammer und Facebook-Nutzer mit ihren herausposaunten Daten freiwillig mit aufbauen helfen. Der nächsten Diktatur entkommt dann nämlich keiner mehr.

    Ich glaube, dass Heldentum dann nur noch gefährlich sein wird und bin eher für den stillen Widerstand, wie es mein Großvater tat. Wenn dann der Widerstand nicht auch noch gebrochen wird, so wie es in den chinesischen Konzentrationslagern für die Uiguren gerade geschieht.

  9. Liebe Isabel,

    selten hat mich ein Beitrag so bewegt wie Deiner – so viel Lebensweisheit spricht daraus. Nach Hans und Sophie Scholl sind Straßen und Plätze benannt – aber vielleicht hätten sie auch noch gerne etwas länger gelebt – ich danke Dir
    Uli

  10. Es geht auch leise…
    Man muss nicht immer „das Maul aufreissen“.
    Als mich mein Chef zu sehr gepiesackt hat, hab ich mich umgehört und mich auf Stellen beworben, manchmal nur um zu sehen, wie mein Marktwert ist.
    Dabei habe ich gelernt, dass es keine Grund gibt, so mit mir umgehen zu lassen.
    Und dann bin ich gegangen.
    Einfach so. Kündigungsschreiben exakt in der der Kündigungsfrist.
    Interessante Erfahrung: Der Abteilungsleiter wollte unbedingt wissen, ob er „Schuld“ sei.
    Offensichtlich war ihm ganz genau klar, was da so gelaufen war….und er schien, ein Gewissen zu haben…aber halt zu wenig Mut.

    1. Like! Es gibt noch ein Problem: Man kann einem Vier-Minus-Schüler in Deutsch nicht erklären, was ein Einseraufsatz wäre. So etwas gibt man dann auch auf, weil der Angesprochene nur nicht auf Fünf will, sonst nichts. Dann gibt der Einser auf: „Keinen Sinn.“ Die anderen: „Was denkt der bloß, was wir machen sollen!“ Einser: „Einen guten Aufsatz schreiben geht schneller als einen schlechten…“ etc. Dieses Aufgeben ist Kapitulation – vor Leuten wie hier im Beispiel und sonst besonders vor Prozessen.

    1. Danke Stefan für den Link. Ein komplexes Thema. Anke Domscheidt-Berg, die ich ebenfalls schätze, spricht sich auch gegen die Klarnamenpflicht aus. Das wäre doch mal ein wirklich kompetentes und interessantes Podium zum Thema : Dueck, Lobo, Domscheidt-Berg… ich bin mit meiner eigenen Meinungsbildung noch nicht durch.

  11. Das seltsame ist, dass dieser sorgenvolle Umgang auch üblich ist, in Bereichen wo Sorge gar nicht nötig wäre. Wenn jemand Angst hat „ich brauche diesen Job, diese Note, diesen Abschluss unbedingt“ ist ja verständlich, dass er persönliche Konsequenzen fürchtet. Aber allzuhäufig ist es eben gar keine Berechtigte Angst. Im IT/Software-Umfeld gibt es nun wirklich niemand der sich Sorgen um seine Anstellung machen müsste, da sowieso alles eingestellt wird, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Die meisten Führungskräfte sehnen sich und bitten um Feedback. Und bekommen keins. Aus Angst? Eigener Unsicherheit? „Das kann man doch dem Chef nicht sagen“? Ich weiß es nicht. Vielleicht fehlt es einfach an guten Rollenbildern.

    Menschen die anderen Menschen sagen, das war gut, das ist schlecht. Und Menschen die das annehmen. Nicht als „ich verstehe dass du so fühlst“ sondern, okey, du hast einen Punkt, ich muss darüber nachdenken. Danke. Daran ist auf beiden Seiten ja nichts heldenhaftes. Eine Klarnamenpflicht sorgt nur leider auch nicht für anständigen Diskurs. Dazu muss man sich nur „verfizierten“ Twitterer von Orangen bis AFD ansehen. Und sie sorgt offensichtlich auch nicht dafür, dass Straftaten auch entsprechend verfolgt werden.

  12. Querdenken, ehrliches Feedback, Innovation…

    Ich halte nun (im Büro) das Maul nachdem ich herausfand, dass Querdenker eher für Querulanten gehalten werden (Schublade auf, Mensch rein), was sie (ich) definitiv nicht sind (bin) – aber sicherlich kann man sie (mich) so wahrnehmen. Das verrät aber evtl. mehr über den Tratscher (oder Mobber, Bosser) selbst aus, als über den vermeintlichen „Querulanten und? Querdenker“. Es ist halt so, schon immer, die Nase, die Chemie zählt (zu 40-60%). Ab 50% fängt Diktatur und Kettenhund an. Und Mobbing ist weit verbreitet (bei der Hälfte der Kettenhunde, nämlich die, die schon Ihre innere Würde verloren haben) – meistens aber erstmal nur Tratsch, der noch nicht wirklich verwerflich ist, sondern ein allzu menschliches Bedürfnis, meist erstmal ohne wirklich böse Absichten. Oder haben sie noch nie getratscht?

    Seilschaften sehen sich wohl gerne selbst etwas leichtfertig als Freundschaften. Es sind aber nur Kumpaneien in aufeinanderfolgenden Einzelfällen (es müssen beide profitieren können), oder eben normale Kettenhunde in der Diktatur. Seilschaften konnte ich selten aufbauen (ich wollte das nie, denn ich trat eher nach oben als nach unten – das konnte ich mir anscheinend so gerade noch leisten, bei hinreichender Leistung), langlebige, enge Freundschaften (im Privaten) habe ich mir erhalten können. Ich fühle mich gut dabei (ohne die fette Karriere), aber es bleibt leider ein fahler Geschmack, wenn ich an das Höher, Schneller und Weiter des Private Equity (des Kapitals) denke… welches ja vor allem meinen Arbeitsplatz sichert, ne?

    Neoliberalistische Denke ist mir fremd, ich wünschte mir eine Art Zivilkapitalismus. Kann es das in nationalen Grenzen überhaupt geben… ne! International: Ja, aber…

    Deswegen schreibe ich anonym und dass ohne Hass, aber eben auch angekettet, „tratschend“, laut denkend (wie naiv…) aber niemals mobbend…!!! Ein Unterschied den ich kenne – und den ausmachend für mich mutig genug erscheint und leider nicht normal ist ? Sadly – far too often, this seems to be the case. Viele verteidigen nur noch Ihren Status Quo, wie abgerichtete Bulldoggen oder Terrier.

    Und was das im Extrem bedeuten kann mussten unsere Eltern und Großeltern am eigenen Leib süpren ud miterleben und müssen sich heute fragen lassen: Was hast Du dagegen getan und was kann ich heute tun, wenn es gesellschaftlich umschlägt? Ich denke nicht das wir heute kurz vor einer erneuten „Machtergreifung“ stehen – wir haben andere Themen, die aber in Ihren Auswirkungen wohl ähnliche Ausmaße annehmen könnten, oder gar schon angenommen haben, nur eben nicht in Mitteleuropa. Ein wehret den Anfängen gilt deswegen heute umsomehr, gesellschaftlich und beruflich… natürlich auch im pirvaten Bereich!

    Bleibt wachsam und bezieht den Nächsten mit ein. Nicht immer einfach den ersten Schritt zu tun, jeden Tag aufs Neue… aber das Ziel muss dies immer sein und bleiben! Ausgrenzung ist solzialer Mord und ein Armutszeugnis und lässt ein negatives Menschenbild beim Gegenüber (beim Ausgrenzer) erahnen. Manno-man, was verraten sich manche Menschen schnell mit Stammtischparolen. Immer wieder erschreckend, dass erleben zu müssen. Als Ausrede kommt dann stets bei Entlarvung „war ja nicht so gemeint“. Wer kann da schon normalen Tratsch vom Mobbing unterscheiden, wenn er nicht stetig zu gegen ist… der Übergang ist ein fliessender. Eine Firma die sich regelmäßig gegen Mobbing engagiert macht viel richtig – alle anderen machen einen Fehler, einen großen Fehler!

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