DD373: Megatrend Digital First

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Früher versuchte man Probleme zuerst oder ausschließlich analog zu lösen, zum Beispiel mit der Hilfe realer Menschen. Wenn das überhaupt nicht gelang, konnte man es im Internet versuchen. Das war kompliziert und nur für den Notfall geeignet. Heute dreht sich diese Verhaltenswelt: Wir schauen erst im Netz, weil die analogen Menschen irgendwie nicht so gut weiterhelfen – und wenn doch, dann dauert es und kostet Geld oder lobenden Aufwand

Lieber erst digital, denke wir immer öfter. Damit ist der Mega-Trend „Digital First“ eingeläutet.

Angenommen, Sie haben auch einen Brockhaus in mehreren Bänden daheim stehen. Plötzlich fragen Sie sich, was ein Wort bedeuten könnte, das Sie in der Zeitung lesen und nicht kennen. Dann schauen Sie heute in der Regel auf dem Smartphone nach. Erledigt. Für Ältere empfiehlt sich ein lauter unwilliger Ruf: „Was zum Teufel ist Mathetik?“ – Dann wetteifern sofort zwei Enkel in der Nähe, einer neun Jahre alt, einer zwölf. „Opa, Mathetik ist die Wissenschaft vom Lernen!“ – „Aha, das wird ein schöner Unsinn sein. Gut, dass ich schon alles gelernt habe.“ – „Opa, warum schaust du nicht im Lexikon nach?“ – „Das dauert mir zu lange, ich muss in ein anderes Zimmer schlappen, die Vitrine öffnen, dann den richtigen Band suchen, diesen herausnehmen, den Goldschnitt vorsichtig vom Staub befreien und schließlich nachschauen. Das mache ich nicht.“ – „Und du wischst immer den Staub ab?“ – „Ja, ich mag das kostbare Buch nicht staubig aufklappen. Ich halte Lexika in hohen Ehren, da steht alles drin, was ich wissen muss.“ Zehn Sekunden später ruft der Neunjährige: „Opa, alle Bände sind oben drauf staubig!“

Oder: Ich möchte gerne eine spezielle Sorte von Eilles Tee, die es im Mannheimer Hauptbahnhof nicht gibt (wunderbares Geschäft übrigens). Diese neuen Sorten habe ich im Eilles Adventskalender gefunden. Ich denke, die hat Eilles da drin versteckt, damit ich süchtig werden soll. In Mannheim sagen sie, dass es diese Sorten bei ihnen nicht gibt, weil die ein Laden nicht geliefert bekommt, bei Ronnefeldt sei es auch so. Ich müsse im Internet bestellen. Wenig später bin ich in München. Ich besuche den feinen und großen Eilles Store in der ebenso feinen Residenzstraße (Bilder vom Inneren sind im Netz). Es gibt dort tatsächlich ein kleine Ecke mit Tee. Aber: Fehlanzeige. Die Bedienung sagt: Wir haben nur dieses kleine Regal mit Teebeuteln. Da können wir nicht alle dreißig oder so Sorten dahaben. Sie müssen die im Internet bestellen.“ Ergebnis: Ich werde niemals mehr dieses Geschäft betreten. Ich schaue gleich im Netz. Sie wollen das offensichtlich so.

So langsam kippt unsere Haltung zum Internet.

  • Wer schon genau weiß, was er bei IKEA möchte, schaut doch lieber erst im Netzt nach, ob alles Gewünschte auf Lager ist.
  • Wer eine Wohnung sucht, schaut erst ins Netz, auch um ein Gefühl für die Angebotsfülle und das Preisgefüge zu bekommen. Makler? Warum? Der ist nur für die Vermieter da, die sich nicht kümmern wollen. Die Mieter sollen sich gefälligst kümmern und das Nichtkümmernwollen des Vermieters bezahlen.
  • Wer einen Partner sucht, schaut besonders während der Covid-19-Kontaktsperren bei Tinder hinein oder verliebt sich alle 11 Sekunden irgendwo anders.
  • Wer eins seiner zwei, drei Traumautos kaufen möchte, schaut sie sich erst einmal im Netz an und prüft Hinweise auf eine mögliche Rabatthöhe. Im Autohaus muss man sich danach eine Stunde zutexten lassen, weil sich der analoge Verkäufer einen digital Vorinformierten nicht vorstellen kann.
  • Wer eine Krankheit fühlt, schaut ins Netz.
  • Wenn ein Schüler etwas wissen will, fragt er das Netz; früher hätte er überlegt, den Lehrer zu fragen und sich nicht getraut. Wenn er heute die Antwort im Netz nicht findet, könnte er den Lehrer fragen, aber der weiß fast sicher nichts, was das Netz nicht sofort preisgibt.
  • Wer etwas Seltenes sucht, surft erst einmal.
  • Wer ein paar Info-Apps auf dem Smartphone hat (ZDF, SZ, FAZ, Focus, Spiegel, was weiß ich) wird den ganzen Tag mit Eilmeldungen eingedeckt – was ist dann neu in der morgigen Tageszeitung?
  • Wer in den Urlaub fliegt, nimmt nicht mehr fünf Kilo Bücher mit, nur ein Tablet.

Das wissen Sie sicher alles, ich muss die Aufzählung nicht endlos ausweiten, denke ich. Diese Möglichkeiten bestanden schon seit vielen Jahren. Neu ist, dass sich die Mehrheit nun langsam anders benimmt: Digital First.

Quelle: Adobe Stock Photo

https://stock.adobe.com/de/images/a-teenager-in-a-blue-shirt-holds-a-tablet-and-a-stack-of-books-under-his-armpit-raises-the-tablet-and-looks-joyfully-at-the-tablet/329574949?prev_url=detail

Die Diskussionen zwischen den Digital-First-Menschen und den Analog-First/Analog-Only ebben natürlich nicht ab. Der Mega-Trend kommt langsam, aber doch schnell – egal, wie diskutiert wird. Im Grunde gibt es keine ehrliche Diskussion. Ohne dass die normalen Menschen Schopenhauers Traktat zur Eristik gelesen hätten, verfolgen sie konsequent eine von zwei Taktiken, je nachdem, auf welche „Seite“ sie stehen.

  • Ein Digital-First vergleicht das unendliche Potential des Netzes mit dem Wissen von normalsterblichen Menschen, die bei einer solchen Gegenüberstellung unterbelichtet erscheinen.
  • Ein Analog-First-or-Only verweist auf den überwältigenden Anteil von Schwachsinn im Netz und mahnt, sich bitte ausschließlich an vertrauenswürdige Menschen zu halten – das sind in der Regel solche, die er zufällig kennt (z.B. den Finanzexperten der kleinen Sparkassenzweigstelle, die bald schließt). Ein besonderes Schulfach muss her! Es muss gelehrt werden, wie der Mensch das Wertvolle vom Wertlosen und das Wahre vom dummen oder absichtlich Falschen unterscheiden kann.

Digital-First nehmen an, dass alle analogen Menschen mindestens so klug sein könnten wie sie selbst. Das stimmt leider in vielen Fällen. Analog-First nehmen an, dass alle digitalen Menschen höchstens so klug sind, wie die, die sie normalerweise zu fragen gewohnt sind.

Egal: Der Mega-Trend rollt. Leute, die nun nicht mehr analog gefragt werden, müssen sich andere Berufe suchen oder etwas beitragen können, was das Netz nicht ohne weiteres weiß. Insbesondere reagieren wir zunehmend unwillig auf Leute, die auf eine schwierige Frage erwidern: „Moment, ich schaue für Sie im Netz nach. Da! Ja, ich habe anscheinend, glaube ich, etwas gefunden, aber es ist in Englisch. Lesen Sie bitte selbst.“ Ich habe in der re:publica Rede von 2011 den aggressiven Terminus „Flachbildschirmrückseitenberater“ in die deutsche Sprache eingeführt. Wir sind heute zehn Jahre weiter – und wir sind inzwischen alle auf einem solchen Niveau angelangt, was damals noch als bezahlungswürdige Fachberatungstätigkeit galt.

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35 Antworten

  1. Ja, genau so ist das. Und die ‚Ungläubigen‘ (oder vielleicht ‚Gestrigen‘) merken:
    „Die Karawane zieht weiter“,
    auch wenn die das nicht wahrhaben wollen.
    Es war schon immer hilfreich sich mit der Zukunft zu beschäftigen, in der man ja den Rest seines Lebens verbringen wird.

  2. Mit First (und damit Second, aber nicht aus der Welt) könnte ich leben.
    Problematisch wird Digital Only.
    Den Ausspruch: „Darüber gibt es keine Informationen“ habe ich schon öfter gehört. Damit ist gemeint: Ich habe darüber nichts im Internet gefunden. Was also nicht im Internet zu finden ist, existiert nicht.
    Dummerweise stehen viele technische Grundlagen in Büchern gedruckt in diversen Bibliotheken. Das wird nicht digitalisiert, weil zu alt und damit unmodern. Ältere Techniker habe so etwas als Buch auch zuhause.
    Diese Leute haben einen großen Wissensvorsprung. Wenn sie in Ruhestand gehen, nennt man das Fachkräftemangel.

    1. Ja, zwar arbeitslos, aber: Was man nicht schwarz auf weiß im Regal stehen hat. Der Stadtarchivar klagt sehr, weil das Stadtarchiv nur ansatzweise digitalisiert ist. Also gibt es für die Digital First erst gar kein analoges Wissen mehr. Und es ist nicht so, dass wir das Rad nicht schon längst und zwar mehrmals erfunden haben. Die Digitalisierung ist mathematisch gesehen eine Abbildungsfunktion. Wenn diese Funktion die leere Menge zurück gibt, dann existiert das abgefragte Wissen auch nicht. Aber gut. Manche verlassen sich in Pandemie-Zeiten sogar auf diesen belegbaren Nachweis einer leeren Menge. Das sind dann die Digital First. Ich spar mir die Suche oft im Netz, weil ich weiß, wo es steht und ich es dort nachlesen kann. Und es ist mir auf deutsch scheißegal, ob ich gerade Netzwerkprobleme mit meinem Provider des Misstrauens habe. :-))

  3. Es ist so, wie Sie geschrieben haben, aber ich dachte nicht, dass die Erkenntnis neu ist! Smartphone+Google ist so schnell, dass ich kaum jemand kenne (selbst Personen >70Jahre).
    Das Problem ist wirklich „Ein besonderes Schulfach muss her! Es muss gelehrt werden, wie der Mensch das Wertvolle vom Wertlosen und das Wahre vom dummen oder absichtlich Falschen unterscheiden kann.“=>Informationsmanagement. Und das müssen leider erstmal die Lehrkräfte lernen.

  4. Tee in einem Adventskalnder zu bewerben und dann nicht im Laden verkaufen zu können ist möglicherweise ein stärkerer Indikator für Schwarmdummheit als für „Digital First“. Aber das „Schulfach“ muss her. Wir sind ja mit der Technik mitgewachsen (nicht alle, aber viele) – für unsere Kinder ist es Standard. Und ich erlebe die Wirklichkeit der Kinder schon so, dass wenn etwas nicht im Netz ist, auch nicht existiert – oder zumindest nicht wichtig sein kann.

  5. Ich hatte in einem früheren Start-Up einen Web-Designer, der wußte alles, aber nichts richtig. Er bezog sein Wissen aus dem Netz. Bücher las er keine. Das Netz ist überflutet von bedeutungslosen Informationen. Ich tausche mich gerne mit belesenen Menschen aus. Natürlich auch über Inhalte im Netz. Schau Dir das mal an. Ich schicke Dir den Link… Ich habe immer viele Bücher gelesen und mache das nach wie vor. Ab15 Jahren habe ich die Zeit gelesen. Finde ich heute langweilig. Den neuen Spiegel habe ich mir gekauft, weil im Netz stand, da ist ein Vorabdruck von Obamas Biografie drin, mit einer Passage zu Trump.
    Nicht digital oder analog first. Beides parallel.

  6. Wie mit dem Tee ist es auch mit Kleidung: Genauso war es bei H&M: „Ja, das haben wir nicht im Laden, das gibt es nur online.“ Und dafür steige ich mit Töchterchen ins Auto 🙂 warte vor dem Geschäft in der Schlange, bis ein (nein zwei) Einkaufskörbchen wieder frei sind und desinfiziert wurden und hetze mit meiner „ich wünsch mir“-Tochter durch den Laden um das (bzw. eine Verkäuferin) zu finden, in Eile, weil ja alle hinter mir schließlich auch noch in den Laden wollen…
    Fazit: Nie wieder einkaufen vor Ort! Wenn’s mal online gefunden wurde, dann klick. Ggf. halt zurückschicken und eine Größe anders bestellen. Wenn das so gewünscht ist von den „großen Firmen“?!

    Wenn der Opa WLAN hat, kann er im Smartphone oder auf dem Tablet einfacher nachsehen, als den Brockhaus abzustauben. (Darum gibt es schon länger keine gedruckten Ausgaben mehr von Enzyklopädien.) Er würde genauso, wie er in der Enzyklopädie durch viele andere interessante Einträge abgelenkt wird, im Netz genauso abgelenkt, durch viele interessante Beiträge (oder nach Aufmerksamkeit heischende klick-baits).

    „Wenn ein Schüler etwas wissen will, fragt er das Netz“? Der Trend geht weiter: Auf Websites wie „gute Frage“ werden Fragen (von wohl Kindern oder Jugendlichen) gestellt, die mit einer Google (Ab-)Frage die Antwort schneller (= sofort) und wohl umfassender erhalten hätten. Meist werden sie da aber dann auf Links verwiesen, die Google ausgespuckt hat, mit „lies selber“. Wird hier der „persönliche Kontakt mit Menschen“ gesucht (und das Warten auf eine Antwort billigend in Kauf genommen) oder ist die Jugend von heute ob der Vielzahl der Suchergebnisse erschlagen und können sich nicht entscheiden, welche Antwort sie nehmen wollen, oder gar welcher Antwort sie vertrauen wollen? Geben sie sich mit einer (oberflächlichen) Antwort von einem (oder ein paar) Menschen zufrieden, obwohl es viel weitergehende Antworten auf die Frage gäbe.

    Bei „Ohne dass die normalen Menschen Schopenhauers Traktat zur Eristik gelesen hätten“ kam mir Dieter Nuhr in den Sinn: Ohne dass er das Buch gelesen hat, hat er vom Buchtitel auf die Intention der Autorin geschlossen. Leider hat er das öffentlich kommentiert und schon ist es ein Fressen für andere („soziale“) Medien. Prominente dürfen jetzt auch nicht mal mehr einen ersten Eindruck sagen. Es ist doch klar, dass man, wenn man nur im Vorbeigehen im Regal den Titel sieht „Was weisse Männer nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ das Buch von Alice Hasters noch nicht gelesen hat. Nicht beachtet wurde der Kontext: er ist ein Comedian!

    Statt den Spiegel zu kaufen um Obamas Biografie-Vorabdruck zu lesen hab ich mir (einfach) den Film/Beitrag „Obama: Eine wahre Geschichte“ im Fernsehen angesehen. Gut, vielleicht saß ich da länger vor der Kiste, als ich zum Lesen des Spiegel-Artikels gebraucht hätte, es war ja beides nur ein Teaser um zum Kauf des Buchs anzuregen…
    Bei Nuhr: Um sich über Rassismus Gedanken zu machen.

    Es ist deine Entscheidung, schlau zu werden oder dumm zu bleiben. Jeder hat die Wahl, für was er seine Zeit ver(sch)wendet.

  7. Der Beruf des „Flachbildschirmrückseitenberater“ wird weiterhin kommen und bleiben. Trotz Digital-First ist die Rate des „Nicht-Findens“ immer noch sehr hoch und man wendet sich analog an Menschen, die beim Finden im Digital-First besser sind.

  8. Haben Sie diesen Artikel auf einen Tablet mit 13″ Bildschirm geschrieben?

    Dabei könnte Ihnen entgangen sein, dass 90% der Informationen aus dem Internet Werbung (Konsumwerbung, politische Werbung, Selbstdarstellung, ..) sind. Und zwar inzwischen eine Werbung die hoch manipulativ ist. Offensichtlich ist Ihnen auch entgangen, dass das Katalog-Geschäft über Internet durch die enormen logistischen Anstrengungen des „Mehr .. Jetzt ..“ verbunden mit den Rücksendeorgien (siehe Zalando) bereits wesentliche Beiträge zum Wachstum des Platikmülls leistet?

    Zweifellos sind in den restlichen 10% wesentliche und verantwortungsvoll veröffentlichte Informationen zu finden. Für Produktangebote dürfte das aber kaum zutreffen. Und es wird immer schwerer, dass zu unterscheiden.

    Wenn Sie das testen möchten, empfehle ich, nach einem Leistungsverzeichnis mit Preisliste für Services der Facebook und Twitter Firmen für Unternehmen zu googlen.

    1. Hallo Herr Pilgram, ich habe nicht gesagt, dass ich etwas gut oder sinnvoll finde. Ich habe geschrieben, dass es ein Mega-Trend ist. Bitte: Logik! Es ist nicht meine Aufgabe, eine Zukunft zu prognostieren, die mir oder Ihnen gefällt. Es kommt einfach so. Ich propagiere hier nicht, ich prognostiziere.

  9. Die Aufgabe „Problem lösen“ lässt sich doch in zwei Herangehensweisen aufteilen:
    1. ich will ein aktuelles Problem „einfach“ schnell gelöst haben, ohne mich für die Details zu interessieren oder
    2. ich will ein Problem zuerst einmal verstehen, um es dann grundsätzlicher zu lösen

    Für den ersten Fall hilft mir digital first/only, im zweiten Fall ist mehr nötig: Ich muss die Grundlagen des Problems kennen, es analysieren, Lösungsansätze finden und diese bewerten, um schließlich die passende Lösung auszuwählen. Und dort komme ich mit digital first/only nicht weiter, da ist – zum Glück – „analoges Hirn“ gefragt, oft sogar mein eigenes.

    Mein Fazit: digital first bei „Trivialproblemen“ gerne, aber ansonsten ist digital first/only für ein Land, das als Hochburg des Wissens gelten will gefährlich.

  10. Zum Thema „Die Leute sind selbst schuld, wenn sie ihren Job verlieren“ kann ich auch ein paar Anekdoten beitragen:

    Vor ca. 20 Jahren ging ich zum Bahnhof und sagte dem Schaltermenschen, ich würde gern in dieser Woche nachts von Konstanz nach Amsterdam fahren, der Tag und die Route, ob via Basel oder via Augsburg sei mir egal, es solle aber bitte möglichst billig sein – ob er mir da ein Angebot für einen Schlafwagen raussuchen könne? Nein, das könne er nicht, sagte er. Da ich ja offensichtlich nicht wisse, was ich wolle, solle ich mir doch meinen Kram gefälligst selbst aus dem Internet suchen und ihn nicht weiter aufhalten.
    Die Internetseite Bahn.de kannte ich damals noch gar nicht, hat dann aber super funktioniert. So schrecklich viele Variablen hat ein Fahrkartenkauf ja auch wieder nicht.

    Kurz darauf geh‘ ich zu meinem gewohnten Reisebüro und frage nach einem Flugticket Richtung Japan. Bereits gewitzt hatte ich mich online etwas schlau gemacht. Das könne ja wohl nicht sein, dass der Ticketvorschlag, den er aus dem Computer zieht, doppelt so teuer ist wie die Onlineangebote, die ich selbst gefunden habe, wage ich dem Reisebüro-Angestellten zu sagen. Darauf wird er patzig und sagt, ich solle mir doch mein Ticket gleich im Internet kaufen, wenn das doch so viel besser und billiger sei. Und genau das habe ich dann auch gemacht, obwohl ich bei einer für mich doch recht teuren Investition zunächst sehr skeptisch war.

    Ich habe seither nie wieder einen Bahnschalter oder ein traditionelles Reisebüro gebraucht…

  11. Es gilt auch in der digitalen Welt weiterhin, dass man gelernt haben muss „die richtige Frage“ zu stellen. Dann ist die Quelle eigentlich egal… (war das nicht im „Anhalter“ auch so? ;-))

  12. Doof bleibt doof, da hilft auch keine Digitalisierung. Sowohl analog als auch digital ist die Fähigkeit, die Spreu vom Weizen zu trennen, fundamental. Leider ist es in der digitale Welt wesentlich einfach, Dumheiten zu verbreiten, als das in der analogen Welt jemals der Fall war (obwohl auch dort die Dummheitenin immer in der Überzahl waren.).
    Viele Informationen stehen auch heute noch in Büchern, die man aber nicht mehr als Staubfänger zu Hause stehen haben muss, sondern digital lesen (oder sich vorlesen lassen) kann. Da wir aber heute alles möglichst kostenlos haben wollen, stolpern wir in der Regel auch bei unseren Internetrecherchen nicht notwendigerweise über die wirklich relevanten Informationen.
    Zu denken gibt mir bei der ganzen Digitalisierung mein Kopf: Seit es nicht mehr notwendig ist, sich etwas zu merken (steht ja alles im Netz bzw. in der privaten Cloud) fällt es mir zunehmend schwerer, mir Wissen anzueignen oder mich daran zu erinnern. Wahrscheinlich schulde ich das meiner Faulheit und der daraus resultierenden Oberflächlichkeit. Die grauen Zellen verkümmern wegen fehlendem Training. Um mich aber vor mir selbst zu rechtfertigen, schiebe ich es dann doch (meistens) lieber auf die physikalischen Eigenschaften der Zeit und die medizinischen Konsequenzen des Alterns.

  13. Wer Wissens/Auskunftserwerb mit der nur „only“-Variante betreibt, beraubt sich damit selbst nur Optionen.

    Ich selbst bin Digital-First. Mit dem Eintritt ins Berufsleben (diese ist eben oft eher noch analog-first) habe ich aber gelernt, dass man dann auch eine stärkere Verantwortung trägt, dass die Eigenrecherche eben dann auch stimmt – und für Konsistenz und Korrespondenz argumentativ gerade stehen muss. Analog-Second ist dann für eine Untermauerung oft hilfreich, um eine „autoritative Kraft“ hinter seinen Aussagen zu haben.
    Nun kommt es im Praxisalltag manchmal auch durchaus vor, dass man beauftragt wird, Auskünfte heranzuholen oder Recherchen durchzuführen, zu denen man keine Lust hat, die Thematik unwichtig findet oder sich nicht für interessiert.
    Das schnelle Einholen analoger Auskünfte (analog-first) (Lexika meine ich hier weniger, eher Telefonate mit Leuten, die es aufgrund einer offiziell anerkannten beruflichen Autorität wissen müssten), bietet hier instrumentell Abhilfe. Hier wird in der Regel nur erwartet, dass man die Auskunft nachvollziehbar (konsistent) weitergibt, für die Korrespondenz der Auskunft wird man hingegen nicht mehr verantwortlich gemacht, wenn die Autorität, die man nennt, in den Augen des Empfängers seines Rechercheergebnisses (z.B. der eigene Vorgesetzte) groß genug ist.

  14. Hallo, ich habe mir gerade den eilles.de Internet-Auftritt angesehen. Hmm. Da man den Tee nicht riechen kann, wäre eine einfache Textliste praktischer. Viele Bilder, immer nur grüne Beutel, nur mit anderem Aufkleber. Sortiert nach Packungstypen, nicht nach Teesorten. Früher als Schüler konnte ich im Teeladen auch losen Tee zu 50 oder auch mal 100g kaufen, nun muss ich 250g eines Tees nehmen, den ich vorher nicht riechen oder gar probieren kann. TINA? Auweia.

    1. Herr Vrana… es gibt ein zusätzliches (ganz banales!) Problem bei der Webseite, die so auf edel und hochwertig macht:

      Schwächen bei der Grammatik!

      In der Unter-Rubrik „Tee / EILLES Teeshop / Luxus für zu Hause“ steht tatsächlich:

      „Bei uns kaufen Sie (…) direkt ein, denn wir sind der offiziell Shop.“ Ganz offiziell -;) steht das so…

      Und Schwächen bei der Groß-/Kleinschreibung!

      Weiter unten, bei Grüntee, steht nämlich: „Der grüne tee….“

      Und im gleichen Satz fehlt dann ein Punkt.

      Kann es sein, dass die „Digital First“-Generation, die wahrscheinlich auch diese Webseite betreut, größere Schwierigkeiten bei Grammatik und Rechtschreibung hat als die „Analog First“-Generation?

  15. Herr Dueck, mit Ihren Beiträgen sprechen Sie HOCHAKTUELLE und visionäre Themen an.

    Selbst in einer Schweizerischen Zeitung war heute (20. Nov. 2020!) ganz groß zu lesen:

    „Zukunftsforscher Horx: Das Digitale prägt immer mehr das gesamte Leben“

  16. Die Beispiele im Artikel für „Digital-First“ sind nicht zufällig alle dem Konsum zugeordnet. Ich konsumiere, also bin ich. Auch Informationen werden heute konsumiert, die junge Generation kann das perfekt, fragt man jedoch einen sogenannten „Digital-First“ z.B. einen Anhang hochzuladen wird man erkennen, dass viele aus der Benutzerführung einer App nicht herauskommen, sie sind in ihr gefangen. Ob es Sinn macht, Anhänge anzufügen mal außen vor.

    1. Die Beispiele sind nicht zufällig gewählt – aber anders: Ich nehme solche, die von möglichst allen in ihrem Umfeld gesehen werden können. Ich kann Ihnen tonnenvoll Beispiele von Beispielen im professionellen Umfeld geben…(„Unsere Technik braucht die Folien unbedingt im PDF Format, wir haben immer wieder Probleme, sie im PowerPoint-Format zu beamen.“ – „Machen Sie doch selbst ein PDF.“ – „Dazu haben wir keine Software.“ – „Geht mit PowerPoint.“ – „Echt?“). Es geht nur darum, dass man eben zuerst digital an das Problem herangeht, als eher eine neue App lädt als eine Zeile mit der Hand zu schreiben.

      1. Digital ist ein anderer Begriff für Binär (0 und 1), will meinen es gibt nur richtig und falsch. Komplexe Fragen aus dem professionellen Umfeld, kann man nicht mit ja oder nein beantworten, es ist immer etwas dazwischen. So muss, wer zuerst digital an etwas herangeht, in der Lage sein, seine Frage in viele „kleine“ Fragen zu zerlegen und dann danach die einzelnen Antworten zu einer zu verschmelzen. Wer kann das, sicher nicht die Majorität bzw. ein Megatrend. So wird wer zuerst digital sucht und keinen menschlichen Experten fragt oder selber einer ist, solange mit ungenügender Präzise leben, bis eine künstliche Intelligenz hier Abhilfe schafft. Nur wer den Anspruch hat, hier Experte zu werden und mit Anderen zusammen sich vernetzt, wird seiner selbst sein/bleiben, die anderen werden weiterhin konsumieren.
        Kein Mensch braucht die Folien im PDF Format 😉

        1. ‚tschuldigung – „digital“ von Ziffer oder Finger hat zunächst nichts mit Binär zu tun, sondern damit, dass man sich auf „Zahlen“ oder das „Zählen“ bezieht (was man halt so mit seinen eigenen 9 bis 11 Fingern hinbekommt). Dahin mag Ihre Aussage stimmen, weil eben nicht alles messbar oder zählbar ist, oder besser, „offensichtlich“ messbar oder zählbar. Da sind wir dann bei Statistik und Mathematik insgesamt, wo der Glaube vorherrscht, „alles sei Mathematik“ oder über die Mathematik ausdrückbar – und da gebe ich Ihnen recht, denn die Mehrheit „war in Mathe immer schlecht“, auch wenn „Mathematik“, als die „Wissenschaft der Schönheit und Eleganz“ weit mehr ist, als Statistik oder Rechnen. Aber dies nur am Rande…

          1. Am Ende sind es 0 und 1 wir haben nur eine Benutzeroberfläche darauf geschaffen, die mehr Menschen mitnimmt. Diese 0 und 1 werden zu Mustern, die man überall wiederfinden kann. Gewinnen tut der die erfolgversprechenden Muster erkennt und in anderen Kontexten erfolgreich wieder verwendet und agil weiter entwickelt, das muss kein Mathematiker sein, es ist eher ein diverses Team von Menschen, die ihre Talente zu etwas größeren zusammen bringen. So ist hier der gute Handwerker im Team besser, als der schlechte Ingenieur/Mathematiker.

  17. „Ich bin so etwa die halbe Zeit auf Reisen. Also nicht verzagen. Sie sind willkommen!“ Digital First? 🙂

    Denken First. Digital Second.
    Always!
    Viele Grüße

  18. Sie schreiben so einseitig über „digital“ über IHRE digitale Welt, das tut mir bizzle weh. 🙂 Sie unterstellen allen Angst oder Dummheit. Schauen Sie doch in die Mülltonnen, die vor lauter E-Commerce-Shopping Müll noch voller laufen oder schauen Sie sich bitte das Paket und Amazon-Truck-Chaos in Manhatten an – crazy!!! Es gibt Menschen, die gehen gerne in ein kleines Fachgeschäft – auch wenn Sie das nicht glauben können. Sind nicht alle so willenlos und schicken 50% der Pakete wieder zurück. #Nachhaltigkeit

    Ihr kleiner, persönlicher Traum vom autonomen Fahren ist jetzt bei Ihren Fans angekommen – Hurra! Wir haben aktuell aber größere Probleme zu lösen (auch ohne C-19)! Zu full-self-driving cars hören Sie sich bitte mal was von R. David Precht an, auch wenn Sie das als Zahlenmensch sicher schmerzt. 🙂 Er hat das neben vielen anderen (auch KI-Nerds aus dem Valley) sehr gut analysiert und er hat vor allem seine Meinung revidiert.

    Uber Investor über autonomous cars: “We probably burned $2.5 billion on autonomous. That was a waste of money.“ In Umweltschutz oder Pflege wäre das besser investiert – 100%!

    Wir haben in Deutschland viel zu tun – keine Frage! Gerade bei den Behörden. Das ist zum Teil ein digitales Trauerspiel vor allem im Data Management. Auch die sinnfreie Bürokratie etc. aber Sie übertreiben einfach mit Ihrem undifferenzierten digital, digital, digital….

    Mach nur digital und dann ist die Welt schön und alles ist toll und aus jedem Depp wird ein Depp mit digitalem Tool. Wunderbar, ick freu mir!

    P.S. Vergessen Sie den Menschen und die Natur nicht! Die Natur wird bald nicht mehr da sein, wenn wir uns nur noch mit „Digital“ beschäftigen! Digital ist nicht immer die Lösung!

    1. Oh, da haben wir ein grundlegendes Missverständnis! Ich PROPAGIERE NICHT, ich stelle nur dar, was kommen wird. Precht wünscht sich etwas, das kann er gerne tun, das ist Philosophie. Ich versuche nur zu sagen, was wirklich kommt. Wer sich sich darauf nicht einrichtet, liegt dann falsch – und ich habe Sorge, dass Deutschland so langsam absteigt, wie die „Weltmächte“ Frankreich, England, Russland, auch Japan, auch die kath. Kirche….Ich sage seit 15 Jahren, dass die Banken langsam verschwinden, wenn sie sich nicht als „Dorfdienstleistungszentrum“ umwandeln. Das wollen sie nicht und verschwinden jetzt. Sie können jetzt gerne sagen, dass sie in die Bank im Dorf gehen möchten, hilft nichts mehr. Es geht mir darum zu zeigen, dass man sich in die Trends SINNVOLL einfügen muss, das geschieht aber nicht, die blockierenden Unternehmen sterben. Das geschieht hier in D mit der Autoindustrie auch etc. Ich versuche „Aufklärung“, wie gesagt, es ist nicht mein persönlicher Wunsch, dass es so kommt. Es gibt hier DDs seit 2005, schauen Sie, was ich gesagt habe.

      1. “Dorfdienstleistungszentrum” sehr schön! Dann müssen wir das vorantreiben und nicht nur alle „Digital“ schreien. Danke für die Aufklärung in diese Richtung. SmallBizz, lokale Gemeinschaft. Nachhaltigkeit etc.

        Aber für Sie und leider auch die Mehrheit der BWL-Entscheider ist das ja alles Naturgesetz. Der Mensch (Politik, CEOs, Top 1% Milliardäre) könnte die Zukunft bestimmen, es muss nicht so kommen.

        Aber Sie haben ja recht – wir sind so beschränkt – wir legen mehr Wert auf bling bling, GDP und pseudo Fortschritt (iPhone 11 versus 12) als auf einen gesunden Lebensraum.

        –> (Und NEIN, das 11er war kein Steinzeit-Telefon, Steinzeit ist lang her!) 🙂

        Was kostet die Welt?
        https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/dasgupta-report-zur-biodiversitaet-was-kostet-die-welt-a-8447cc51-be9d-4774-9201-1da427c60816

        Bleiben Sie gesund! Danke für Ihr Feedback!

        (Einige Branchen sterben, dass ist normal, dazu muss ich kein Hellseher sein. Obwohl, der Plattenspieler kommt wieder – klasse!)

        1. Sie missverstehen es schon wieder. Zum Beispiel stelle ich fest: „Autonome LKW sind halb so teuer und doppelt so schnell“ (weil der Fahrer in etwa so viel Kosten wie der LKW verursacht und dauernd Pausen machen muss). Das ist – ja – eine Art Naturgesetz. Und deshalb werden LKW irgendwann selbst fahren. Ich stelle hier nur solche „Naturgesetze“ fest, weiter nichts. Eine Sparkasse im Dorf mit 2 Leuten kostet vielleicht 150.000 Euro im Jahr, gegenüber ist eine Volksbank, macht 300.000. Die verwalten ca. 1000 Familienkonten, also müsste man pro Familienkonto 1000 Euro Marge machen, wahrscheinlich 2000, um die Bankzentrale dahinter zu bezahlen. Jetzt kommen Sie: Wie kommen denn bitte bei Nullzinsen 2000 Euro Gewinn im Jahr pro Konto zusammen? Das ist wieder so ein „Naturgesetz“, das Sie gerne ignoriert haben wollen. Es ist aber nicht „mein“ Naturgesetz, sorry. Es muss so kommen, sorry. Ich informiere hier, damit man das vielleicht noch beachten kann, was kommt. Aber es reizt offenbar nur zu Widerspruch. Tesla hat übrigens gerade das erste Jahr mit vier Quartalsgewinnen beendet und hat jetzt schon so 20% des Umsatzes von VW. VW schwächelt, Tesla wächst mit so 50%. Das sage ich hier ZB seit vielen Jahren voraus. Ich jubele das nicht hoch. Ich sage es voraus, weil man es Jahre vorher sehen kann. Aber Sie schimpfen dann eher nur… und die Autoindustrien hier taucht ab.

  19. LKW auf gerader Strecke ist ≠ „fully-automated“ durch Bangkok fahren. Auch LKW ist End2End sau kompliziert. Hoffentlich macht sich die Regierung Gedanken, was sie dann mit den Fahrer macht. (Aus der Kohle können wir ja nicht raus – die Arbeitsplätze!)

    Yapp, Elon rettet die Welt und in 2025 leben wir alle auf dem Mars. Es lebe der Aktienkurs, CO2-Zertifikate und die Börse. Alles Natur!

    Sie wollen mich falsch verstehen – ist aber O.K.. Es kommt wie es kommt! Sie haben recht!

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